KlimaerwärmungDomino-Effekt beim Wetter: Forscher fürchten neue «Heisszeit»
dpa/sda/phi
7.8.2018
Muss sich die Menschheit auf eine Heisszeit einstellen? Selbst bei Einhaltung des Pariser Klimaabkommens könnten entscheidende Kippvorgänge im globalen Umweltsystem angestossen werden, schreiben Klimawissenschaftler. Es sei noch viel Forschung nötig.
Die Gefahr einer Heisszeit kann aus Sicht von Klimaforschern selbst beim Einhalten des Pariser-Klimaabkommens nicht ausgeschlossen werden. Dabei würde sich die Erde langfristig um etwa vier bis fünf Grad Celsius erwärmen und der Meeresspiegel um 10 bis 60 Meter ansteigen.
Das schreibt das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Ein internationales Team von Wissenschaftlern diskutiert diese Möglichkeiten in den «Proceedings» der US-nationalen Akademie der Wissenschaften («PNAS») und blickt dabei insbesondere auf Kippelemente im Klimasystem.
Tauwetter im Permafrostboden
Dazu gehören laut Studie etwa die auftauenden Permafrostböden in Russland, die sich erwärmenden Methanhydrate auf dem Meeresboden und die grossen Ökosysteme wie der Amazonas-Regenwald. Sie könnten sich wie eine Reihe von Dominosteinen verhalten, sagte Mitautor Johan Rockström, Direktor des Stockholm Resilience Centre und designierter Ko-Direktor des PIK. «Wird einer von ihnen gekippt, schiebt dieses Element die Erde auf einen weiteren Kipppunkt zu.»
«Der Mensch hat als geologische Kraft bereits seine Spuren im Erdsystem hinterlassen», sagte Mitautor und PIK-Gründungsdirektor Hans Joachim Schellnhuber. «Werden dadurch empfindliche Elemente des Erdsystems gekippt, könnte sich die Erwärmung durch Rückkoppelungseffekte selbst weiter verstärken. Das Ergebnis wäre eine Welt, die anders ist, als alles, was wir kennen», ergänzte er. «Die Forschung muss sich daran machen, dieses Risiko schnellstmöglich besser abzuschätzen.»
Alpinist Martin Nellen am Aletschgletscher: Das unaufhaltsame Schmelzen des gigantischen Naturwerks bereitet ihm Kummer.
Bild: SRF
Martin Nellen ist Bergführer. Den Aletschgletscher betrachtet er wehmütig: Das Schmelzen seines Eises ist schier unaufhaltsam.
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Peter Wyler möchte das kleine Skigebiet seiner Heimat mittels Schneekanonen auch in Zukunft für Touristen und Sportler attraktiv machen.
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Daniel Imboden fährt unweit des Matterhorns im wahrsten Wortsinne schwere Geschütze auf: Mit mehr als 1500 Schneekanonen verwandelt er die Walliser Alpen in ein Winterwunderland.
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Lia-Mara Bösch kann ohne Schnee ihrer Leidenschaft nicht nachgehen: Das weisse Gold ist für sie als Snowboarderin unabdingbar.
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Jürg Trachsel ist es gelungen, in einem Labor Schneekristalle zu züchten. Damit hat er zumindest ein Teilproblem gelöst, doch der Klimawandel kann auch dadurch nicht aufgehalten werden.
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Mit der Zucht von Eiskristallen hoffen Forscher, dem Schneerückgang entgegenzuwirken.
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Kein Gold, aber goldwert: Im Zuge des Klimawandels ist Schnee als Rohstoff der Wintersportindustrie zum kostbaren, da seltenen Gut avanciert.
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2-Grad-Grenze? Keine Lösung!
Nach Angaben der Autoren könnte es schwieriger werden als bislang angenommen, die globale Erwärmung wie im Pariser Klimaabkommen vereinbart zwischen 1,5 und unter 2 Grad Celsius zu stoppen. Man könne sich nicht darauf verlassen, dass das Erdsystem bei 2 Grad langfristig sicher «geparkt» werden könne, sagte Schellnhuber. Derzeit ist die Erde im Durchschnitt bereits gut 1 Grad wärmer als noch vor Beginn der Industrialisierung.
Selbst bei vorläufiger Begrenzung der menschengemachten Erderwärmung auf maximal 2 Grad könnten kritische Prozesse im Klimasystem angestossen werden, die eine noch stärkere Erwärmung – auch ohne weiteres menschliches Zutun – bewirken, erläuterte Erstautor Will Steffen von der Australian National University (ANU) und dem Stockholm Resilience Centre (SRC).
