Uralte Symbiose Als die Ameisen begannen, Pflanzen zu lieben

13.11.2018

Ameisen der Art Cephalotes atratus auf einem Blatt. Foto: Corrie Moreau/Field Museum
Ameisen der Art Cephalotes atratus auf einem Blatt. Foto: Corrie Moreau/Field Museum
Source: Corrie Moreau

Einige Ameisenarten trinken Pflanzensäfte, andere wohnen in Dornen oder anderen Hohlräumen von Pflanzen. Für solche Dienstleistungen verjagen die Insekten Fressfeinde der Pflanzen. Das Tauschgeschäft ist Millionen Jahre alt. Aber wer fing damit an?

Räuberische Ameisen nahmen vor Millionen von Jahren enge Beziehungen zu Pflanzen auf und nutzten sie als Nahrungsquelle. Erst später entstanden bei Pflanzen spezielle Merkmale, um die Ameisen gezielt anzulocken oder bei sich zu halten – etwa als Kampftruppe gegen Fressfeinde.

Das berichten US-Forscher nach der detaillierten Untersuchung der stammesgeschichtlichen Entwicklung beider Gruppen. «Diese stufenweise Verschiebung hin zu einer zunehmenden Abhängigkeit von Pflanzen mag intuitiv erscheinen, für uns war es dennoch überraschend», sagt Matthew Nelsen vom Field Museum of Natural History in Chicago.

Einige heutige Ameisenarten leben eng mit bestimmten Pflanzen zusammen: Sie nutzen zum Beispiel Dornen als Verstecke oder trinken Nektar und andere Pflanzensäfte. Von der Beziehung profitieren beide Seiten: Die Pflanzen wehren mit Hilfe der Ameisen Schädlinge ab oder lassen ihre Samen von den kleinen Insekten verteilen.

Eine Huhn-oder-Ei-Frage

Wann aber entstand diese symbiotische Beziehung, fragten sich die Wissenschaftler vom Field Museum. «Das war eine Huhn-oder-Ei-Frage», erklärt Mitautor Richard Ree. «Begann alles mit Ameisen, die Verhaltensweisen entwickelten, um von den Pflanzen zu profitieren, oder entwickelten die Pflanzen Strukturen, um sich die Ameisen zunutze zu machen?»

Um diese Frage zu beantworten, schauten sich die Forscher die Entwicklungsgeschichte von mehr als 1730 Ameisenarten und mehr als 10'000 Pflanzengattungen genau an. Sie dröselten auf, wann bestimmte Merkmale in Ameisen und Pflanzen auftauchten.

Die Analyse zeigte, dass zunächst räuberische, am Boden lebende Ameisen begannen, in die Höhe zu klettern und Pflanzen als Lebensraum zu erobern. Dann fingen einige Arten an, Pflanzen auch als Nahrungsquelle zu nutzen. Das geschah in der Unterkreide, dem Abschnitt der Erdgeschichte, der vor 145 Millionen Jahren begann und vor gut 100 Millionen Jahren endete.

Lebensmittelpunkt auf der Pflanze

Später, gegen Ende der Oberkreide, verlegten einige Arten ihren Lebensmittelpunkt ganz auf Pflanzen und legten dort auch ihre Nester an. Die meisten dieser Anpassungen seien jedoch später entstanden, in der Erdneuzeit, schreiben die Wissenschaftler. Die begann vor 66 Millionen Jahren, als die Dinosaurier ausstarben, und dauert bis heute an.

Die Untersuchung ergab weiter, dass die Pflanzen die speziellen Merkmale, von denen Ameisen profitieren, erst später entwickelten. Nektardrüsen tauchten demnach in der späteren Kreidezeit auf, vor allem aber in der darauffolgenden Erdneuzeit. Spezielle Verstecke für Ameisen – Domatia – entstanden etwas verzögert zuletzt.

Zur einer verstärkten Artbildung unter den Ameisen habe die Nutzung von Pflanzen nicht oder nur vorübergehend geführt, schreiben die Wissenschaftler. «Wir sehen keinen Teil des Ameisenstammbaumes mit Arten, die auf Pflanzen für Nahrung oder Lebensraum angewiesen sind, der schneller wächst oder sich schneller auffächert als Teile des Stammbaumes ohne solche Arten», so Nelsen.

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