«Ein handfestes Stück Geschichte» Schatzsucher der Nasa spürt verschollene Mondsteine auf

AP

13.9.2018

Nach der ersten Mondlandung 1969 verteilte die Crew um Neil Armstrong grosszügig Geschenke: Jeder US-Staat erhielt eine Gesteinsprobe. Der Verbleib von vielen der Souvenirs war lange unklar. Zum Jubiläum 2019 will die Nasa ihnen auf die Spur kommen.

Joseph Gutheinz ermittelt in besonderer Mission. Ausgangspunkt ist die historische Reise des Raumschiffs Apollo 11. Der erste Auftrag des Astronauten Neil Armstrong sei damals gewesen, «sich zu bücken und ein paar Steine und Staubteilchen aufzusammeln - für den Fall, dass eine Notsituation einen sofortigen Abflug erfordert hätte», sagt der Anwalt. Die Steine wurden später an Museen und andere Einrichtungen verteilt. Die Dokumentation liess nur leider zu wünschen übrig. Gutheinz soll die Andenken vom Mond nun wiederfinden.

Die sorglose Art der Aufbewahrung «macht mich sprachlos», sagt der Mondstein-Jäger. Es sei schliesslich um nicht weniger als «ein handfestes Stück Geschichte» gegangen. Lange war Gutheinz auf der Suche. Inzwischen, knapp ein Jahr bevor sich die erste Mondlandung zum 50. Mal jährt, hat er einige Erfolge zu vermelden. Von den 50 Steinen, die seinerzeit an die 50 US-Staaten verteilt wurden, fehlen nur noch zwei.

Die Nasa wird 60: Meilensteine der US-Raumfahrtbehörde

In den vergangenen Wochen konnte Gutheinz die Steine ausfindig machen, die einst in Louisiana und Utah vom Radar verschwunden waren. Bis zum kommenden Sommer kann er sich nun ganz auf Delaware und New York konzentrieren. Die formell an die US-Staaten übergebenen Mini-Brocken waren auf hölzernen Tafeln befestigt, neben der jeweiligen Flagge. Einige landeten in regionalen Naturkunde-Instituten, andere wurden in Regierungsgebäuden zur Schau gestellt.

In den Jahren nach 1969 verschenkte die damalige US-Regierung unter Präsident Richard Nixon auch im Ausland Gesteinsproben vom Mond - insgesamt an 135 Staaten. In den wenigsten Fällen sei dies aber offiziell protokolliert worden, sagt Gutheinz. Von den meisten dieser meist winzigen Steinchen habe daher bald jede Spur gefehlt.

Als er 2002 mit den Nachforschungen begonnen habe, hätten etwa 40 US-Staaten zunächst keine Angaben zum Verbleib machen können. Von den international verteilten Steinen würden noch immer etwa 70 Prozent vermisst. «Ich denke, das hat auch damit zu tun, dass wir damals ernsthaft glaubten, dass Mondfahrten sehr schnell zu etwas ganz Normalem werden würden», sagt Gutheinz. Tatsächlich gab es nur fünf weitere Reisen - die bisher letzte bemannte Mondmission war die der Apollo 17 im Jahr 1972.

Für Millionenbeträge auf dem Schwarzmarkt

Nach der Apollo-17-Mission verteilte die US-Regierung ein weiteres Mal im In- und Ausland Mondgestein. Erneut blieb eine Dokumentation des Verbleibs aber die Ausnahme. Auch die Nasa war in dieser Hinsicht eher fahrlässig. Die amerikanische Raumfahrtbehörde habe die Steine der Nixon-Regierung praktisch zur freien Verteilung zur Verfügung gestellt, sagt der Nasa-Historiker Bill Barry.

Gutheinz war zu Beginn seiner Karriere direkt für die Nasa tätig. Als hauseigener Ermittler erlebte er, wie illegale Händler die Mondsteine für Millionenbeträge auf dem Schwarzmarkt anboten. Sämtliche Gesteinsproben, die im Rahmen der Apollo-Missionen zur Erde gebracht wurden, gelten in den USA als nationales Kulturgut, das nicht verkauft werden darf.

Mit der gezielten Suche nach den verschwundenen Steinen begann Gutheinz dann, als er die Raumfahrtbehörde bereits verlassen hatte. In der Nähe von Houston arbeitet er heute als Anwalt sowie als Hochschullehrer. Seine Studenten halfen ihm dabei, alle verfügbaren Informationen zu den einzelnen Mondsteinen in einer Datenbank zu erfassen.

Fund an unerwarteten Orten

Viele der Steine, die an Bord der Apollo 11 mitgebracht wurden, tauchten schliesslich an eher unerwarteten Orten auf: bei ehemaligen Gouverneuren der Staaten West Virginia und Colorado, in einem Lager für militärische Artefakte in Minnesota und bei einem früheren Krabbenkutter-Kapitän aus der TV-Serie «Der gefährlichste Job Alaskas» («Deadliest Catch»).

Im New York State Museum gibt es keine Aufzeichnungen mehr zum Verbleib des einst erhaltenen Gesteins. In Delaware wurde das Souvenir vom Mond am 22. September 1977 aus einem Museum gestohlen. Die Polizei wurde damals informiert, das Diebesgut tauchte aber nicht wieder auf. Die Behörden des US-Aussengebiets Virgin Islands können heute nicht mehr mit Sicherheit sagen, ob auch sie 1969 mit einem Mondstein bedacht wurden oder nicht. Die Universität der karibischen Inselgruppe habe später aber in jedem Fall noch einige Proben zur wissenschaftlichen Auswertung erhalten, sagt dessen leitender Konservator Julio Encarnacion.

In Louisiana half die in der Hauptstadt Baton Rouge ansässige Zeitung «The Advocate» im August dabei, den verschollen geglaubten Mondstein des Staates ausfindig zu machen. In Utah konnte die Nachrichtenagentur AP bestätigen, dass sich das gesuchte Gestein in einem Archiv des Planetariums von Salt Lake City befand. Gutheinz hofft nun, dass möglichst viele Länder und US-Staaten zum Jubiläum im kommenden Sommer ihre Mondsteine öffentlich ausstellen werden. «Die Menschen in aller Welt hätten es verdient», sagt er.

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