Klima kippt
Nach PIK-Angaben könnte das bedeuten, dass sich der Klimawandel dann selbst verstärkt – «auf lange Sicht, über Jahrhunderte und vielleicht Jahrtausende». Kippelemente im Erdsystem seien mit schweren Felsbrocken am Strand vergleichbar, erläuterte Schellnhuber. Würden diese langsam, aber unaufhörlich unterspült, könnte irgendwann schon die Landung einer Fliege an einer neuralgischen Stelle ausreichen, um die Brocken kippen zu lassen.
«Wir weisen in unserem Artikel darauf hin, dass es im planetarischen System bereits derart unterspülte Felsbrocken gibt, die wir als Kippelemente bezeichnen. Ist die Erderwärmung weit genug fortgeschritten, reicht vielleicht schon eine kleine Veränderung aus, um diese Elemente in einen ganz anderen Zustand zu stossen.»
Antarktis: Rote Linie übertreten
In Teilen der Westantarktis seien bereits einige Kipppunkte überschritten worden. «Der Verlust des Eises in einigen Regionen könnte dort schon ein weiteres, noch umfangreicheres Abschmelzen über lange Zeiträume vorprogrammiert haben», sagte Schellnhuber. Und der Kollaps des grönländischen Eisschildes könnte bereits bei einer Temperaturerhöhung um 2 Grad einsetzen. «Die roten Linien für einige der Kippelemente liegen wohl genau im Pariser Korridor zwischen 1,5 und 2 Grad Erwärmung.»
Getrieben vom Eis – Arktis-Expedition soll Klimawandel untersuchen
Das Forschungsschiff Polarstern liegt eingefroren im Eis der Zentralarktis.
Bild: Manuel Ernst/Alfred-Wegener-Institut, Helmhol/dpa
Der Forschungseisbrecher «Polarstern» (links) und der russische Eisbrecher «Akademik Fedorov» (rechts) liegen zwischen arktischen Eisschollen. Bereits nach wenigen Tagen hatten Wissenschaftler der Mosaic-Expedition eine Eisscholle gefunden, auf der sie das Forschungscamp für die einjährige Drift durch das Nordpolarmeer aufbauen wollen.
Bild: Esther Horvath/Alfred-Wegener-Institut/dpa
Der Eisbrecher «Polarstern» auf einer früheren Forschungsfahrt.
Bild: Keystone/dpa/Archiv
Nach dem Vorbild einer Expedition vor 125 Jahren lässt sich das deutsche Forschungsschiff 350 Tage im Nordpolarmeer einfrieren.
Bild: dpa
Die «Polarstern» soll sich ohne eigenen Antrieb von der natürlichen Drift des Eises über die Polkappe treiben lassen. Die Forschungsreise hat fünf Schwerpunkte: die Physik des Meereises und der Schneeauflage, die Prozesse in der Atmosphäre sowie im Ozean, die chemischen, biologischen und physikalischen Kreisläufe sowie das Ökosystem der Arktis.
Bild: Keystone/dpa
Während der Expedition werden an Bord der «Polarstern» jeweils rund 100 Menschen sein, die Hälfte Besatzungsmitglieder, die andere Hälfte Wissenschaftler.
Bild: dpa
Die «Polarstern» ist im September 2019 im norwegischen Tromsø in See gestochen. Die Frauen und Männer an Bord werden von vier anderen Eisbrechern versorgt. Für Versorgungsflüge und zwei Forschungsflugzeuge wird ausserdem eine Landebahn auf dem Meereis gebaut.
Bild: dpa
Er ist womöglich der wichtigste Mann an Bord: Sven Schnieder, Koch auf dem Forschungsschiff Polarstern, steht in der Küche des Schiffes. Schnieder ist für das leibliche Wohl von über 100 Menschen zuständig.
Bild: dpa
Der Artikel biete eine Synthese und Einordnung von vielen Einzelstudien, bleibe aber recht unkonkret, kommentierte Klimaforscher Reto Knutti von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Das Autorenteam argumentiere zwar, dass schon bei 2 Grad eine Schwelle hin zu einem deutlich anderen Zustand der Erde liegen könne, verweise aber zugleich darauf, dass es noch unsicher sei, wo eine solche Schwelle tatsächlich liege.
