War es ein Unglück oder menschliches Versagen? Nach dem Einsturz der Autobahnbrücke herrscht in Genua Ratlosigkeit. Prompt werden Schuldige gefunden - während die Suche nach Überlebenden längst nicht abgeschlossen ist.
Nach dem verheerenden Einsturz einer Autobahnbrücke in Genua mit mehr als 40 Toten mehren sich in Italien die Schuldzuweisungen. Während die Rettungskräfte am Mittwoch noch immer Leichen zwischen den gewaltigen Trümmern bargen, machten Regierungsmitglieder den privaten Betreiber der Autobahn für das Unglück verantwortlich.
Salvini beschuldigt Betreiber - und die EU
Gegen Autostrade per l'Italia seien Schritte eingeleitet worden, um die Lizenz für die Strasse zu entziehen und eine Strafe von bis zu 150 Millionen Euro zu verhängen, erklärte Verkehrsminister Danilo Toninelli am Mittwoch auf Facebook. Er forderte das Management zum Rücktritt auf. Auch der Fünf-Sterne-Chef und Vize-Ministerpräsident Luigi Di Maio sieht die Verantwortung beim Unternehmen.
Innenminister Matteo Salvini sprach sich ebenfalls für einen Entzug der Lizenz aus. Das sei das Mindeste, was man erwarten könne. Ihm zufolge stehen der Sicherheit des Landes aber auch die strengen europäischen Defizitregeln im Wege: Geld, das für die Sicherheit ausgegeben werde, dürfe «nicht nach den strengen (...) Regeln berechnet werden, die Europa uns auferlegt», sagte der EU-kritische Politiker am Mittwoch dem Sender Radio24. «Immer muss man um Erlaubnis fragen, um Geld auszugeben», prangerte er an. Davon dürfe aber nicht die Sicherheit auf den Strassen, bei der Arbeit und in den Schulen, «in denen immer mal wieder die Decken einstürzen», abhängen.
Zahl der Todesopfer gestiegen
Die vorläufige Zahl der Toten stieg am Mittwoch auf 42 an. Unter den Opfern sind mindestens drei Minderjährige im Alter von 8, 12 und 13 Jahren. 16 Menschen seien verletzt, der Zustand von 12 Personen sei kritisch, teilte die Präfektur mit. Es werde erwartet, dass die Zahlen weiter steigen, sagte Regionalpräsident Giovanni Toti laut Nachrichtenagentur Ansa nach einem Besuch von Verletzten in einem Krankenhaus zusammen mit Regierungschef Giuseppe Conte. Für den Grossteil der Verletzten gebe es gute Heilungschancen. Es gebe aber unter der Brücke noch immer «zahlreiche Vermisste», sagte Toti.
Unter den Toten der Katastrophe sind auch drei Franzosen. Man stehe in engem Kontakt zu den italienischen Behörden, um herauszufinden, ob möglicherweise noch weitere Landsleute bei der Katastrophe ums Leben gekommen seien, teilte das französische Aussenministerium mit. Die Brücke ist Teil der Autobahn 10, die auch als Urlaubsverbindung «Autostrada dei Fiori» bekannt und eine wichtige Verbindungsstrasse nach Südfrankreich, in den Piemont und die Lombardei ist.
Veraltete Infrastruktur
Weiterhin unklar ist, inwieweit das schwere Unwetter, das am Dienstagmittag über dem Polcevera-Viadukt tobte, zum Absturz des etwa 100 Meter langen Brückenstücks beitrug. Augenzeugen hatten berichtet, dass kurz vor dem Einsturz ein Blitz in die Brücke eingeschlagen habe. Doch Staatsanwalt Francesco Cozzi liess im Gespräch mit RaiNews24 erkennen, dass auch die Ermittler von menschlichem Versagen als Ursache ausgehen. Zum jetzigen Zeitpunkt von einem Unglück zu reden, obwohl es sich bei der Brücke um ein «Werk von Menschen» handele, das Instandhaltungen unterzogen worden sei, «erscheint mir ziemlich gewagt», sagte Cozzi.
Die Infrastruktur in Italien ist vielerorts dramatisch veraltet. Die Katastrophe an der «kranken Brücke», wie «Corriere della Sera» sie nennt, lässt nach mehreren weniger dramatischen Einstürzen in den vergangenen Jahren nun die Alarmglocken umso lauter schrillen. Laut der Tageszeitung «La Repubblica» sind um die 300 Brücken und Tunnel marode.
Der Polcevera-Viadukt wurde 1967 eingeweiht und führt im Westen von Genua unter anderem über Gleisanlagen und ein Gewerbegebiet führt, hat eine Gesamtlänge von 1182 Metern. Zum Zeitpunkt der Tragödie waren laut Betreibergesellschaft Bauarbeiten im Gange.
Autobahnbrücke stürzt bei Genua ein - viele Tote
Autobahnbrücke stürzt bei Genua ein - viele Tote
Satellitenaufnahme der eingestürzten Morandi-Brücke in Genua.
Aus Sicherheitsgründen haben Feuerwehrleute in Genua ihre Arbeit unter einem der beiden Brückenreste vorläufig eingestellt.
Der Rumpf, der über evakuierten Wohnhäusern verläuft, mache Geräusche, die sich von denen in den vergangenen Tagen unterschieden, sagte Feuerwehr-Sprecher Luca Cari am Montag der Deutschen Presse-Agentur.
Die Bewohner der Häuser dürften deshalb von nun an keine persönlichen Gegenstände mehr aus ihren Wohnungen holen.
Einem Medienbericht zufolge war bereits im Februar bekannt, dass die Seile der Morandi-Brücke von Rost befallen waren.
Der Ingenieur, der die eingestürzte Brücke in Genua entworfen hat, hatte bereits 1979 vor den Gefahren der Korrosion gewarnt. Die nach ihm benannte Brücke müsse beständig gewartet werden, schrieb Riccardo Morandi in einem Bericht, aus dem der Fernsehsender RAI am Sonntag Auszüge veröffentlichte.
Bei dem Einsturz einer Autobahnbrücke im italienischen Genua sind nach offiziellen Angaben mindestens 43 Menschen ums Leben gekommen.
Ohne Vorwarnung stürzte die vierspurige Brück ein. Ein Lkw kommt nur wenige Meter vor dem Abgrund zum Stehen.
Ein 200 Meter langer Teil der Ponte Morandi war in sich zusammengefallen.
Zahlreiche Autos und einige Lastwagen stürzten in die Tiefe.
Ansa meldete, eine Person sei lebend aus dem Schutt der Brücke gerettet worden.
Die Person sei per Hubschrauber in ein Krankenhaus geflogen worden.
Die Feuerwehr sagte der Nachrichtenagentur AP zunächst, es gebe Bedenken wegen möglicherweise beschädigter Gasleitungen.
Die Polizei twitterte, der Einsturz habe sich während eines plötzlichen Sturms ereignet.
Verkehrsminister Danilo Toninelli sprach auf Twitter von einer «entsetzlichen Tragödie».
Innenminister Matteo Salvini dankte den rund 200 Feuerwehrkräften, die wegen des Einsturzes im Einsatz seien.
Die Behörden vermuteten nach ersten Angaben von Ansa, dass der Einsturz der Ponte Morandi durch strukturelle Schwächen am Bau ausgelöst worden sein könnte.
Über die 1967 eingeweihte Brücke führt die Autobahn A10.
Die Brücke ist knapp 90 Meter hoch und etwas über einen Kilometer lang.
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