Goldreserven unter dem Paradeplatz? Das liegt wirklich unter den teuersten Pflastern der Schweiz

Silvana Guanziroli

16.10.2018

Das liegt wirklich unter den teuersten Pflastern der Schweiz

Das liegt wirklich unter den teuersten Pflastern der Schweiz

Im Schweizer Monopoly ist der Paradeplatz der teuerste Ort der Schweiz. Und auch in der Realität ist es der Finanzplatz des Landes. Ebenso wichtig ist der Bundesplatz in Bern, gleich beim Bundeshaus. Hier ist das politische Machtzentrum der Schweiz. Kein Wunder vermuten manche unter diesen Pflastern die gesammelten Goldreserven der Schweiz. «Bluewin» wollte es genauer wissen und machte sich auf Spurensuche.

15.10.2018

Um diese Orte ranken sich die wildesten Gerüchte  –  so werden unter dem Paradeplatz in Zürich und dem Bundesplatz in Bern die gesammelten Goldreserven der Schweiz vermutet. «Bluewin» wollte es genauer wissen und machte sich auf Spurensuche.

Die Adresse ist erstklassig und steht in der Schweiz für puren Reichtum: der Paradeplatz in Zürich. Mit den direkt angrenzenden Geldinstituten Credit Suisse und UBS sowie diversen Privatbanken in unmittelbarer Nähe liegt hier das helvetische Finanzzentrum. Flankiert wird der Platz zudem von der Bahnhofstrasse, dem Shoppingparadies der Schönen und Reichen.

Wo es viel Geld gibt, sind die wildesten Gerüchte nicht weit. Sie betreffen seit Jahrzehnten auch den Paradeplatz. Ein Gerücht lautet: Unter dem Tramhäuschen in der Platzmitte sollen unfassbare Goldreserven liegen – aus dem Besitz der umliegenden Banken, auch der Schweizerischen Nationalbank (SNB). Allein die SNB soll 1'040 Tonnen des Edelmetalls besitzen. Wo sie dieses Vermögen effektiv bunkert, das gilt landesweit als eines der grössten Staatsgeheimnisse.

Neben dem Finanzzentrum in Zürich wird immer wieder auch das politische Zentrum der Schweiz als mögliches Versteck genannt: der Bundesplatz in Bern. Zwischen dem Bundeshaus, der Altstadt und dem Hauptsitz der Nationalbank gelegen, böte sich dieses Pflaster fraglos an. Liegen etwa dort tief unter der Erde die ominösen Tresoranlagen?

Auf Spurensuche beim Tiefbauamt

Auf der Suche nach einer Antwort hat sich «Bluewin» mit den Tiefbauämtern in Bern und in Zürich in Verbindung gesetzt. Beide erwähnten Plätze sind öffentlich und fallen damit unter die Verantwortlichkeit der Städte. Und die zuständigen Behörden sind erstaunlich transparent. «Sämtliche Bauten im öffentlichen Raum sind auf Plänen festgehalten», sagt Mike Sgier, der Sprecher des Zürcher Tiefbau- und Entsorgungsdepartements, «das gilt natürlich auch für unterirdische Anlagen.» Sodann präsentiert er den neusten Kasterplan des Paradeplatzes vom September 2018. 

Tatsächlich ist auf der Karte einiges zu sehen: Neben den Tramhäuschen (grau in der Mitte) ist jeder unterirdische Schacht (grau), jedes Kabel (rot), jeder Dollendeckel (roter Punkt) und sogar jeder Siphon (roter Kreis) eingezeichnet. 

Viel Kanäle, Schächte und Leitungen. Aber keine unterirdische Tresorkammer. Der Kasterplan des Paradeplatzes.
Viel Kanäle, Schächte und Leitungen. Aber keine unterirdische Tresorkammer. Der Kasterplan des Paradeplatzes.
Bild: Bluewin

Zu einem grösseren unterirdischen Raum allerdings fehlt aber jeder Hinweis. Gibt es neben den Leitungen also nichts ausser Dreck? «Auf den ersten Blick sieht das so aus», sagt Sgier, «für die endgültige Klärung müssen wir aber ins Planarchiv. Dort sehen wir, ob nicht doch eine Bank ihr Grundstück unterirdisch erweitert hat.» Denn: In der Schweiz braucht jedes Bauprojekt eine Bewilligung. Und um eine solche zu bekommen, muss man Baupläne vorlegen, die dann feinsäuberlich im Planarchiv abgelegt werden.

Kurz darauf wühlen wir uns durch alte Pläne, so wie diesen hier (siehe unten). Er zeigt die seitliche Erweiterung der UBS, damals noch Schweizerischer Bankverein, aus dem Jahr 1948.

So sah der Bauplan aus als die UBS, damals Bankverein, 1948 ihr Gebäude seitlich erweiterte.
So sah der Bauplan aus als die UBS, damals Bankverein, 1948 ihr Gebäude seitlich erweiterte.
Bild: Bluewin

Oder diese Skizze der Schweizerischen Kreditanstalt, heute Credit Suisse, ebenfalls aus den 1940er Jahren. Sie zeigt den Ort, an dem die Bank im Untergeschoss ihr Geld lagert.

