Hoch umstrittenes Projekt 55 Kilometer: Längste Meeresbrücke der Welt wird eröffnet

tsch

22.10.2018

In China eröffnet die längste Meeresbrücke der Welt. Das Mega-Projekt ist allerdings hoch umstritten.

Angeblich kommt er höchstpersönlich: Wenn am Dienstag die längste Meeresbrücke der Welt offiziell eröffnet wird, soll auch der chinesische Staatspräsident Xi Jinping vorbeischauen. Das gigantische Projekt verbindet das chinesische Festland mit Hongkong und Macau, jenen beiden Städten, die einst zu Grossbritannien beziehungsweise Portugal gehörten und heute noch immer Sonderrechte in China geniessen. Xi allerdings, so berichtet es die «South China Morning Post», wird nur Zhuhai besuchen, die Millionenstadt auf chinesischer Festland-Seite.

Dass Xi um Hongkong einen Bogen macht, ist wohl kein Zufall. Denn in der 7-Millionen-Einwohner-Metropole ist das Bauprojekt, das auf den sperrigen Namen «Hongkong-Zhuhai-Macau-Brücke» hört, hoch umstritten. Die Begeisterung für die Meisterleisung der Ingenieurskunst, die die chinesische Propaganda seit Monaten befeuert, teilen hier nur wenige.

Gigantisches Projekt: Die «Hongkong-Zhuhai-Macau-Brücke» ist insgesamt 55 Kilometer lang.
Gigantisches Projekt: Die «Hongkong-Zhuhai-Macau-Brücke» ist insgesamt 55 Kilometer lang.
Bild: Keystone

Dabei lesen sich die Daten des Projekts beeindruckend. Mit einer Länge von 55 Kilometern inklusive Zufahrten ist die Meeresbrücke die längste ihrer Art weltweit. Hinzu kommen fast sieben Kilometer Tunnel, die unter dem Meer verlaufen und die beiden Teilstücke der Brücke miteinander verbinden. Ausserdem wurden dem Meer für das Projekt zwei künstliche Inseln abgerungen. 400'000 Tonnen Stahl wurden verarbeitet, die Arbeiten dauerten von 2011 bis Anfang 2018 und waren deutlich teurer als ursprünglich geplant. Was die Brücke ingesamt gekostet hat, ist nicht bekannt – allein Hongkong investierte allerdings rund 15 Milliarden US-Dollar in die Arbeiten.

Die neue Brücke verbindet Hongkong mit Macau und Zhuai sowie dem chinesischen Hinterland.
Die neue Brücke verbindet Hongkong mit Macau und Zhuai sowie dem chinesischen Hinterland.
Bild: Google Maps

Hongkong im politischen Klammergriff?

Die Brücke verbindet Hongkong, das Casino-Paradies Macau, die chinesische Metropole Zhuhai und neun weitere Städte. Das soll nicht nur dem Tourismus dienen, sondern auch der Wirtschaft der Region Auftrieb geben. Die chinesische Regierung träumt gar von einem neuen Silicon Valley in der wirtschaftsstarken Region. «Die Zusammenarbeit zwischen der Provinz Guangdong, Hongkong und Macau wird in den Bereichen Handel, Finanzen, Logistik und Tourismus gestärkt», gibt sich Frank Chan Fan, Hongkongs Minister für Transport und Wohnen, begeistert.

Doch nicht alle Einwohner der ehemaligen britischen Kronkolonie teilen Fans Enthusiasmus. Sie fürchten, dass ihre Stadt duch den Megabau nicht nur verkehrstechnisch, sondern auch politisch und ideologisch an den Rest Chinas angebunden werden könnte. Die Brücke sei ein politisches Projekt, glaubt der Hongkonger Demokratie-Aktivist Eddie Chu.

Ein Teilstück der Brücke, fotografiert von Zhuhai aus.
Ein Teilstück der Brücke, fotografiert von Zhuhai aus.
Bild: Keystone

Ähnliche Bedenken wurden bereits laut, als vor wenigen Tagen eine neue, durchgehende Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Hongkong und Peking eröffnet wurde. Seit Jahren übt Peking zunehmend Druck aus auf Hongkong, viele Menschen protestieren gegen den Einfluss der kommunistischen Partei; 2014 legte die sogenannte «Regenschirmbewegung» sogar Teile der Stadt für mehrere Tage lahm. Ihre Sorge: Hongkong könnte seine teilweise Autonomie verlieren und sich in Richtung eines autokratisch regierten Staates wandeln.

Auch Umweltaktivisten übten Kritik an dem Brückenprojekt. So soll es den Bestand des gefährdeten Rosa Delfins bedrohen. Ganz andere Sorgen hingegen haben die Hongkonger Fährbetreiber: Bislang war das Schiff der schnellste Weg zwischen der Stadt und dem benachbarten Macau; mit der Brücke, deren Überquerung rund eine Stunde dauert, erwächst ihnen nun übermächtige Konkurrenz. Dass Präsident Xi Jinping bei der Eröffnung der Brücke auf all diese Sorgen eingehen wird, muss bezweifelt werden. 

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