Die Zukunft des Essens Die Zukunft des Essens: In drei Jahren kommt das Steak aus dem Labor

dpa

12.10.2018

Der Startup-Gründer Didier Toubia hält eine Petrischale und ein Teller mit einem Steak in seinen Händen. In der Petrischale befinden sich Stammzellen einer Kuh, aus denen künftig in drei bis vier Wochen ein Steak im Labor gezüchtet werden soll.
Der Startup-Gründer Didier Toubia hält eine Petrischale und ein Teller mit einem Steak in seinen Händen. In der Petrischale befinden sich Stammzellen einer Kuh, aus denen künftig in drei bis vier Wochen ein Steak im Labor gezüchtet werden soll.
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Schnitzel, Hühnerbrust, Würstchen: Fleisch gehört zum liebsten Essen der Schweizer. Doch die Massentierhaltung fordert ihren Tribut von Tier und Umwelt. Forscher züchten daher Fleisch im Labor - und hoffen, dass sich die Käufer davon nicht abschrecken lassen.

Saftig soll es sein, den würzig-salzigen Geschmack haben und natürlich aussehen wie herkömmliches Fleisch. Doch im Moment ist das Steak der Zukunft nicht viel mehr als ein Zellhaufen. Tausende kleine Bläschen drängen sich wie bei Froschlaich aneinander, nur sichtbar in zigfacher Vergrösserung auf dem Computerbildschirm.

«Bitte nicht fotografieren», sagt Didier Toubia in seinem Labor in einem Industriepark südlich von Tel Aviv. Immerhin forscht der 45-jährige Israeli mit seinem Start-up Aleph Farms an einer möglichen Revolution der Fleischproduktion: Fleisch aus dem Labor, gezüchtet aus Stammzellen von Kühen.

Über das Essen von Fleisch ist längst ein Grundsatz-Streit entbrannt. Gesund, ja oder nein? Und wenn ja, wie viel? Ist es moralisch okay, wenn Tiere dafür leiden und sterben? Und wie steht es um die Folgen des Steak-Konsums fürs Klima? Zumindest einen Teil der Probleme wollen High-Tech-Pioniere lösen, indem sie Fleisch züchten. Was dann auf die Teller kommen soll, hat in der Form nie als Stück eines Tieres im Stall oder auf der Weide gestanden.

An mehreren Orten weltweit tüfteln Forscher und Unternehmer an solchen Produkten. Mit am weitesten sind Start-ups in Israel. Bei einem Besuch dort trifft man Entwickler, die sehr optimistisch wirken. Man stösst aber auch auf Fragen, die noch zu klären sind.

Für das Klima und gegen Tierquälerei

«Die Mission der Firma ist es, besseres Essen für die Menschen zu produzieren», sagt Didier Toubia. Er verweist auf den Einfluss der industriellen Fleischproduktion auf Natur und Klima: «Rind ist in Bezug auf die Umwelt das Thema, das am dringendsten ist.»

Derzeit brauche es 10'000 bis 15'000 Liter Wasser, um ein Kilogramm Rindfleisch zu produzieren - inklusive des Wassers, um die Saat für das Futter wachsen zu lassen, führt er aus. «Die Tierhaltung ist zudem verantwortlich für 15 Prozent der Treibhausgase - was mehr ist als die weltweite Transportindustrie.»

Ausserdem gehe es darum, Tierleid in der Massenhaltung zu verringern. «Ich denke, dass mehr und mehr Verbraucher sensibilisiert sind in Bezug auf dieses Thema», sagt Toubia, der sich selbst als Flexitarier bezeichnet. Das heisst: Er isst zwar Fleisch, aber eher wenig und hält stets nach einer fleischlosen Alternative Ausschau.

Für das Laborfleisch werden einem Rind bestimmte Stammzellen entnommen, wie der Forscher erklärt. So heissen Zellen, die sich teilen und in verschiedene Richtungen weiterentwickeln können. In einer Nährlösung sollen sie sich so vermehren, dass innerhalb von letztlich drei, vier Wochen ein Stück Fleisch entsteht. In der zweiten Hälfte des Jahres 2021 will Aleph Farms die ersten, noch teuren Labor-Steaks an Restaurants liefern. In sieben, acht Jahren werde der Preis mit herkömmlichem Fleisch vergleichbar sein, hofft Toubia.

Ein Steak bauen ist schwer

Seine Firma ist eines von mehreren Start-ups weltweit, die sich mit dem Thema In-vitro-Fleisch beschäftigen. Bereits 2013 hatte der niederländische Forscher Mark Post die erste Frikadelle aus Stammzellen von Rindern in London präsentiert. «Der letzte Stand der Technik bei 'Clean Meat' ist, eine Masse von Zellen zu züchten», sagt Toubia. Vorrangig Muskelfasern, aber auch Fett, um es zu mixen. Deswegen würden die meisten Firmen etwa auf Hamburger setzen. Also Hack.

