Duell

Hoarau zu Sion – Transfercoup oder Rohrkrepierer?

Pro

Syl Battistuzzi

Sport-Redaktor

Was war YB, bevor 2014 Guillaume Hoarau kam? Ein sympathischer, aber notorischer Verliererklub. Mit der Ankunft des aus La Réunion stammenden Franzosen kam neben Lockerheit auch der langersehnte Erfolg. Sion gelingt mit ihm ein Transfercoup – in Bern wird er mehr fehlen, als man denkt.

Fast die ganze Schweiz freute sich 2018 über den ersten Meistertitel von YB nach 32 Jahre langer Leidenszeit. Es war (oder ist) der Beginn einer Ära. Die Berner feierten heuer den dritten Meistertitel in Serie, zugleich holte man sich dank eines Sieges über Titelverteidiger und Rivale Basel auch das historische Double. Das personifizierte (Erfolgs-)Symbol: Gui Hoarau.

Der Stürmer bekam von YB-Sportchef Christoph Spycher keinen Vertrag mehr. Hoarau war seit seiner Ankunft einer der bestverdienenden Profis der Liga. Doch er war jeden Rappen wert. Einerseits brachte er mit seinem Charisma und seiner Persönlichkeit viel Lebensfreude in den oft grauen Super-League-Alltag, andererseits vergass der Lebemann nie, dass es auf dem Platz zählt. Seine Bilanz lässt sich jedenfalls sehen. In 188 Partien in der höchsten Schweizer Spielklasse erzielte er 118 Tore und 36 Assists.

2019 war ein Seuchenjahr für ihn. Wegen diverser Verletzungen spielte er in der Liga nur 17-mal, gerade noch zwei Törchen schauten dabei heraus. Im Angriff löste ihn Jean-Pierre Nsame als Torgarant ab. Keine guten Argumente für eine Vertragsverlängerung bei YB – und eine Fortsetzung der Karriere überhaupt. Doch Hoarau hätte sicher auf viel Geld verzichtet, um in der Hauptstadt bleiben zu können. Der Lohn ist bei ihm also nur noch zweitrangig. Dafür will Hoarau noch beweisen, dass er noch nicht aufs Abstellgleis gehört.

Ja, er ist schon 36-jährig. Doch wie man auch bei Cristiano Ronaldo sehen kann, ist das Alter bei der richtigen Einstellung nur eine Zahl. Denn der Routinier war nicht nur der fröhliche Spassmacher in der Kabine, sondern auch stets ein ehrgeiziger Leader. Dies kann er nun bei Sion unter Beweis stellen. Dort ist er wieder der Heilsbringer. Eine Rolle, die wie auf den Leib geschnitten ist für Hoarau. CC darf sich zum Transfercoup gratulieren. PS: YB ist in der Champions-League-Qualifikation praktisch bereits ausgeschieden. Ein untrügliches Vorzeichen?

Contra

Tobias Benz

Sport-Redaktor

Guillaume Hoarau wird als einer der Besten seines Fachs in die Super-League-Geschichte eingehen – das ist klar. Mit seinen Toren führte er die Young Boys zum ersten Meistertitel seit 32 Jahren. Trotzdem ist nicht zu vergessen, dass diese Geschichte nun doch auch schon zwei Spielzeiten alt ist – eine lange Zeit für einen Mittdreissiger.

In den Dreissigern findet irgendwann fast jede Fussballerkarriere ihr Ende. Die Beine werden müde, die Reaktionen langsamer, der Puls höher. Gut zu beobachten ist das bei Bluewin-Redaktor Syl Battistuzzi. In seinen Augen ist zu sehen, wie es im Kopf zwar noch rattert, der Körper aber nicht mehr richtig mitmachen will. Das resultiert dann meistens in einem Ballverlust.

Gut für Sion: Guillaume Hoarau ist ein anderes Kaliber. Aber das Alter ist (fast) dasselbe. Mit seinen 36 Jahren wird es für den YB-Meistermacher keine einfache Aufgabe, im Wallis Fuss zu fassen. Schon gar nicht nach einer Saison zum Vergessen – so wie der letzten. Unzählige Verletzungen und gerade mal zwei Tore standen für den Franzosen am Schluss zu Buche. Es hat seine Gründe, weshalb der Publikumsliebling in Bern keine Vertragsverlängerung erhielt.

Für Hoarau selbst macht ein Wechsel natürlich Sinn. Er fühlt sich wohl in der Schweiz und kann unter Christian Constantin seine Karriere noch etwas länger am Leben halten. Auch der Lohn dürfte stimmen. Aus Sicht von Sion erscheint die ganze Sache aber doch etwas fragwürdig und mit Hinsicht auf Alter und Form sogar doppelt riskant.

Die Chance, dass der Mittelstürmer mit 36 über längere Zeit verletzungsfrei bleibt, ist nicht gerade gross. Zudem besteht keinerlei Garantie darauf, dass er die Form seiner Anfangsjahre bei YB wieder zurückerlangt und auch im Tourbillon fleissig auf Torejagd geht.

Damit Hoarau beim Abstiegskandidaten zum Erfolg wird, muss er aber sowohl verletzungsfrei bleiben als auch Tore schiessen. Das ist riskant investiertes Geld, auch wenn CC im Falle Hoarau zumindest die Transferablöse erspart blieb.

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