Rappi und ZSC vor dem Aus Grönborg und Moses unter Druck  – der virtuelle Apéro als letzte Zürcher Option?

Von Marcel Allemann

29.4.2021

ZSC-Goalie Ludovic Waeber ist geschlagen, bislang fanden die Zürcher noch kein Rezept gegen Servette. 
ZSC-Goalie Ludovic Waeber ist geschlagen, bislang fanden die Zürcher noch kein Rezept gegen Servette. 
Bild: Keystone

Gerade mal während zwei Tagen durften sie Playoff-Halbfinals spielen und schon naht das Ende. Die ZSC Lions und die Lakers stehen in der auf ein best-of-five zusammengestrichenen Halbfinal-Serie mit dem Rücken zur Wand. Was ist das Problem? Und vor allem: Gibt es noch Hoffnung?

Von Marcel Allemann

ZSC Lions

Was sind die Probleme?

  • Die Zürcher spielen keineswegs schlecht, aber sie finden gegen die wesentlich resoluteren, robusteren und effizienteren Genfer kein Mittel, was sie je länger je mehr frustriert. Genau gleich ist es in den Viertelfinals schon Fribourg gegen Servette ergangen. 
  • Zehn Verletzte hatten die ZSC Lions in Halbfinalspiel 1 zu beklagen, noch sieben in der zweiten Partie. Wie fit die wichtigen Rückkehrer Maxim Noreau und Denis Hollenstein effektiv sind, wissen nur sie selbst und der Teamarzt. Zudem bräuchten die Zürcher  dringend ihren wertvollen Zweiweg-Center Marcus Krüger zurück auf dem Eis. Die ZSC Lions sind nicht nur moralisch, sondern auch körperlich angeschlagen. Das «Knüppel-aus-dem-Sack-Hockey» von Viertelfinal-Gegner Lausanne hat Spuren hinterlassen.
  • Servette hat sich in einen Siegesrausch gespielt. Die erste Viertelfinal-Partie gegen Fribourg ging noch verloren, seither eilen sie von Erfolgserlebnis zu Erfolgserlebnis und haben sechs Siege in Serie aneinander gereiht. Daran, diesen Flow der Genfer zu stoppen, beissen sich die Zürcher derzeit die Zähne aus.
  • Was Servette als Team derzeit abliefert, ist überragend. Die Aushängeschilder wie Playoff-Topskorer Henrik Tömmernes, Linus Omark, Eric Fehr, Daniel Winnik, Joël Vermin, Noah Rod und Tanner Richard nehmen ihre Verantwortung wahr und performen auf höchstem Playoff-Level. Andere, die man weniger auf der Rechnung hatte, wachsen in ihrem Schatten über sich heraus. Wie etwa der 21-jährige Walliser Mathieu Vouillamoz, der schon drei Playoff-Tore erzielt hat. Und der 37-jährige Ersatzgoalie Daniel Manzato, der den verletzten Stammkeeper Gauthier Descloux grandios ersetzt und in vier Spielen erst zwei Gegentore kassiert hat, schreibt derzeit ohnehin sein ganz persönliches Märchen. Bei den ZSC Lions geht es eher in die entgegengesetzte Richtung. Der Top-Sturm mit Garrett Roe und Sven Andrighetto kann sich nicht mehr so wie noch in der Viertelfinal-Serie gegen Lausanne entfalten. In die Bresche zu springen, vermag keiner und auch Goalie-Aufsteiger Ludovic Waeber zeigte sich zuletzt erstmals verwundbar.

Was sind die letzten Strohhalme?

