Unterschätze Bäume Ein Hoffnungsschimmer am düsteren Klima-Horizont – dank ETH-Forscher

Philipp Dahm

23.2.2019

Schweizer Nationalpark bei Zemez GR: Das Aufforsten brachliegender Flächen im grossen Stil könnte im grossen Stil CO2 binden, glaubt ein ETH-Forscher.
Schweizer Nationalpark bei Zemez GR: Das Aufforsten brachliegender Flächen im grossen Stil könnte im grossen Stil CO2 binden, glaubt ein ETH-Forscher.
Bild:  Keystone

Der Klimawandel und das Artensterben machen der Erde zu schaffen. Ein Biologe der ETH Zürich präsentiert nun einen verblüffend einfachen Weg, um gegenzusteuern: Aufforstung im grossen Stil.  

Eine Hiobsbotschaft jagt die nächste: Würde man dieser Tage ausschliesslich Nachrichten aus den Bereichen Umwelt und Klima konsumieren, wäre man wohl ein heisser Anwärter auf eine Depression. Wenn es eine neue Erkenntnis gibt, dann meist jene, dass alles noch viel schlimmer ist als gedacht. Dazu drei Beispiele.

Plastik-Fluch und Artensterben

Plastik sammelt sich nicht nur im grossen Stil in unseren Weltmeeren, sondern auch im Menschen. Schon lange ist bekannt, dass kleinste Kunststoffteile durch Fische in die Nahrungskette gelangen. Aber dass heutzutage eigentlich jedes Meerestier mit Plastik belastet ist und schon einmal ein Wal verendet, weil er von diesen Mini-Schnipseln satte sechs Kilogramm in seinem Körper angehäuft hat, das ist eine neue und mehr und mehr thematisierte Dimension.

Müllschwemme am Strand von Mumbai:

Wie beim Erhalt der Arten: Dass mal die eine oder andere Spezies von der Bild- und Erdoberfläche verschwindet, hört und kennt man. Wenn sich nun aber herausstellt, dass 60 Prozent der Tierarten bereits ausgelöscht sind, macht das für die Zukunft bange. Früher stand vielleicht mal eine spezielle Spatzenart auf einer Bedrohungsliste – heute ziehen sich im grossen Stil ganze Vogelarten aus Europas Kulturlandschaften zurück – oder «werden zurückgezogen». Dazu passt, dass Insekten ja auch bald ausgestorben sein sollen.



Problemkind  Klima

Und dann das Klima. Es wird nicht einfach «nur» wärmer, sondern macht mittlerweile richtig Dampf. Die Meere heizen schneller auf als gedacht, das Eis an den Polen schmilzt schneller und deckt dann darunterliegende Löcher auf – ganz zu schweigen von den schneller schwindenden Himalaya-Gletschern am «dritten Pol der Erde».

Klimawandel und Umweltverschmutzung in drastischen Bildern:

Die Folgen sind Überschwemmungen, Trockenheit und Erosion, all das zieht wiederum Hunger, Krankheit und Migration nach sich. Dies nur, weil die Menschheit nicht in der Lage ist, ihren CO2-Ausstoss zu kontrollieren.

«Mächtigste Waffe im Kampf gegen den Klimawandel»

Damit die Sorge nicht überhandnimmt, ist also jede gute Nachricht recht. Und wenn es stimmt, was Professor Tom Crowther von der ETH Zürich herausgefunden hat, gibt es sogar wieder Anlass für verhaltenen Optimismus: Der Mensch hat im Kampf gegen Klimawandel und Artensterben Verbündete, die ihm seit jeher fest zur Seite stehen und offenbar arg unterschätzt werden: Bäume.

Der englische Biologe Prof. Dr. Tom Crowther von der ETH Zürich.
Der englische Biologe Prof. Dr. Tom Crowther von der ETH Zürich.
Bild: ETH Zurich/Peter Rueegg

Dass diese CO2 aufnehmen, ist ja eigentlich hinlänglich bekannt. Beim Projekt «Drawdown», das eine Liste der besten machbaren Massnahmen zur CO2-Verringerung führt, rangiert lebendes Holz bisher nur auf Platz 15: Durch Aufforstung könnten 18 Gigatonnen Co2 eingespart werden, aber durch Fleischverzicht 66,1 Gigatonnen – und durch Windturbinen sogar 84,6 Gigatonnen.

Eine Karte der Verbreitung der Wälder auf der Erde von 2011: Heute ist klar, dass es mehr Bäume ausf der Erde gibt.
Eine Karte der Verbreitung der Wälder auf der Erde von 2011: Heute ist klar, dass es mehr Bäume ausf der Erde gibt.
Karte: Nasa/Robert Simmon

Dennoch hat Professor Crowther beim Treffen der American Association for the Advancement of Science in Washington darauf hingewiesen, dass Bäume «unsere mächtigste Waffe im Kampf gegen den Klimawandel» seien. Was den ETH-Biologen zu dieser Aussage verleitet hat, ist die neue Datenlage: Zusammen mit Kollegen hat der Forscher Statistiken, Untersuchungen am Boden und diverse Aufnahmen von Satelliten ausgewertet: Die Gruppe schätzt den weltweiten Baumbestand neu auf drei Billionen Bäume.

Im englischsprachigen Video: Wie die Forscher herausgefunden haben, wie viele Bäume die Erde hat.

Einfach konkret

Die Wissenschaftler haben deshalb in diesem Kontext Flächen ins Visier genommen, die brachliegen, und ausgerechnet, wie viele Bäume hinzukommen könnten: Demnach gäbe es noch Platz für weitere 1,2 Billionen – und die würden laut Crowther die CO2-Bilanz um viele Gigatonnen senken. Die genauen Zahlen sollen bald offiziell werden.

Die schönsten Wälder der Schweiz:

«Es sind 400 Gigatonnen, die die drei Billionen Bäumen binden», rechnet der Forscher aus der Schweiz im britischen «Independent» schon einmal vor, «und wenn man diese um eine Billionen aufforste, würden mindestens zehn Jahre menschenbedingter Emissionen komplett herausgenommen. Dabei haben wir nicht an urbane oder landwirtschaftliche Flächen gedacht, sondern an abgewirtschaftete oder verlassene Gebiete.»



Die Massnahme würde noch ein weiteres Umweltproblem angehen: «Sie hat das Potenzial, zwei der grössten Herausforderungen unserer Zeit anzugehen – den Klimawandel und den Verlust der Artenvielfalt. Und im urbanen Umfeld machen Bäume buchstäblich glücklicher: Sie verbessern die Qualität der Luft, des Wassers und dienen der Natur. Es ist so eine einfache, aber konkrete Sache», sagt der 32-jährige Engländer.



Und hier noch 9 Tipps, wie Sie die Welt ein bisschen besser machen können:

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