MarketingEwiges Rätsel um Appenzeller Spezialitäten
SDA
7.8.2018 - 10:32
Die Appenzeller sind schlau beim Vermarkten ihrer Produkte: Um die Kräutersulz des Appenzeller Käses ranken sich Legenden, die Zusammensetzung des Alpenbitters ist ein gut gehütetes Geheimnis und damit das Fleisch besser schmeckt, werden Rinder mit Bier eingerieben.
Appenzeller Produkte sind in der ganzen Schweiz und in Europa bekannt: Traditionelle wie Mostbröckli, Siedwurst, Biber oder Appenzeller Käse sind genauso erfolgreich wie die innovativen Produkte der Brauerei Locher AG oder die prickelnden Limonaden der Mineralquelle Gontenbad (Goba) AG.
Allen voran der Appenzeller Käse verdankt seine Bekanntheit auch der cleveren Werbung mit dem deutschen Schauspieler Uwe Ochsenknecht, der zwei wortkargen Sennen das Rezept der Kräutersulz entlocken möchte. Doch "dieses ist und bleibt geheim", hiess es bereits 2002 im ersten TV-Sport mit dem Schauspieler.
Älter als die Eidgenossenschaft
Carlo Schmid, Alt-Ständerat und Vorstandsvorsitzender der Sortenorganisation Appenzeller, sagte im Juni 2017 bei seiner Ansprache zum 75-Jahr-Jubiläum: "Es kann nicht sein, dass der Appenzeller Käse erst seit 75 Jahren hergestellt wird. Den Appenzeller Käse gibt es schon länger als die Eidgenossenschaft." Bereits 1281 hätten die Appenzeller Bauern dem abtretenden Abt des Klosters St. Gallen 60 Käse als Abfindung liefern müssen, so Schmid.
1942 unterstellte der Bundesrat den gesamten Lebensmittelbereich der Kriegswirtschaft: Milch, Butter und Käse wurden rationiert, die Preise wurden staatlich festgelegt. 1949 wurde dieses Regime aufgehoben.
Appenzeller Bauern, Käser und Händler waren sich aber einig, dass diese Marktordnung privatwirtschaftlich weitergeführt werden muss - auch ohne die Vorschriften aus Bern und sie gründeten die Sortenorganisation.
Im Gründungsjahr wurden 750 Tonnen Appenzeller Käse produziert. Heute sind es rund 9000 Tonnen. Der "Appenzeller" wird in etwa 50 Dorfkäsereien in den Kantonen Appenzell Ausserrhoden, Thurgau und St. Gallen hergestellt und danach weltweit vertrieben.
Wurzeln des Gelben Enzian
Geheimnisse zu inszenieren ist auch beim Appenzeller Alpenbitter eine Marketingstrategie. Der Aperitif mit 29 Prozent Alkohol wird gemäss Firmenporträt "zu 100 Prozent aus natürlichen Rohstoffen und ohne chemische Zutaten hergestellt. Das Rezept ist seit Beginn unverändert, die Mischung der 42 Kräuter dieselbe und ein gut verwahrtes Familiengeheimnis".
Den Magenbitter gibt es seit 1902. Er galt früher als Heilmittel. Um den unverwechselbaren Geschmack herzustellen, braucht es neben Kräutern wie Anis, Wacholder und Pfefferminz auch die Wurzeln des Gelben Enzians, soviel wird verraten.
Erst nach vier Jahren können sie ausgegraben werden. Das Unternehmen setzte dabei auf lokalen Anbau und die Partnerschaft mit sieben Kräuterfrauen und zwei Bäuerinnen.
In Frauenhand
In Frauenhand ist seit 1999 auch die Goba. Gabriela Manser führt den Familienbetrieb in Gonten AI in der dritten Generation. Dank Investitionen in moderne Produktionsanlagen und der Entwicklung neuer Geschäftszweige hat sich die Goba AG als KMU mit 60 Mitarbeitenden einen festen Platz unter den Getränkeherstellern erobert.
2002 erfand die kreative Unternehmerin das Getränk "Flauder". Die Abkürzung steht für "Flickflauder", was im Appenzeller Dialekt Schmetterling bedeutet. Zwei Jahre dauerte die Aufbauarbeit für das neue Getränk. Inzwischen ist die Marke mehrmals registriert.
2011 erhielt das Mineralwasser mit Holunderblütengeschmack alkoholische Konkurrenz. Eine Firma aus Appenzell brachte einen Schaumwein namens "Flauderspiel" auf den Markt. In einem viel beachteten Markenstreit entschied das Innerrhoder Kantonsgericht zugunsten der Goba.
Magische Kräfte
Auf den Vollmond schwört die Brauerei Locher AG in Appenzell. Das Vollmond-Bier wird bei Vollmond gebraut und die Brauer sind überzeugt, dass es "dadurch magische Kräfte erlangt".
Die Biere werden mit dem Quellwasser aus dem Alpstein gebraut. Die traditionellen Bauernmalereien der Bieretiketten sollen die Werte illustrieren, für welche das Appenzeller Bier stehen.
Vor vier Jahren setzte die Brauerei zum grossen Sprung an: Die neuen Lagertanks wurden in Betrieb genommen. Dort werden jährlich rund 250'000 Hektoliter Bier gebraut.
Biermassage für Rinder
Mitinhaber Karl Locher legt viel Wert auf Nachhaltigkeit und Regionalität in der Lebensmittelproduktion. Und dazu gehört auch die sinnvolle Verwendung von Restprodukten.
Die Familie Dähler, die seit 1996 Weizen und Braugerste für die Brauerei Locher anbaut, wurde durch ihr Kabier-Fleisch bekannt. Die Rinder werden mit Nebenprodukten aus der Bierherstellung gefüttert und zweimal täglich massiert.
Obwohl das Futter aus Malztreber, Bierhefe und Biervorlauf leicht alkoholhaltig ist, werden die Tiere nicht beschwipst und weisen im Blut keinen Promillegehalt aus. Das Fleisch wird als teuerstes der Welt gehandelt.
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