«Wir konzentrieren uns dagegen darauf, ein komplexes Gewebe zu entwickeln, das viel mehr dem originalen Muskelgewebe gleicht.» Eben einem Steak. Dafür müssen sich unter anderem die Zellen in vier verschiedene Typen entwickeln. Ob das reicht, um «echt» zu schmecken? Schliesslich spielt beim Geschmack von hochwertigem Fleisch auch eine Rolle, welche Rasse und Alter das Tier hatte, wie es gefüttert wurde, wie viel es sich bewegen konnte und vieles mehr.

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Auch Hühnerfleisch soll aus dem Labor kommen

Nur wenige Räume von Aleph Farms entfernt sitzt Ido Savir mit seinem Start-up Supermeat. Die Firma strebt die Herstellung von Fleischgewebe aus Hühner- und Entenzellen an. Daraus sollen später etwa Frikadellen, Würstchen, Chicken Nuggets und Salami entstehen.

«Wir glauben, dass uns dieser Ansatz erlauben wird, deutlich früher auf den Markt zu gehen», sagt Savir. Und: «Hühnchen ist überall die am stärksten wachsende Fleischkategorie. Manche essen keine Kühe, manche kein Schwein, aber alle essen Hühnchen», sagt er über Fleischfans. Supermeat möchte in drei Jahren mit der Ware auf dem Markt sein - auch in Europa.

Proteine im Fokus

Im Fokus der Fleisch-Macher stehen die Proteine, also die Eiweisse. Derzeit würden sie nicht mehr nachhaltig hergestellt, wenn etwa in Brasilien Regenwälder abgeholzt würden, um Soja anzupflanzen, welches dann für die Futtermittelindustrie nach Europa gebracht werde. Laborfleisch, oft Clean Meat genannt, sei hier eine mögliche Alternative zumindest für Teile des Markts.

Auch Anne Mottet, Tierhaltungsentwicklerin bei den Vereinten Nationen, sagt: Der weltweite Fleischverbrauch wird in den kommenden Jahren weiter klettern. «Wenn wir die Produktion steigern wollen, dann müssen wir mit weniger mehr produzieren», fordert Mottet.

Wie viel Fleisch ist gesund?

Schweizer Fleischverbrauch sinkt

In der Schweiz gibt es aktuell beim Verbrauch eine leichte Gegenbewegung. Obwohl Fleisch nach wie vor zu einem der beliebtesten Nahrungsmittel gehört, ass der Durchschnittsbürger zuletzt weniger davon. 2017 wurden nach Angaben des Branchenverbandes ProViande 50,01 Kilogramm pro Kopf verzehrt. Am beliebtesten ist nach wie vor Schweinefleisch (22,2 kg) gefolgt von Geflügel (11,8 kg) und Rind (11 kg).

Die neue Zurückhaltung beim Fleisch entspricht dem Trend in Europa, wie Mottet sagt. Es gebe dort reichlich Aufklärung, dass zu viel fettes Fleisch nicht gesund sei - und Informationen über Umwelteinflüsse der Produktion. «Die Menschen denken sich, ich muss heute nicht schon wieder ein Steak essen», sagt Mottet.

Silvia Woll vom Karlsruher Forschungsinstitut KIT in Deutschland sieht durchaus Offenheit für Retorten-Fleisch bei Verbrauchern - bei Vegetariern, Veganern und Fleischessern. Aber: «Das In-vitro-Fleisch könnte so gesund und billig sein, wie es will, wenn es nicht nach Fleisch schmeckt, wird es nicht gekauft», sagt die Philosophin mit Schwerpunkt Technikethik. Ein Problem sei weiter, die für den Geschmack so wichtigen Fettzellen zu züchten.

Massenproduktion könnte viel Energie verbrauchen

Fachfrau Woll sieht die Zukunftschancen für eine industrielle Grossproduktion von Laborfleisch in absehbarer Zeit eher zurückhaltend. «Ganz viele Fragen zu In-vitro-Fleisch kann man im Moment noch nicht beantworten, die Technologie dafür steckt noch in den Kinderschuhen», urteilt sie. Unklar sei etwa, inwiefern die Massenproduktion von Laborfleisch wirklich so viel umweltfreundlicher wäre. So könnten grosse Brutschränke sehr viel Energie verbrauchen.

Fans des Laborfleisches betonen zwar, die Ware werde deutlich gesünder sein, weil keine Antibiotika zum Einsatz kämen. Woll dagegen berichtet: «Beim ersten Burger wurden auch Antibiotika verwendet.» Wenn das Fleisch nicht unter den extrem sterilen Bedingungen im Labor hergestellt werde, brauche es Antibiotika gegen Keime. «Die Kuh hat ein Immunsystem, die Zelle nicht.»

Firmengründer Didier Toubia sinniert derweil über seine künftigen Traumkunden: Fleischesser in Massen, umweltbewusst. Von der Nachfrage für sein Produkt gibt er sich überzeugt. Und bleibt doch pragmatisch, wenn er auf ein Nebeneinander setzt: «Ich denke nicht, dass herkömmlich produziertes Fleisch in naher Zukunft komplett verschwinden wird.»

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