Migros-Chef kündigt Kurswechsel an «Wir haben die Kunden zu lange für Fehler zahlen lassen» 

Samuel Walder

2.11.2024

Mario Irminger, Präsident der Generaldirektion des Migros-Genossenschaft-Bundes, räumt Fehler ein. (KEYSTONE/Michael Buholzer)
Mario Irminger, Präsident der Generaldirektion des Migros-Genossenschaft-Bundes, räumt Fehler ein. (KEYSTONE/Michael Buholzer)
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Nach Jahren der Expansionsfehler und des Marktanteilverlusts plant Migros nun eine massive Preissenkungs-Offensive. CEO Mario Irminger räumt Fehltritte ein – ein radikaler Kurswechsel soll die Kundschaft zurückgewinnen.

Samuel Walder

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Migros-CEO Mario Irminger kritisiert die vergangene Expansionsstrategie des Unternehmens.
  • Um auf Kundenwünsche nach niedrigeren Preisen zu reagieren, plant Migros Preissenkungen für rund 1000 Produkte.
  • Die Migros erwartet so jährliche Einsparungen von 350 bis 370 Millionen Franken für die Kunden.
  • Trotz langfristiger Preisoffensive und betonter Nachhaltigkeitswerte verzichtet Migros auf strengere Standards für Importprodukte.

Mario Irminger, Präsident der Generaldirektion des Migros-Genossenschaft-Bundes spart nicht mit Kritik an der Vergangenheit der Migros: Die Kundschaft habe hohe Preise gezahlt, um die missglückte Expansionsstrategie des Unternehmens zu finanzieren. «Das kann man sicher so schlussfolgern», sagt er in der «Samstagsrundschau» von SRF.

In den letzten Jahren hat die Migros zahlreiche Unternehmen gekauft und gegründet, nun jedoch die meisten wieder verkauft. Für diese strategische Kehrtwende, so Irminger, sei Migros vom Markt abgestraft worden: «Es gibt ja einen Grund, weshalb wir in den letzten zehn Jahren über fünf Prozent Marktanteil verloren haben.»

Die Migros habe zu spät auf die veränderten Bedürfnisse der Kunden reagiert, darunter niedrigere Preise und der Trend zu kleineren Filialen. Um den Rückstand aufzuholen, kündigte das Unternehmen Anfang dieser Woche Preissenkungen an: Etwa 1000 Artikel des täglichen Bedarfs sollen bald das Preisniveau der Discounter Aldi, Lidl und Denner erreichen.

Produkte kosteten tagelang mehr als bei der Konkurenz

Der Beginn der Preisoffensive verlief holprig: So kostete der Nüsslisalat tagelang online mehr als bei der Konkurrenz. Die Preiskorrektur erfolgte erst nach der Aufzeichnung der «Samstagsrundschau», wie das SRF schreibt.

Trotz anfänglicher Probleme sollen die angekündigten 1000 Preissenkungen schrittweise bis nächstes Jahr umgesetzt werden. Die erwartete Ersparnis beziffert Irminger erstmals: «Wir rechnen damit, dass die Kunden in der Gesamtsumme für die gleiche Menge 350 bis 370 Millionen Franken pro Jahr günstiger einkaufen.»

Gemessen am gesamten Umsatz der Migros-Supermärkte entspricht dies jedoch einem Rabatt von lediglich rund drei Prozent. Irminger verteidigt die Maßnahme und betont, dass die Preissenkungen langfristig einen Einfluss von bis zu zwei Milliarden auf den Umsatz der nächsten vier bis fünf Jahre haben könnten.

Druck auf Zulieferer soll steigen

Die Preissenkungen sorgen bei den Bauern für Bedenken. Obwohl die Migros zugesichert hat, dass die Bauern trotz der niedrigeren Preise gleich viel verdienen würden, bleiben Fragen offen – insbesondere, wenn sich der Preiswettbewerb weiter verschärft. Irminger verspricht jedoch: «Wir ziehen das durch – das ist mein Versprechen.» Der Druck auf die internationalen Lieferanten hingegen soll erhöht werden.

Der Beginn des radikalen Umbruchs bei Migros war bereits zu Jahresbeginn erfolgt, als der Verkauf der Sport-, Elektronik-, Garten- und Möbelfachmärkte sowie der Abbau von 1500 Stellen angekündigt wurde. Kritik an der Migros war laut geworden, vor allem, weil selbst Schwangere und Frauen im Mutterschaftsurlaub von Kündigungen betroffen waren. Irminger gesteht Fehler ein: «Das waren Einzelfälle, die unglücklich verlaufen sind.»

Kosten für Bio-Produkte und Schweizer Fleisch zu hoch

Die Marke Migros steht traditionell für Nachhaltigkeit und Tierwohl, doch auch hier gibt es Abstriche: Das Ziel, bei Importfleisch die gleichen Mindeststandards wie für Schweizer Fleisch anzuwenden, wurde aufgegeben. Importierte Bio-Artikel werden ebenfalls nicht den strengen Bio-Suisse-Richtlinien unterstellt.

Laut Irminger wären die Kosten hierfür zu hoch. Zwar informiere die Migros weiterhin über ökologische Themen und Nachhaltigkeit, doch Irminger betont: «Wir wollen das Volk nicht erziehen. Wir verkaufen das, was nachgefragt ist.»

Mit dieser Preis- und Strategieoffensive steht die Migros vor einem Balanceakt zwischen Kostensenkung und Kundenbindung – und ringt gleichzeitig um die Wahrung ihrer «DNA».


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