  • Die Ausgangslage ist für die ZSC Lions trotzdem besser als für die ebenfalls mit dem Rücken zur Wand dastehenden Lakers. Die Zürcher können am Donnerstagabend in einem Heimspiel mit dem Siegen beginnen und bräuchten anschliessend «nur» einen Auswärtssieg für die grosse Wende. Im Fall von Rappi sind es zwei, was dann doch ziemlich aussichtslos ist.
  • Rikard Grönborg führte Schweden zu zwei Weltmeister-Titeln. Jetzt kann er auch in Zürich beweisen, dass er ein grosser Trainer ist, die richtigen Schlüsse ziehen und eine erfolgsversprechende Feinabstimmung vornehmen. Sein Gegenüber Patrick Emond müsste Grönborg doch eigentlich im Griff haben, dieser gewann seine zwei bisherigen Titel lediglich auf nationaler Junioren-Stufe.
  • Als der ZSC 2001 im Playoff-Final gegen Lugano mit 1:3 ins Hintertreffen geriet, trafen sich die Spieler am Vorabend des fünften Spiels in einem Restaurant zu einem Apéro, um den Kopf zu leeren. Anschliessend schickten sie sich an, die Serie zu drehen und Meister zu werden. Fortan war der Playoff-Apéro beim ZSC Tradition. Und wurde nach einer vorübergehenden Sistierung auch 2012 wieder zum Glücksbringer, als er in der Not (mit 1:3 lag der ZSC im Final gegen den SCB zurück) wieder eingeführt wurde. Restaurants und Apéros sind während Playoffs in Corona-Zeiten und einer Double-Bubble zwar eine ganz schlechte Idee, aber im letzten Jahr haben wir gelernt, wie man auch virtuell für Geselligkeit sorgen kann. Griffen die ZSC Lions am Mittwochabend als letztes Mittel klammheimlich zum virtuellen Apéro?

Der Match im Free-TV

Rapperswil-Jona Lakers

Was ist das Problem?

  • Im ersten Spiel wurde das Überraschungsteam, vielleicht noch etwas in der Euphorie des grossen Coups schwebend, auf dem falschen Fuss erwischt und es setzte eine deutliche 1:6-Niederlage gegen die gnadenlosen Zuger ab. In Partie Nummer 2 zeigten sich die Lakers stark verbessert, aber kurze Schwächephasen kosteten sie einen ihrem Aufwand entsprechenden Ertrag in Form eines Sieges. Stattdessen setzte es mit 2:4 die zweite Niederlage ab.
  • Die Effizienz der Lakers im Viertelfinal gegen Lugano war beeindruckend. Aber sie ist inzwischen verloren gegangen, die Chancenauswertung ist zu wenig gut, um gegen das qualitativ noch besser als Lugano besetzte Zug bestehen zu können. Zudem sieht sich Rappi nun auch mit dem fünffachen Meistergoalie Leonardo Genoni konfrontiert, der seine ganze Playoff-Routinie ausspielt. 
  • 0:2 als Underdog zurück in der Serie, dazu müsste man Titelfavorit EV Zug nicht nur dreimal in Serie, sondern auch noch zweimal auswärts bezwingen. Diese Hypothek ist gross und die mentale Herausforderung riesig. Die Lakers müssen nun den Himalaya bezwingen – und das auch noch in Turnschuhen.

Was sind die letzten Strohhalme?

  • Die Lakers hatten schon zuvor kaum etwas zu verlieren, aber jetzt in Spiel 3 erst recht nicht mehr, aber viel zu gewinnen. Sie könnten ihrem Frühlingsmärchen nochmals ein schönes Kapitel hinzufügen. 
  • Aufgeben war und ist bei den Rapperswil-Jona Lakers nie eine Option. Schliesslich kamen sie durch ihren heroischen Kampfgeist zu ihren Heldentaten in dieser Saison. Verteidiger Fabian Maier sagt: «Das zeichnet uns aus, wir geben nie auf. Dadurch sind wir so weit gekommen im Playoff.» 
  • Abgesehen von den zwei Toren gegen Lugano in Viertelfinal-Spiel 5 blieb Steve Moses in den Playoffs vieles schuldig. In Halbfinal-Spiel 2 vertändelte er vor dem 1:2 auch noch auf völlig unnötige Weise den Puck, hatte somit den Zuger Umschwung und letztlich auch die Niederlage zu verantworten. Doch der Amerikaner verfügt über herausragende Qualitäten. Womöglich ist er nun in seinem Stolz verletzt, zeigt als Reaktion den besten Saisonmatch und führt die Lakers zum Sieg.