Sichtbarer Klimawandel So schnell verschluckt das Meer die Salomon-Inseln

Philipp Dahm

26.5.2019

Den Bewohnern der Salomon-Inseln geht ihre Heimat verloren: Der Anstieg des Meeresspiegels von 15 Millimetern hat hier fatale Auswirkungen. Mehr und mehr Inseln versinken im Meer.

Alle reden vom Klimawandel, doch nur an wenigen Orten wirken sich die Veränderungen so stark aus wie auf den Salomonen. Die Inselgruppe liegt im Pazifik und ist bekannt für malerische Sandstrände. Doch die Frage ist: Was wird davon in Zukunft noch übrig sein?

In den letzten 20 Jahren ist das Meer in der Region um über 15 Millimeter angestiegen. Das tönt nach wenig, doch diese paar Millimeter bringen auf einigen Inseln das Fass zum Überlaufen. Simon Albert beobachtet den Anstieg ganz genau: Der promovierte Biologe von der University of Queensland erlebt seit vielen Jahren vor Ort hautnah mit, wie sich die See immer mehr Land einverleibt. Von 33 Inseln der nördlichen Salomonen, die der Australier in den vergangenen Jahren genauer untersucht hat, sind sechs nur noch halb so gross. Und fünf sind komplett verschwunden.

Inseln, von denen Ältere erzählen

Weltweit klettert der Meeresspiegel pro Jahr um 3,5 Millimeter nach oben. «Hier auf den Salomonen haben wir die dreifache Rate, zwischen sieben und zehn Millimeter pro Jahr», sagt Albert in der australischen TV-Sendung «60 Minutes Australia». Eigentlich kam der 39-Jährige als junger Wissenschaftler auf die Inseln, um den Effekt der Abholzung zu erforschen. Doch als er immer öfter Geschichten von Inseln hörte, auf denen ältere Menschen als Kinder noch gespielt haben, und die nun verschwunden sind, verschob sich der Fokus des Biologen.

Die Lage der Salomoninseln nordöstlich von Australien.
Die Lage der Salomoninseln nordöstlich von Australien.
Bild: Google Maps

So sichtete er etwa alte Aufnahmen der Inseln aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, als sich Japaner und Amerikaner in der Region blutige Schlachten lieferten. Er konzentrierte sich dabei auf den Nordwesten der Gruppe um Santa Isabel herum. Die Insel Sogomou ist auf Aufklärungsbildern von damals eine intakte Insel, heute kann der Wissenschaftler mit einem Boot über sie hinwegfahren. «Es ist überwältigend», sagt Dr. Albert. «Ohne die Bilder wüssten wir heute nicht, dass das mal eine stabile Insel war.»

Beispiellose Veränderungen

Der Vergleich zeigt, wie viel von der Insel heute unter Wasser liegt. Noch 2002 war alles in Ordnung, doch dann versank dieser Ort mehr und mehr im Meer. «Seit damals ist die Hälfte der Insel wegen des gestiegenen Meeresspiegels verschwunden.» Die Bäume, die man sehe, seien um die 250 Jahre alt: Sie haben Sogomou Stabilität verliehen, doch wenn sie im Wasser stehen, ersäuft der natürliche Küstenschutz selbst – und lässt das Eiland noch schneller vergehen. In 20 Jahren sind so bisher 110'000 Quadratmeter verloren gegangen.

Der Biologe Dr. Simon Albert (links)  verfolgt seit Jahren, was der Anstieg des Meeresspiegels auf den Salomonen für Folgen hat.
Der Biologe Dr. Simon Albert (links)  verfolgt seit Jahren, was der Anstieg des Meeresspiegels auf den Salomonen für Folgen hat.
Screenshot: YouTube

Was entgegnet der Experte Klimawandel-Leugnern, die sagen, das sei alles Teil eines natürlichen Zyklus, in dem Inseln nun mal verschwinden würden? «Den gibt es ganz sicher. Inseln kommen und gehen tatsächlich. Man sieht Sandbänke, die für einige Jahre eine sehr flache Vegetation ausbilden und die beim nächsten Sturm einfach weggespült werden. Aber davon reden wir hier nicht. Das sind grosse Inseln, die auf diesen Riffen seit mindestens einigen hundert Jahren liegen und die Geschwindigkeit der Änderungen, die wir in den letzten 20 Jahren gesehen haben, ist beispiellos in der Geschichte.»

Die Reportage von «60 Minutes Australia».

Und natürlich hat die Landnahme des Meers noch weitere Opfer ausser den Inselbewohnern: Auch Tiere wie Meeresschildkröten bekommen durch die untergegangenen Strände Probleme. Die Bilder der Reportage machen deutlich, dass die Menschheit reagieren muss, wenn sie nicht untergehen will. Albert formuliert es so: «Wir müssen anfangen, diesen Klimadruck ernst zu nehmen. Er ist [jedoch] so politisch und so spaltend geworden, und wir müssen darüber hinwegkommen. Aus einer ganzen Reihe von Gründen hat uns der Klimawandel in einen Teufelskreis aus Vorwürfen und Ignoranz gebracht.»

Was der Klimawandel am Polarkreis auslöst:

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