Ignoranz wäre katastrophal
«Das ist ein wichtiger und provozierender Artikel», meint dagegen Jonathan Overpeck von der University of Michigan, der nicht daran beteiligt war. Auch wenn es nicht möglich sei, die exakte Erdtemperatur zu bestimmen, bei der eine Kaskade von Kippelementen die Erde in Heisszeit bringe, sei es richtig, sich Sorgen zu machen. «Die Risiken zu ignorieren, könnte katastrophal für den Menschen und den Planeten werden.»
In diesem Winter gibt es Schnee satt in den hoch gelegenen Skigebieten der Alpen. Im Bild: Skifahrer und Snowboarder geniessen die Schneemassen in Zermatt.
Bild: dpa
Zermatt sowie weitere Skiorte in der Schweiz waren wegen der Schneemassen im Januar tagelang von der Aussenwelt abgeschnitten.
Bild: Keystone
Auch Bellwald im Wallis bekam haufenweise Schnee ab...
Bild: Keystone
... oder Davos (GR).
Bild: Keystone
Alpenforscher Werner Bätzing warnt jedoch: «Teils wird heute schon mit grossem Aufwand künstlich beschneit, etwa 15 Jahre lang mag das mit immer höheren Kosten noch gehen, ab in 20 Jahren nicht mehr», sagt er. Im Bild: Eine Kunstschnee Loipe in Lenzerzeide (GR).
Bild: Keystone
Auch der Klimatologe Christoph Marty vom Institut für Schnee- und Lawinenforschung (SLF) in Davos bezeichnet den vielen Schnee in den Alpen in diesem Winter als Laune der Natur. «Der Temperaturanstieg ist zu dominant.» Im Bild: Ein Traktor bringt Kunstschnee zu einer Loipe in Lenzerheide (GR).
Um 70 Prozent dürfte der Schnee in den Alpen bis Ende des Jahrhunderts zurückgehen, hat Marty in einer Studie gezeigt. Im Bild: Sicht auf eine Kunstschneeschneise am Weltcuphang des «Chuenisbärgli».
Bild: Keystone
Den Skitourismus künstlich durch Schneekanonen aufrechtzuerhalten, belaste das Klima durch klimaschädlichen CO2-Ausstos zusätzlich, sagt Marty.
Bild: Keystone
Dennoch setzt Frankreich, mit geschätzt 8000 Pistenkilometern der grösste Abfahrtsanbieter der Alpen vor Österreich mit 6800 Kilometern und der Schweiz mit 5800 Kilometern auf den Ausbau der Pisten. Im Bild: Skigebiet Val d'Isere in Frankreich.
Bild: Keystone
In den Köpfen müsse ein anderes Winterbild geschaffen werden, fordert Bätzing. Er wirbt für sanften Wintertourismus mit Wandern, selbst Radfahren. Im Bild: Wanderer unterwegs auf der «Egg» am Gurnigelpass im Gantrischgebiet im Kanton Bern.
Bild: Keystone
Jeder Einzelne könne etwas beitragen, um dem Klimawandel zu begegnen, aber vor allem sei die Politik gefordert, sagte Schellnhuber, der Mitglied der Kommission der Bundesregierung zum Kohleausstieg ist. Aus wissenschaftlicher Sicht sei klar, dass der Kohleausstieg so schnell wie möglich umgesetzt werden sollte. «Die Kohleverstromung ist das schädlichste, was man dem Klima antun kann», sagte er.
Als hochentwickelte Industrieländer hätten Europäer alle Möglichkeiten, die alte, auf fossilen Brennstoffen basierende Wirtschaftsweise bis 2040 komplett hinter sich zu lassen. Dafür müsste auch der Verbrennungsmotor bis 2030 ausgemustert werden. «Klimapolitisch sind Neuwagen mit Verbrennungsmotor völliger Unsinn», betonte Schellnhuber.
Trump will amerikanische Klimaforschung eindampfen
Donald Trump legt auf Projekte zum Schutz von Umwelt und Klima keinen Wert. Das geht aus dem vom Weissen Haus vorgelegten Haushaltsplan hervor.
Bild: Keystone
Es mag wissenschaftlich belegt sein, dass der Meeresspiegel steigt, dass Dürrephasen länger und Stürme heftiger werden. Doch Trump scheint das nicht zu interessieren. Im Bild: Südafrika kämpft mit anhaltender Dürrekrise.
Bild: Keystone
Entgegen aller Fakten bezeichnet er den Klimawandel einfach als «Schwindel». Wichtige Institutionen, die sich eigentlich für das Thema einsetzen sollten, hat er kaltgestellt.
