Seit 116 Jahren in eisiger See Expedition entdeckt das erste Wrack eines Walfängers im Arktischen Ozean

Philipp Dahm

24.9.2018

Walfänger haben Anfang des 19. Jahrhunderts nicht nur Tiere erlegt, sondern auch das Meer nördlich von Kanada kartografiert. Die Sensation für Archäologen: Ein 1902 gesunkenes Schiff wurde nun wiedergefunden.

Die Baffin-Bucht zwischen Grönland und Kanada am 18. September 1902 um 22.20 Uhr: Ein Sturm zieht über dem eisigen Ozean auf. Der unerfahrene Kapitän des Walfänger HMS Nova Zembla versucht, in flacherem Wasser Schutz zu suchen, doch das schottische Schiff findet das Gegenteil. Es läuft auf ein Riff und schnell mit Wasser voll: Wertvollen Walknochen können neben der Crew noch auf die begleitende HMS Diana und HMS Eclipse verfrachtet werden, bevor die Nova Zembla für immer auf Grund sinkt.

Walfänger sind die ersten Schiffe, die das Nordpolarmeer befahren, kartografieren und einem Mann den Weg ebnen, der zwischen 1903 und 1906 die Nordwestpassage entdeckt und druchfährt: Die Rede ist vom Norweger Roald Amundsen. Doch von den Walfängern jener Tage ist heute nichts mehr übrig – von den Wracks im Wasser mal abgesehen. Archäologen brennen deshalb darauf, eine Chance zu bekommen, einen Blick auf diese Schiffe zu werfen.

Auch deshalb haben Forscher der Universität Calgary mit One Ocean Expeditions zusammengetan, um in der Baffin-Bucht, die eineinhalb Mal so gross wie die Ostsee ist, die HMS Nova Zembla aufzuspüren. Nach monatelanger Archivarbeit konnten sie das Suchgebiet dank historischer Dokumente auf fünf Quadratkilometer eingrenzen.Archäologen vermuten, dass in dem Seegebiet zwölf britische Walfänger-Wracks liegen.

Ein norwegischer Walfänger liegt 1905 mit seinem Fang vor Spitzbergen.
Ein norwegischer Walfänger liegt 1905 mit seinem Fang vor Spitzbergen.
Bild: Gemeinfrei

Dort angekommen gelang es den Wissenschaftler dann, die Nova Zembla in nur acht Stunden aufzuspüren. Die Hilfsmittel: Ein Schlauchboot, eine Drohne und ein Unterwasser-Roboter, der den Boden mit Sonar beschallt. «Wir sind von der Entdeckung begeistert: Sie wird uns viel darüber verraten, wie das Leben an Bord so eines Walfängers gewesen ist», ordnet Dr. Metthew Ayre von der Universität Calgary den Fund ein.

Und der ist die Belohnung für «Monate der Forschung und Vorbereitung», wie Ayres Kollege Dr. Michael Moloney ausführt. «Wir können es gar nicht abwarten, das Ganze weiter zu untersuchen. Das ist eine bisher unbekannte archäologische Fundstelle und der erste Arktis-Walfänger, der je entdeckt wurde», ergänzt Und John Geiger von der Royal Canadian Geographical Society. 

Stolze Wissenschaftler: Michael Moloney und Matthew Ayre beim Besuch der Royal Canadian Geographical Society in Ottawa.
Stolze Wissenschaftler: Michael Moloney und Matthew Ayre beim Besuch der Royal Canadian Geographical Society in Ottawa.
Foto: Javier Frutos/Canadian Geographical Society

Der Ehrgeiz der Forscher war durch einen historischen Bericht angestachelt worden. «Sie sind zurückgefahren», berichtet Ayre, denn 1903 fuhr die HMS Diana erbeut zur Nova Zembla, um das Ruder des Schiffes zu bergen. «Ich dachte: ‹Oh, das Wrack ist zugänglich.› Sie konnten es sogar sehen und haben etwas davon mitgenommen! Das hat mein Interesse geweckt.» 

Walöl alias Tran war Anfang des 19. Jahrhunderts eine begehrte Wahre: Bis zur Ablösung durch Petroleum ab 1855 war es als Lampenöl extrem wichtig und wertvoll. Danach war Tran als Bestandteil des Butter-Ersatzes Maragarine gefragt. Nachdem um 1863 eine deutsche Erfindung auf norwegischen Booten installiert wurde, konnten auch schnelle Tiere wie Blau- und Finnwale gejagt werden.

1884 zerlegt der Anatomie-Professor John Struthers (links mit Zylinder) zur Musik einer Militärkappelle in Dundee einen Buckelwal.
1884 zerlegt der Anatomie-Professor John Struthers (links mit Zylinder) zur Musik einer Militärkappelle in Dundee einen Buckelwal.
Bild: Gemeinfrei

Dass der kommerzielle Walfang schon ab dem 18. Jahrhundert dafür gesorgt hat, dass sich die Poulationen stark verringerten, wird deutlich, wenn man sieht, wie viele Tiere alleine in schottischen Häfen verarbeitet worden sind. In Dundee, dem Heimathafen der HMS Nova Zembla, wurden aus 1690 Robben und 270 Walen 2710 Tonnen Tran gewonnen. Im Hafen von Peterhead waren es dagegen 726'312 Robben und 238 Wale, die 12'161 Tonnen Tran einbrachten. In Aberdeen wurden aus 10'735 Robben und 197 Walen 1921 Tonnen Tran.

Lebend sind sie doch viel anmutiger – die Bilderagglerie zur Schönheit unserer Ozeane:

Zurück zur Startseite