«Das ist ein Skandal» Fans machen Messi zum Weltfussballer – die FIFA-Wahl wird zur Farce

Von Jan Arnet

16.1.2024

Lionel Messi wurde in London zum achten Mal als Weltfussballer ausgezeichnet, holte den Preis aber nicht ab.
Lionel Messi wurde in London zum achten Mal als Weltfussballer ausgezeichnet, holte den Preis aber nicht ab.
imago

Lionel Messi wird zum achten Mal als Weltfussballer ausgezeichnet. Er setzt sich hauchdünn gegen Erling Haaland durch. Die Norweger toben und selbst die Argentinier sind überrascht. Ist die Wahl verdient oder nicht?

Von Jan Arnet

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Der FIFA-Weltfussballer 2023 heisst wie im Vorjahr Lionel Messi. Er setzt sich gegen Erling Haaland und Kylian Mbappé durch und gewinnt den Award schon zum achten Mal.
  • Die Wahl überrascht, hatte Messi doch eher ein durchwachsenes Fussball-Jahr hinter sich. Auch der Weltmeistertitel hätte eigentlich keinen Einfluss auf die Stimmenvergabe haben dürfen.
  • Die detaillierte Auswertung der FIFA zeigt, dass die Fan-Stimmen entscheidenden Anteil an Messis Sieg hatten. Haalands Niederlage sorgt für Frust in seiner Heimat Norwegen.

Lionel Messi hat wohl selber nicht damit gerechnet, dass er am Montagabend zum achten Mal als Weltfussballer ausgezeichnet wird. Als Thierry Henry die Titelverteidigung des Argentiniers verkündet, fehlt von Messi jede Spur. Der Weltmeister von 2022 ist gar nicht angereist – und hat auch niemanden geschickt, um die Trophäe beim allfälligen Gewinn abzuholen.

So steht Moderator Henry mit dem «The Best»-Award alleine da und versucht die Situation mit etwas Humor zu überspielen. «Ich habe diesen Preis noch nie gewonnen, also behalte ich ihn», sagt die Arsenal-Legende. Und er kann es nicht lassen, Co-Moderatorin Reshmin Chowdhury mit einem Scherz aufzuziehen: «Du bist Tottenham-Fan, oder? Ihr seid euch ja nicht gewohnt, die Hände an einer Trophäe zu haben, also ...»

Gelächter im Publikum. Das war bei der Messi-Verkündung anders. Da wurde es mucksmäuschenstill im Saal. Ein Schweigen, das Fassungslosigkeit ausdrückte. Selbst Pep Guardiola, einst der grosse Mentor des Zauberflohs, verdrehte die Augen. Auch der ManCity-Coach dürfte erwartet haben, dass sein Schützling Erling Haaland ausgezeichnet wird.

Messi oder Haaland: Wer hatte das besser Fussballjahr?

Haaland hat mit Manchester City das Triple gewonnen und in seiner allerersten Saison in England mit 36 Treffern gleich den Premier-League-Torrekord gebrochen. Insgesamt hat Haaland im Kalenderjahr 2023 50 Treffer erzielt. Mit einem geschätzten Marktwert von 180 Millionen (gemäss «Transfermarkt») hat er sich gemeinsam mit Kylian Mbappé und Jude Bellingham zum wertvollsten Spieler der Welt entwickelt.

Messi kam 2023 auf 28 Tore. Er gewann mit PSG die Ligue 1 und wechselte dann im Sommer zu Inter Miami in die MLS. Da verpasste Messi mit seinem neuen Team die Playoffs. Seine Wahl hat mit Sicherheit auch was mit dem WM-Titel Ende 2022 zu tun.

Allerdings dürfte dieser eigentlich überhaupt keine Rolle im Bewertungsprozess spielen. Denn der Bemessungsraum für die Weltfussballer-Wahl war die Zeit vom 19. Dezember 2022 bis zum 20. August 2023. Argentinien gewann die WM am 18. Dezember 2022, also einen Tag bevor das neue «The-Best-Jahr» startete.

Fan-Stimmen als entscheidender Faktor

Ob die Wahl nun verdient ist oder nicht – Fakt ist: Messi hat die meisten Stimmen bekommen. Oder um genau zu sein: Er hat genau gleich viele erhalten wie Haaland. Messi setzte sich am Ende durch, weil er die meisten Stimmen von den Captains der Nationalmannschaften erhalten hatte (mehr dazu hier).

Wahlberechtigt sind bei den «The Best»-Awards die Trainer und Captains der Nationalmannschaften sowie rund 200 ausgewählte Journalisten – und Fans. Die Stimmen jeder Jury-Gruppe zählen zu einem Viertel. In der detaillierten Auswertung der FIFA ist herauszulesen, dass Haaland gewonnen hätte, wenn nur die Stimmen der Spieler, Trainer und Medien gezählt hätten. Die Fans – und davon hat Messi viele – brachten dem 36-jährigen Argentinier schliesslich den Sieg.

So setzten sich die Stimmen zusammen: Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Messi und Haaland.
So setzten sich die Stimmen zusammen: Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Messi und Haaland.
fifa.com

Wie viel Messi der achte Weltfussballer-Titel bedeutet? Man weiss es nicht. Denn nebst seinem Fehlen an der Gala in London verzichtete Messi auch auf eine Wortmeldung über Social-Media. Kein Post auf Instagram, kein Dank an die Fans, die so zahlreich abgestimmt haben. Es scheint fast, als wäre es selbst Messi unangenehm, die Wahl gewonnen zu haben.

Norweger sprechen von «Skandal»

Auf jeden Fall für Verwunderung sorgt die Wahl in Haalands Heimatland Norwegen. «Wie kann Erling Haaland nicht der beste Spieler im Jahr 2023 sein?», fragte der ehemalige Bundesligaprofi Jan Aage Fjörtoft bei Twitter und ergänzte: «Wenn Auszeichnungen wie diese bei den Spielern Anerkennung erlangen wollen, müssen sie damit aufhören … die Preise werden am Ende wertlos sein.»

Völlig überrascht war auch Ex-Fussball-Profi Carl-Erik Torp. «Ich muss mich erstmal etwas beruhigen», sagte der Experte beim norwegischen Fernsehsender NRK in einer ersten Reaktion und ergänzte kurz darauf: «Ich würde sagen, das ist ein Skandal.»

Und die Zeitung «Aftenposten» zielte sogar direkt auf Messi: «Eine Behauptung, die nicht besonders kontrovers ist: Lionel Messi gehört nicht mehr zu den zehn besten Fussballspielern der Welt. Erling Braut Haaland aber schon. (...)  Und an Dich, Messi: Sorry, aber genau diesen Preis hast du nicht verdient.»

Selbst die Argentinier sind verwundert

Auch in Argentinien war man nicht von einem Messi-Sieg ausgegangen. «Ohne Zweifel war der Preis für Messi diesmal nicht erwartet worden. Er blieb in Miami, denn die Vorbereitung hat gerade begonnen, und er reist mit seinem neuen Teamkollegen Luis Suárez nach El Salvador», schreibt die Zeitung «Olé».

«Die unglaubliche Abstimmung, bei der Lionel Messi mit der Auszeichnung gekrönt wurde», ist bei «Clarín» zu lesen, während es «La Nación» ziemlich gut auf den Punkt bringt: «Lionel Messi hat damit begonnen, sich von den grossen Auszeichnungen zurückzuziehen, aber die Fussballwelt wählt ihn noch immer.»