Bild: Keystone
In der 160 Seiten langen Zusammenfassung des neuen Haushaltsplans taucht der Begriff «Klimawandel» überhaupt nur ein einziges Mal auf – und zwar im Namen eines Programms der Umweltschutzbehörde EPA, das dem Rotstift zum Opfer fallen soll.
Bild: Jon Elswick/AP/dpa
Wissenschaftler und Klimaexperten innerhalb der US-Behörden gehen davon aus, dass die Folgen der globalen Erwärmung bis Ende des Jahrhunderts allein in den USA jedes Jahr 9000 Todesfälle verursachen und etwa 140 Milliarden Dollar (113,5 Milliarden Euro) kosten werden.
Klimawandel und Umweltverschmutzung in drastischen Bildern
Forscher vermuten eine neue, illegale Quelle von Trichlorfluormethan in der Atmosphäre. Zu diesem Schluss kommen sie, weil die Stoffmenge seit 2012 langsamer sinkt als nach den geltenden Umweltregelungen zu erwarten wäre.
Bild: NASA
Trichlorfluormethan gehört zu den Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW), die früher unter anderem als Kühlmittel und als Treibmittel in Spraydosen verwendet wurden.
Bild: Keystone
Miami: Urlaubsgäste liegen am Strand vor der Küste Floridas. Unter der Oberfläche fliesst der Golfstrom und transportiert das Wasser bis nach Nordeuropa. Welche Folgen Klimawandel und Umweltverschmutzung haben, sehen Sie hier in drastischen Bildern.
Bild: dpa
Die Gletscher werden weiter schmelzen - selbst wenn sich alle Länder an das internationale Klimaabkommen von Paris halten. Das gilt jetzt offenbar auch für den Nordpol, wie eine neue Studie zeigt.
Bild: Keystone
Eine Art verliert ihren Lebensraum: Ein verhungerter Eisbär auf Spitzbergen, Norwegen, 2013.
Bild: Bulls/Ashley Cooper/Barcroft Images
Der Klimawandel könnte ihm den Garaus machen: der Grosse Panda könnte in gewissen Regionen verschwinden. (Archivbild)
Bild: KEYSTONE/AP/WONG MAYE-E
Schlittenhunde ohne Schnee. Auch in Grönland spürt man die Folgen des Klimawandels.
Bild: Dukas/Sandra Walser
Ein Sturm braut sich über England zusammen. Die Aufnahme entstand 2012, doch Starkregen und Überschwemmungen haben hier seither deutlich zugenommen.
Bild: Bulls/Ashley Cooper/Barcroft Images
Die innere Mongolei versandet zusehends – durch anhaltende Trockenheit breitet sich die Wüste immer weiter aus, 2009.
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Die Schönheit der Natur trügt. Hier in Island wurde im September 2010 ein riesiges Gebiet überflutet.
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Ein Fischer schaut in Tuvalu auf eine zerstörte Insel (2007).
Bild: Bulls/Ashley Cooper/Barcroft Images
In Shishmaref, einer kleinen Insel zwischen Alaska und Sibirien, steht eine Einheimische am Strand - genau dort, wo einst ihr Haus war, 2004.
Bild: Bulls/Ashley Cooper/Barcroft Images
Öl-Fässer und anderer Zivilisationsschrott 2008 in Grönland.
Bild: Bulls/Ashley Cooper/Barcroft Images
Im März 2009 wird im chinesischen Suihua die Luft durch Kohlewerke extrem belastet.
Bild: Bulls/Ashley Cooper/Barcroft Images
Der Russell-Gletscher in Grönland schmilzt, 2008.
Bild: Bulls/Ashley Cooper/Barcroft Images
In Chacaltaya in Bolivien erstrahlen Seen 2015 in allen Farben. Der hübsche Effekt resultiert tatsächlich aus hochgiftigen Chemikalien aus den anliegenden Minen.
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Ein Meer aus Schwimmwesten von gestrandeten Flüchtlingen an der griechischen Küste im Jahr 2015.
Bild: Bulls/Ashley Cooper/Barcroft Images
Ein Ölvorkommen wird 2014 in Kalifornien intensiv geschröpft.
Bild: Bulls/Ashley Cooper/Barcroft Images
Wenn der Mensch in die Natur eingreift: Die Schneisen in Malawi sind nur zu deutlich aus der Luft zu sehen, 2015.
Bild: Bulls/Ashley Cooper/Barcroft Images
Völlig verdreckt: Müll schwimmt im Bishnumati-Fluss in Nepal, 2012.
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