Brände in Australien Wenn Feuer plötzlich an die Tür klopft – eine Farmerfamilie berichtet

Von Uz Rieger, Sydney

9.1.2020

Die doppelte Fläche der Schweiz ist in Australien bis anhin verbrannt. Die Farmerfamilie McKimmie schildert «Bluewin» den verzweifelten Kampf gegen die Flammen. Eine Reportage.

Die Buschfeuersaison im Südosten Australiens hat in diesem Jahr bereits mindestens 25 Menschen und Hunderte Millionen Säugetiere getötet.

In den Bundesstaaten New South Wales und Victoria wurden bis anhin rund 1'700 Häuser zerstört. Insgesamt ist bisher eine Fläche von über acht Millionen Hektar verbrannt. Das entspricht etwa der doppelten Fläche der Schweiz.

Besonders schwer traf ein Buschfeuer zu Silvester die Region um die Kleinstadt Corryong am Fusse der Snowy Mountains, dem höchsten Gebirge des Landes. Rund 500 Feuerwehrleute kämpften vor Ort gegen die Flammen – am Ende waren rund 150'000 Hektar Land, etwa die Fläche des Kantons Luzern, etliche Höfe und Rinder verbrannt.

Das sogenannte Corryong-Feuer startete rund 35 Kilometer entfernt vom Ort, doch plötzlich «kam es rasend schnell aus dem Busch», wie Chrissie McKimmie (49), Lehrerin und Ehefrau des Farmers Craig McKimmie (52), sagt.

«Ich hatte meiner Schwester zuvor am Telefon noch erzählt, wir sind uns 100 Prozent sicher, dass es heute Nacht nicht kommen wird. Zwei Stunden später hat es bereits an die Tür geklopft. Wir konnten dabei zusehen, wie es sich über die Hügel näherte und die Glut immer grösser wurde. Dann kam der Rauch wie eine Linie über unser Haus, und plötzlich fingen die Blätter an zu fallen.»

Zwölf Mann gegen das Feuer

Auf dem weiten Land der McKimmies leben drei Generationen der Familie in drei Häusern, die durch einen etwa zehnminütigen Fussmarsch voneinander entfernt liegen. Hauptsächliches Geschäft ist die Milchproduktion mit etwa 600 Rindern. Dazu betreut der 76-jährige Senior Ross «Snags» McKimmie noch ein paar Dutzend Angus-Rinder zur Schlachtung.

Das Corryong-Feuer, das immer noch brennt und sich derzeit weiter Richtung Westen durch das Land frisst, erreichte die Rockford-Farm der McKimmies zu Silvester als Erstes. Das war vielleicht sogar ein Glück, wie Chrissie McKimmie glaubt, denn Freunde, deren Land noch nicht betroffen war, konnten so dabei helfen, die Gebäude und Anlagen zu schützen.

Insgesamt zwölf Männer, darunter auch Chrissies und Craigs McKimmies Sohn Harry (21), der im dritten Jahr Forstwirtschaft studiert und bereits zum professionellen Feuerwehrmann ausgebildet ist, bekämpften die Brände und bewegten sich dazu zwischen den verschiedenen Gebäuden auf der Farm hin und her.

Im Einsatz hatten sie einen Traktor und einen Pick-up-Truck, die mit mobilen Feuerlöscheinheiten ausgestattet wurden. Die Rinder waren bereits zuvor an einen graslosen und deshalb einigermassen sicheren Bereich auf der Farm gebracht.

Harry McKimmie, der schon einige Einsätze bei Feuern hatte und auch noch in den folgenden Tagen bei der Rettung von Höfen von Freunden helfen musste, wird bei seiner Einschätzung des Feuers deutlich: «Das war bei Weitem mein Schlimmstes».

Lohnender Einsatz

Der grosse Einsatz der Brandbekämpfer hat sich gelohnt. Auf der Farm der McKimmies brannten lediglich einige Schuppen nieder und tragischerweise das inzwischen nicht mehr bewohnte Haus der verstorbenen Grossmutter. Auch musste nur ein Rind wegen seiner schweren Verbrennungen erschossen werden.

Alle Wohnhäuser und die substanziellen Anlagen der Farm und das wertvolle Milchvieh konnten hingegen gerettet werden. Dass dabei aber auch Glück mit im Spiel war, ist an den teils bis an die Gebäudewände abgebrannten Grasflächen zu erkennen. 

Die Farmer um die 1'300-Einwohner-Stadt Corryong sind wie der aus dem Gedicht bekannt gewordene «Man from Snowy River», der hier gelebt haben soll, hart im Nehmen und einiges gewohnt. Viele von ihnen stehen nun aber am Rand ihrer Existenz.

Ihre Farmen sind niedergebrannt, viele ihrer Tiere in den Flammen gestorben. Weil sogar das Gras am Boden in Sekundenschnelle buchstäblich in Rauch aufging, fehlt es derzeit an Futter für die überlebenden Rinder.

Auch gemolken werden können die Kühe derzeit nur mit eilig herbeigeschafften Dieselgeneratoren und das nur einmal am Tag, damit sie weniger Futter benötigen. Da die Milchlaster lange nicht zu den Bauern durchdringen konnten, wurden zigtausende Liter Milch einfach weggekippt. Zudem werden viele der Landwirte noch Wochen darauf warten müssen, bis sie wieder Strom auf ihre Farmen bekommen.

Lichtblicke in der Krise

In der Buschfeuer-Krise, in der sich Australien nun schon seit Monaten befindet, gibt es jedoch auch Lichtblicke. Die Hilfsbereitschaft untereinander ist immens.

Für die Opfer der Feuer gehen nicht nur Privatspenden in Millionenhöhe ein, man hilft sich auch direkt. So stand bei den McKimmies plötzlich ein weniger schwer betroffener Nachbar mit einer ganzen Ladung Heu auf dem Hof. Seine kleine Tochter rührte die Familie mit ihrem mitgebrachten selbst gebackenen Kuchen zu Tränen.

Politische Schuldige sucht man in der konservativ geprägten Region derzeit hingegen eher nicht. Man hält es mit der Devise: «Wenn alle zusammenstehen, kommen wir da auch durch.»

Der Weg zurück in die Normalität wird aber kein einfacher werden, zumal sich die meisten Farmer durchaus bewusst sind, dass die Trockenheit in Zukunft eher zunehmen wird und schwere Buschfeuer damit häufiger werden.

Die McKimmies schätzen, dass sie ihre Farm in frühestens drei bis vier Jahren wieder auf dem Stand haben, wo sie vor dem Feuer war. Immerhin macht sich unten am Bach, der durch ihr Land fliesst, ein kleiner Hoffnungsschimmer breit. Hier zeigt sich am Ufer bereits wieder ein kleines bisschen Grün.

Und auch vor einem weiteren Buschbrand haben sie auf der Rockford-Farm derzeit wenig Angst. «Hier ist nichts mehr, was brennen kann», sagt Chrissie McKimmie.

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