Schweizer Forscher haben in die Klima-Glaskugel geschaut. Das Ergebnis: Die Aussichten sind trübe. Die Sommerhitze wird länger dauern, extreme Wetterlagen häufen sich.
Der Blick in die Klimazukunft der Schweiz ist düster: Er zeigt trockenere, heissere Sommer, regenreichere, schneearme Winter und heftigere Starkniederschläge. Mit den «Klimaszenarien Schweiz» stellen Forschende vor, auf was sich das Land vorbereiten muss.
Der Klimawandel wird die Schweiz demnach ganz schön mitnehmen. Der Blick in die mögliche Zukunft des Landes war noch nie so genau wie in der dritten Auflage der «Klimaszenarien Schweiz» – sie wurde von Forschenden von MeteoSchweiz, der ETH Zürich und vom Oeschger-Zentrum der Universität Bern erarbeitet und am Dienstag in Zürich präsentiert.
Die Aussichten sind – huch! – trübe
Die Trends sind bekannt: Ohne einen ambitionierten Klimaschutz durch die Weltnationen wird die Schweiz deutlich trockener, heisser und schneearmer werden – und sie wird häufiger mit heftigen Niederschlägen zu kämpfen haben.
Neu am Bericht «Klimaszenarien CH2018» ist jedoch, dass die Forschenden dank modernster Klimamodelle und Simulationen Zahlen in einer anderen Grössenordnung liefern und bewerten können.
So trifft der Klimawandel die Schweizer Städte
So trifft der Klimawandel die Schweizer Städte
8,4 heisse Tage pro Jahr gab es seit 2000 in Basel. Ein Tag gilt an einem Ort dann als heiss, wenn die Durchschnittstemperatur deutlich über den ortsüblichen Temperaturen liegt, schreibt «Spiegel Online». In Basel sind das im 24-Stunden-Mittel über 22 Grad Celsius. Die durchschnittliche Jahrestemperatur stieg seit der Jahrtausendwende um 0,8 Grad im Vergleich zum 20. Jahrhundert.
Im Winter gibt es seit 2000 in Basel bedeutend weniger Frosttage: nur noch 33,4 pro Jahr im Vergleich zu 39 zuvor.
Den grössten Anstieg der Jahresdurchschnittstemperatur seit 2000 der untersuchten Schweizer Städten verzeichnete Genf: Sie liegt um 0,9 Grad Celsius über dem Durchschnitt des 20. Jahrhunderts. Die Anzahl der heissen Tage (im 24-Stunden-Mittel über 23 Grad Celsius) stieg von 2,5 Tagen pro Jahr im 20. Jahrhundert auf 9,2 Tage.
Die Anzahl der Frosttage pro Jahr sank in Genf von 29,8 im 20. Jahrhundert auf 24,3 seit 2000.
In Lausanne stieg die Durchschnittstemperatur seit 2000 um 0,7 Grad Celsius, seit der Jahrtausendwende gibt es 6,0 heisse Tage (im 24-Stunden-Mittel über 21 Grad Celsius) pro Jahr im Waadtländer Hauptort. Vorher waren es nur 1,8.
Die Winter in Lausanne werden milder: Die Zahl der Frosttage sank von durchschnittlich 56,2 pro Jahr auf 51,3.
Die durschnittliche Jahrestemperatur ist in St. Gallen von 5,0 Grad Celsius im 20. Jahrhundert auf 5,8 Grad Celsius seit 2000 gestiegen. Es gibt im Schnitt 6,5 heisse Tage (im 24-Stunden-Mittel über 19 Grad Celsius) im Jahr, vorher waren es 1,5.
Der Winter bringt seit der Jahrtausendwende fast eine Woche weniger Frosttage in die Ostschweiz: Im 20. Jahhrundert waren es noch 80,1 pro Jahr, jetzt sind es nur noch 73,6.
In Winterthur gab es im 20. Jahrhunder nicht mal einen ganzen heissen Tag (im 24-Stunden-Mittel über 21 Grad Celsius) pro Jahr: Seit der Jahrtausendwende stieg die Zahl von 0,8 auf 4,1. Die Durchschnittstemperatur legt um 0,8 Grad Celsius zu.
Für Spaziergänge an frostigen Tagen hat man in Winterthur mittlerweile fast eine Woche weniger Zeit: Die Zahl sank von 61,3 auf 54,6 pro Jahr.
In Zürich gibt es fast sechs heisse Tage (im 24-Stunden-Mittel über 21 Grad Celsius) mehr pro Jahr (von 2,3 auf 8,6) und eine um 0,8 Grad Celsius gestiegene Durchschnittstemperatur.
Die Tage, an denen der Brunnen am Alfred-Escher-Denkmal vor dem Zürcher Hauptbahnhof zufrieren kann, werden seltener: Statt an 47,6 Tagen pro Jahr im 20. Jahrhundert ist es seit 2000 nur nach an 41,2 Tagen pro Jahr im 24-Stunden-Mittel unter -1 Grad Celsius kalt.
Die Berechnungen der Forschenden zeigen zum Beispiel, dass die längste Trockenperiode im Sommer bis Mitte des Jahrhunderts bis rund eine Woche länger dauern wird. Eine extreme Trockenheit, wie sie bis anhin ein- bis zweimal pro Jahrzehnt aufgetreten ist, könnte im Schnitt jedes zweite Jahr vorkommen.
Hitzestress wie 2018 bald die Regel
Weil die Temperaturen steigen, wird ausserdem mehr Bodenfeuchte entzogen. Die Böden werden trockener, was besonders Landwirte zu spüren bekommen. Wenn es regnet, dann häufiger sehr heftig, was Kellerräume unter Wasser setzt und Erdrutsche und Überschwemmungen zur Folge hat. Seit Anfang des 20. Jahrhunderts hat die Niederschlagsmenge einzelner Starkniederschläge bereits um zwölf Prozent zugenommen.
