Nobelpreise Preisverdächtige Forschung

SDA

3.10.2019 - 14:58

Obwohl es inzwischen höher dotierte Forschungspreise gibt, gilt der Nobelpreis nach wie vor als die renommierteste Auszeichnung für Forschende. (Archivbild)
Obwohl es inzwischen höher dotierte Forschungspreise gibt, gilt der Nobelpreis nach wie vor als die renommierteste Auszeichnung für Forschende. (Archivbild)
Source: Keystone/AP/FERNANDO VERGARA

Bevor das Nobelkomitee kommende Woche die Nobelpreise verkündet, schwirren einmal mehr die Vorhersagen. Bahnbrechende Entdeckungen, die bisher leer ausgingen, gibt es zuhauf. Auch einige Forschende in der Schweiz dürfen sich berechtigte Hoffnungen machen.

Praktisch seit sie die Genschere Crispr-Cas9 2012 in einem Fachartikel vorgestellt haben, gelten ihre Erfinderinnen Emmanuelle Charpentier und Jennifer Doudna als Anwärterinnen für einen Nobelpreis. Die Reihe der nicht weniger wichtigen Entdeckungen, die bisher leer ausgingen, ist jedoch lang. Kurz vor der Vergabe der Nobelpreise veröffentlichte unter anderem der Medienkonzern «Clarivate Analytics» eine – nicht abschliessende – Liste der möglichen Preisträgerinnen und Preisträger für dieses Jahr oder die folgenden Nobelpreis-Runden.

Das Unternehmen errechnet die Vorhersagen anhand der Resonanz, die die Entdeckungen der genannten Forschenden in der Fachwelt hatten – also wie oft ihre Fachartikel von anderen Wissenschaftlern zitiert wurden. Gute Chancen auf den Medizin-Nobelpreis am Montag prognostiziert Clarivate Analytics demnach für Forschung zum Wnt-Signalweg und der daraus resultierenden Entwicklung von Mini-Organen in der Kulturschale – sogenannte Organoide. Diese eröffneten der Forschung, aber auch der Medikamentenentwicklung, neue Wege.

Grundlage von Autoimmunerkrankungen

Ebenfalls hoch im Kurs steht die Entdeckung, wie das Immunsystem Immunzellen aussortiert, die den eigenen Körper angreifen würden. Defekte bei dieser «Selbsttoleranz» sind die Grundlage von Autoimmunerkrankungen.

Auch die Erfinder einer Methode, mit der man Nervenzellen mithilfe von Licht gezielt aktivieren kann, dürfen sich Hoffnungen machen. Die «Optogenetik» hat die Neurowissenschaften revolutioniert und damit neue Erkenntnisse beispielsweise über die Parkinson-Krankheit und Sucht-Erkrankungen ermöglicht.

Zwar nicht auf der Clarivate-Liste, aber schon lange als Nobelpreis-Kandidat gehandelt wird auch Michael Hall von der Universität Basel. Der Zellforscher ist einer der Mitentdecker eines wichtigen molekularen Schalters: Das Protein Target of Rapamycin (TOR) reguliert in Reaktion auf Nährstoffe und Wachstumsfaktoren die Grösse und das Wachstum von Zellen. Das TOR-Signalnetzwerk spielt für verschiedene Krankheiten eine wichtige Rolle, beispielsweise bei Krebs, Diabetes und Herz-Kreislauferkrankungen.

Quanteneffekte und Wundermaterialien

Wenn am Dienstag der Physik-Nobelpreis verkündet wird, könnte die Ehrung laut Clarivate Analytics an den Erfinder der Verschränkungs-basierten Quantenkryptografie gehen. Unter Verschränkung versteht man ein Phänomen der Quantenphysik, bei dem zwei verschränkte Teilchen den gleichen Zustand einnehmen, egal wie weit sie voneinander entfernt sind. Dies lässt sich für abhörsichere Informationsübertragung nutzen.

Aber auch Forschung an zweidimensionalen Nanomaterialien, darunter das oft als «Wundermaterial» bezeichnete Graphen, sieht Clarivate Analytics als preisverdächtig an, ebenso wie die Erfindung der Dichtefunktionaltheorie zur Berechnung grundlegender Eigenschaften von Atomen, Molekülen und Festkörpern.

Nicola Spaldin, Materialforscherin an der ETH Zürich, wäre möglicherweise ebenfalls eine Kandidatin für den Physik-Nobelpreis. Sie hat das Forschungsfeld der sogenannten Multiferroika revolutioniert. Diese Materialien reagieren sowohl auf elektrische als auch auf magnetische Felder und sind damit prädestiniert für ultraschnelle, extrem kleine und sehr energieeffiziente Computer der Zukunft.

Suchfunktion für Gene

Auf den Chemie-Nobelpreis am Mittwoch könnten laut Clarivate-Vorhersage insbesondere die Entwickler eines revolutionären Reaktionsverfahrens (der sogenannten Huisgen-Reaktion und ihre Weiterentwicklung) in der synthetischen organischen Chemie hoffen. Durch diese ist der relativ einfache Aufbau einer Vielzahl nützlicher Moleküle möglich.

Ebenfalls als preiswürdig nennt der Medienkonzern die Entwicklung eines Verfahrens namens «Southern Blot», mit dem sich einzelne Gene aufspüren lassen. Die Methode ebnete den Weg unter anderem für Diagnostikverfahren und legte den Grundstein für personalisierte Medizin. Ebenfalls zu dieser beigetragen haben weitere Anwärter auf den Nobelpreis, die die Entschlüsselung der Bausteinabfolge, aber auch die künstliche Synthese von DNA ermöglicht haben.

Nicht auf der Liste, aber seit langem heisser Kandidat für die Ehrung wäre auch Michael Grätzel von der ETH Lausanne. Er ist Miterfinder eines neuen Typs von Solarzellen, der sogenannten «Grätzel-Zelle» auf Basis organischer Farbstoffe zur Lichtabsorption, und revolutionierte damit die Fotovoltaik-Forschung.

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