Neue MotionQuälfleisch in der Schweiz – erneut ein Fall für die Politik
Silvana Guanziroli
21.3.2019
Der Import von Stopfleber, Reptilienleder oder Daunen aus Lebendrupf in die Schweiz ist bis heute erlaubt. Zum Ärger der Tierschützer. Nun gibt es einen weiteren Vorstoss für ein Verbot. Welches Leid steckt konkret hinter dem Quälfleisch?
Mit einer Motion nimmt SVP-Nationalrätin Barbara Keller-Inhelder einen neuen Anlauf. Darin fordert die Politikerin ein Importverbot für «diejenigen tierischen Erzeugnisse, deren Herstellung in der Schweiz unter Strafandrohung verboten ist». Und ihr Anliegen findet im Parlament eine breite Unterstützung. Wie der «Tages-Anzeiger» schreibt, haben 43 Nationalräte aus allen Fraktionen die Motion unterschrieben.
Es ist nicht der erste Versuch, ein solches Verbot zu erwirken. Zuletzt engagierte sich SP-Nationalrat Matthias Aebischer 2017 – der Ständerat versenkte seinen Vorstoss aber deutlich.
Besonders zu reden gab damals die Gänsestopfleber. Geht es um die Einfuhr dieses tierischen Produktes, ist das Land richtiggehend zweigeteilt. Sogar von einem Röstigraben ist die Rede. Während in der Deutschschweiz die Mehrheit der Bevölkerung die Stopfleber als Tierquälerei ablehnt, gilt sie in der Westschweiz als Delikatesse. Besonders um die Weihnachtszeit landet die «Foie Gras» dort häufig auf den Tellern.
In der Motion geht es insgesamt um diese tierischen Quälprodukte:
Stopfleber oder «Foie Gras»
Herstellungsprozess: Die Gänse und Enten werden über Wochen überfüttert. Mehrmals täglich wird ihnen ein Rohr über den Schnabel eingeführt, um Getreide in den Magen zu pumpen. Dadurch vergrössert sich die Leber um das bis zu Zehnfache der normalen Grösse.
Exportländer: In Frankreich werden 63 Prozent der weltweiten Produktion hergestellt. Ungarn, Bulgarien, Spanien und Belgien zählen zu den weiteren grossen Exportländern.
Alternative: Es gibt mittlerweile eine unbedenklichere Form der Gänseleber. Hier schafft der Bauer eine appetitanregende Umwelt für die Gänse und forciert damit das Wachstum des Organs. Die Tiere werden nicht mehr gestopft.
Froschschenkel
Herstellungsprozess: Jedes Jahr werden gemäss der Statistik der Eidgenössischen Zollverwaltung etwa 150 Tonnen Froschschenkel in die Schweiz importiert. Das entspricht rund zehn Millionen Tieren. Vom ganzen Frosch werden nur die hinteren Schenkel verwendet, der Rest des Körpers wird als Abfall entsorgt.
Exportländer: Der Grossteil der Frösche stammt aus Indonesien, meistens handelt es sich um Wildfang. Die Amphibien werden mit Netzen, Haken und Speeren eingefangen und erleiden dabei Verletzungen und Schmerzen. In der Fabrik angekommen würden den Fröschen meist ohne Betäubung die Beine ausgerissen oder abgehackt, schreibt der Deutsche Tierschutzbund auf seiner Homepage.
Alternative: Ein Verzicht auf Froschschenkel.
Daunen aus Lebendrupf
Herstellungsprozess: Gänsen werden bei lebendigem Leib ihre Federn an Hals, Rücken, Bauch und Brust per Hand ausgerissen. Der schmerzhafte Prozess wird im Leben einer Gans bis zu vier Mal wiederholt. Bei Elterntieren – die für die Nachzucht verantwortlich sind – sogar bis zu 16 Mal.
Exportländer: Weltweit gilt China als grösster Lieferant von Daunen. Das Land gilt bei Tierschutzexperten auch als grösster Absatzmarkt für Lebendrupfdaunen. Weitere Hochrisikoländer sind Ungarn, Polen und Frankreich. Hier gibt es gemäss Tierschutzorganisationen Schlupflöcher in den Tierschutzrichtlinien. Wer keine Lebendrupfdaunen kaufen will, sollte bei entsprechenden Produkten aus diesen Ländern Vorsicht walten lassen.
Alternative: Bei der Totrupfung werden die Daunen erst nach der Schlachtung des Tieres entfernt. Tierschützer sehen auschliesslich diese Variante als vertretbar an. Wer als Verbraucher sichergehen möchte, dass seine Daunenprodukte aus Totrupf stammen, sollte auf ein entsprechendes Label achten. Das sind die bekanntesten Zertifikate: RDS (Responsible Down Standard) und TDS (Traceable Down Standard).
Reptilienleder
Herstellungsprozess: Laut dem Schweizerischen Tierschutz STS sind viele der vermeintlichen Schlangenfarmen in Südostasien und Afrika Zwischenlager für wild gefangene Tiere. Daneben gibt es aber auch Zuchtfarmen. Und hier seien die Haltungsbedingungen katastrophal. Es ist die Rede von stockdunklen Betonbunkern und von mit Fäkalien verdrecktem Wasser.
Exportländer: Die Tiere stammen aus Indonesien, ganz Südostasien, Afrika und den USA (hier sind die Kontrollen härter). Die Schweiz ist neben Singapur der grösste internationale Umschlagplatz für Reptilienleder. Jedes Jahr werden zirka eine Million Uhrenarmbänder eingeführt. Dazu kommt eine grosse Zahl an ganzen Tierhäuten. Für acht Uhrenarmbänder etwa wird eine Alligatorenhaut verwendet.
Alternative: Der Schweizerische Tierschutz spricht von einem blühenden Schwarzmarkt. Er appeliert an die Uhrenindustrie, keine Häute aus Indonesien mehr zu importieren. 66 Schweizer Firmen haben mittlerweile zugesagt, auf diese Einfuhr zu verzichten.
Schächten
Vorgang: Schächten von Tieren ist ein durch jüdische Religionsvorschrift festgeschriebenes Schlachtverfahren. «Reine» Rinder, Schafe, Ziegen und Geflügel werden von einem Schächter ohne vorgängige Betäubung mit einem Halsschnitt entblutet. Der Tod tritt erst nach einiger Zeit ein. Auch islamische Religionsvorschriften kennen dieses Vorgehen. Hier allerdings ist das vorgängige Betäuben des Tieres möglich. In der Schweiz ist das Schächten seit 1894 verboten. Die Einfuhr koscheren Fleisches ist aber legal.
Exportländer: Die meisten EU-Mitgliedstaaten (Schweden und Norwegen ausgenommen), die USA, Kanada, Australien, Neuseeland, Südafrika, Indien, China und Japan sowie die meisten südamerikanischen Länder kennen kein Schächtverbot und lassen Import und Vertrieb zu.
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