Bis Mitte des 21. Jahrhunderts könnten noch einmal zehn Prozent dazukommen. Jahrhundertniederschläge könnten sogar bis zu 20 Prozent mehr Regen bringen, wie es im Bericht heisst. Hochwasserschutzbauten und Kanalisation müssen künftig dementsprechend ausreichend dimensioniert sein.
Der Sommer 2018 bedeutete Hitzestress für Mensch und Tier, damit muss künftig deutlich häufiger gerechnet werden: Bis Mitte des Jahrhunderts könnten die Sommer in einem durchschnittlichen Jahr bis 4,5 Grad wärmer sein als heute.
Schlechte Nachrichten für Gletscher
Noch extremer steigen die Höchsttemperaturen: 2060 könnte das Thermometer südlich der Alpen um bis zu 4,5 Grad, nördlich der Alpen sogar um bis zu sechs Grad Celsius höher klettern als heute. In einem durchschnittlichen Jahr würde das Thermometer in Genf am heissesten Tag 40 Grad anzeigen. Die Anzahl sehr heisser Tage könnte von heute rund einem Tag pro Sommer auf bis zu 18 Tage steigen.
Den trockenen, heissen Sommern stehen verregnete, warme Winter gegenüber: Schnee wird besonders in tieferen Lagen der Schweiz Seltenheitswert bekommen. Mitte des Jahrhunderts könnte die winterliche Nullgradgrenze von heute 850 Meter auf bis zu 1'500 Meter über Meer steigen. Unter 1'000 Metern wird die Schneebedeckung um die Hälfte, bis Ende des Jahrhunderts sogar um mehr als 80 Prozent zurückgehen.
Klimawandel bedroht Skitourismus in Alpen
Klimawandel bedroht Skitourismus in Alpen
In diesem Winter gibt es Schnee satt in den hoch gelegenen Skigebieten der Alpen. Im Bild: Skifahrer und Snowboarder geniessen die Schneemassen in Zermatt.
Zermatt sowie weitere Skiorte in der Schweiz waren wegen der Schneemassen im Januar tagelang von der Aussenwelt abgeschnitten.
Auch Bellwald im Wallis bekam haufenweise Schnee ab...
Alpenforscher Werner Bätzing warnt jedoch: «Teils wird heute schon mit grossem Aufwand künstlich beschneit, etwa 15 Jahre lang mag das mit immer höheren Kosten noch gehen, ab in 20 Jahren nicht mehr», sagt er. Im Bild: Eine Kunstschnee Loipe in Lenzerzeide (GR).
Auch der Klimatologe Christoph Marty vom Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) in Davos bezeichnet den vielen Schnee in den Alpen in diesem Winter als Laune der Natur. «Der Temperaturanstieg ist zu dominant.» Im Bild: Ein Traktor bringt Kunstschnee zu einer Loipe in Lenzerheide (GR).
Um 70 Prozent dürfte der Schnee in den Alpen bis Ende des Jahrhunderts zurückgehen, hat Marty in einer Studie gezeigt. Im Bild: Sicht auf eine Kunstschneeschneise am Weltcuphang des «Chuenisbärgli».
Den Skitourismus künstlich durch Schneekanonen aufrechtzuerhalten, belaste das Klima durch klimaschädlichen CO2-Ausstos zusätzlich, sagt Marty.
Dennoch setzt Frankreich, mit geschätzt 8000 Pistenkilometern der grösste Abfahrtsanbieter der Alpen vor Österreich mit 6800 Kilometern und der Schweiz mit 5800 Kilometern auf den Ausbau der Pisten. Im Bild: Skigebiet Val d'Isere in Frankreich.
In den Köpfen müsse ein anderes Winterbild geschaffen werden, fordert Bätzing. Er wirbt für sanften Wintertourismus mit Wandern, selbst Radfahren. Im Bild: Wanderer unterwegs auf der «Egg» am Gurnigelpass im Gantrischgebiet im Kanton Bern.
Aber auch in höheren Lagen wird Schneefall seltener, besonders im Frühjahr. Das sind schlechte Nachrichten, nicht nur für den Schneesport-Tourismus, sondern auch für die Schweizer Gletscher: Geringere Schneemengen bedeuten auch weniger Futter für die Gletscher und ein schnelleres Abschmelzen. Seit 1850 haben die Alpengletscher bereits rund 60 Prozent ihres Volumens verloren.
Grundlagen Schweizer Klimapolitik
Der Bericht macht aber auch Hoffnung: Auch wenn sich diese Entwicklungen nicht komplett abwenden lassen, so könnte eine Begrenzung der weltweiten Klimaerwärmung auf zwei Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit doch einiges bewirken.
«Mit konsequentem Klimaschutz liessen sich bis Mitte des 21. Jahrhunderts etwa die Hälfte, bis Ende Jahrhundert zwei Drittel der möglichen Klimaveränderungen in der Schweiz vermeiden», sagte Klimaforscher Reto Knutti gemäss einer Mitteilung der Hochschule gemeinsam mit MeteoSchweiz.
Die Klimaszenarien 2018 sind nach 2007 und 2011 bereits der dritte Ausblick in die Klimazukunft der Schweiz – dies abermals im Auftrag des Bundesrats an MeteoSchweiz. Der Bericht liefert eine wichtige Grundlage für die Strategie, wie sich die Schweiz an den Klimawandel anpassen sollte.
Klimawandel und Umweltverschmutzung in drastischen Bildern
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