Das Safe-Zimmer der Schweizerischen Kreditanstalt.
Das Safe-Zimmer der Schweizerischen Kreditanstalt.
Bild: Bluewin

Ob wir im Zürcher Ratshaus schliesslich auf Pläne mit zusätzlichen Ausbauten gestossen sind, dazu später mehr.

26 Wasserfontänen aus fünf Metern Tiefe

Auch in Bern ist das Tiefbauamt bei der Klärung der Gold-Gerüchte behilflich. Wir treffen Raphael Flückiger, den Leiter Kanalnetzbetrieb, direkt am Bundesplatz. Tatsächlich ist hier schon auf den ersten Blick mehr als nur Erde und Schotter unter den Steinplatten verborgen. Im westlichen Teil des Platzes befindet sich ein Wasserspiel aus 26 Wasserfontänen – sie symbolisieren die Kantone der Schweiz. «Der Technikraum für den Betrieb des Wasserspiels liegt in rund fünf Metern Tiefe», erklärt Flückiger, bevor er über einen Zugang hinunter steigt. 

Mehr als technische Geräte und einige Wasserspeicher sind hier aber nicht zu sehen.

Der Technikraum des Wasserspiels auf dem Berner Bundesplatz in fünf Metern Tiefe.
Der Technikraum des Wasserspiels auf dem Berner Bundesplatz in fünf Metern Tiefe.
Bild: Bluewin

Jedoch weiss Flückiger anhand der Pläne: «Die Nationalbank hat einen unterirdischen Ausbau, der in den öffentlichen Bereich hinausgeht.» Die Bank zahlt der Stadt für die Nutzung Geld, was sie dort unten aber lagert oder macht, darüber muss sie nicht informieren. Für einen Teil der Goldreserven könnte der Platz reichen, für die gesamten allerdings wäre der Platz wohl viel zu klein.

Raphael Flückiger zeigt, wo die Nationalbank in den öffentlichen Bereich hinausgebaut hat.
Raphael Flückiger zeigt, wo die Nationalbank in den öffentlichen Bereich hinausgebaut hat.
Bild: Bluewin

In Bern lässt sich das Gerücht um den Goldschatz also nicht dementieren. Vielmehr könnte der unterirdische Ausbau der SNB dafür fast schon ein Indiz sein. Kommentieren oder sogar bestätigen will das natürlich niemand. Wo die Goldbestände im Wert von über 50 Milliarden Franken überall gelagert sind, darüber soll nur eine Handvoll ranghoher SNB-Mitarbeiter Bescheid wissen.

Und wie sieht es an der teuersten Adresse der Schweiz aus – glänzt hier das Gold? «Die Baupläne von UBS, Credit Suisse und allen weiteren Anrainern widersprechen dem deutlich», sagt Mike Sgier. «Sie haben alle innerhalb ihres Grundstückes gebaut. Es gibt keine Ausbauten in den Platz hinaus.»

Somit bleibt das Resümee: Unter dem Paradeplatz gibt es ausser ein paar Leitungen wohl nichts weiter als Dreck. Und das einzige Geschäft, das man hier erledigen kann, ist der Gang auf die Toilette – unterhalb des Tramhäuschens liegt eine öffentliche WC-Anlage der Stadt. 


Der Paradeplatz

Der Platz wurde im 17. Jahrhundert von der Zürcher Bevölkerung genutzt. Damals trug er noch den Namen «Säumärt» – wegen des dortigen Schweinehandels. 1870 wurde aus militärischen Gründen daraus der Paradeplatz. Ganz in der Nähe lag das Zeughaus und das Munitionslager der Stadt. 

Der 1857 erbaute Gebäudekomplex der Tiefenhöfe, in dem die Confiserie Sprüngli seit damals ihren Geschäftssitz hat, war der erste Schritt zum heutigen Handels- und Geschäftsplatz. Welche Bedeutung er hat, zeigt auch die Schweizer Ausgabe des Monoply-Brettspiels. Hier ist der Paradeplatz die teuerste Adresse.

Der Paradeplatz im Herzen von Zürich
Der Paradeplatz im Herzen von Zürich
Bild: Bluewin

Der Bundesplatz

Der Bundesplatz entstand um 1902 gleichzeitig mit dem Bau des Parlamentsgebäudes. Für den Bau liess der Architekt damals ein Casino und andere Häuser abreissen, welche die Sicht auf das Bundeshaus versperrt hätten.

Jahrelang diente der Platz vor allem als Parkplatz, was der nationalen Bedeutung des Platzes nicht gerecht wurde. 2004 wurde der Platz in der heutigen Form mit einem Wasserspiel offiziell eingeweiht.

Auf dem Platz finden Staatsempfänge und politische Kundgebungen statt. Eine Miss-Schweiz-Wahl 2014 sorgte im Vorfeld für viel Kritik.

Der Bundesplatz in Bern.
Der Bundesplatz in Bern.
Bild: Bluewin
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