Biowaffen Corona als Gelegenheit für Terroristen?

tafu

22.5.2020

Zeigt die Corona-Pandemie, wie gross die Gefahr durch Biowaffen wirklich ist?
Zeigt die Corona-Pandemie, wie gross die Gefahr durch Biowaffen wirklich ist?
Bild: Keystone

Mit seiner Aussage, es könnte einen Zusammenhang zwischen Corona und terroristisch genutzten Biowaffen geben, hat UNO-Generalsekretär Antonio Guterres unter Forschern für Verwunderung gesorgt.

Eine Krise, welche die ganze Welt betrifft. Die Corona-Pandemie versetzt Menschen in Sorge, die Wirtschaft ist zu grossen Teilen gelähmt. Die perfekte Voraussetzung für Terroristen, Kriminelle und gewaltbereite Milizen?

Nach Meinung des UNO-Generalsekretärs Antonio Guterres ist das eine Gefahr, vor der man sich definitiv wappnen müsse. «Nicht-staatliche Gruppen könnten Zugang zu aggressiven Virenstämmen erhalten – mit verheerenden Auswirkungen auf die ganze Welt», erklärte er kürzlich in einer Sitzung, berichtet das «SRF». «Die Schwächen und mangelhafte Vorbereitung, die durch diese Pandemie offengelegt wurden» geben Einblicke, wie ein bioterroristischer Angriff aussehen könne, so der Portugiese weiter.



Auch die Spezialistin für Biowaffen am Londoner King’s College, Filippa Lentzos, ist dieser Meinung. Zwar sei die Wahrscheinlichkeit nicht sehr hoch, dass Terroristen Zugang zu biologischen Waffen hätten, aber falls doch, seien die Folgen gravierend.

Alles nur Panikmache?

Ähnlich schätzt Botschafter Félix Baumann, der die Schweiz in der ständigen UNO-Abrüstungskonferenz vertritt, die Situation ein. Doch betont er, dass es ein sehr grosses Fachwissen brauche, um in einem Labor Viren herstellen zu können. Eine Massenpanik sei allerdings bereits mit wenig ausgeklügelten Biokampfstoffen vorprogrammiert.

Der Politikwissenschaftler Gunnar Jeremias, Leiter der Forschungsgruppe zur Analyse biologischer Risiken an der Universität Hamburg, sieht in den Aussagen von Guterres allerdings eher Panikmache, wie er gegenüber «ntv.de» erklärte. «Es ist alles andere als einfach, eine Biowaffe herzustellen nach dem Prinzip: Da sollen Erreger zum Einsatz kommen, die sich – im Sinne der Angreifer – wirksam, gezielt und kontrolliert verbreiten», so der Experte. Das sei besonders für Terroristen schwer möglich.

«Die Vorstellung, wie sie gerne von Verschwörungstheoretikern oder Apokalyptikern verbreitet wird, man setzt da irgendetwas aus und schon entwickelt sich eine Pandemie, die nur bestimmte Länder heimsucht, gibt es nur in Thrillern.» Denn der Vorgang sei unkontrollierbar, niemand, auch nicht die Angreifer, seien immun.

Zeit als entscheidender Faktor

Jeremias gibt ausserdem zu bedenken, dass es dem Menschen an Wissen und technischen Möglichkeiten fehle, um ein neues Coronavirus im Labor zu erzeugen. Im Gegensatz zum Menschen habe die Natur unendlich viel Zeit, sie könne «probieren und probieren, was Forscher im Labor nicht hinbekommen – und schon gar keine Terroristen, die unter Druck der Ermittler stehen».



Dass Biowaffen für die Menschheit überaus gefährlich sind, ist natürlich bekannt. Der Konvention, welche die Entwicklung, Herstellung, Lagerung und den Einsatz von Biowaffen verbietet, sind nahezu alle Länder beigetreten. Kein Land betreibt, soweit Informationen zugänglich, ein offensives Biowaffenprogramm.

Doch immer mehr Staaten arbeiten an Programmen zur Verteidigung und zum Schutz gegen Biowaffenangriffe. Und genau da liege laut «SRF» das Problem: Wer weiss, wie man sich verteidigt, weiss auch, wie man angreift. Schlupflöcher in der Konvention machten das Problem noch grösser, wie Botschafter Baumann deutlich macht. Es fehle ein verbindlicher Kontrollmechanismus, ein Ausbau der Konvention habe bisher nicht stattgefunden. Stattdessen beschränke man sich auf vertrauensbildende Massnahmen, der Erfolg halte sich dennoch in Grenzen.

Keine Erreger in Terroristenhand

Die Wahrscheinlichkeit, dass nun Terroristen Biowaffen produzieren und einsetzen könnten, schätzt Gunnar Jeremias zwar grösser ein, als noch vor 20 Jahren. Doch das sei nur Theorie. «Wir haben bisher keine Anhaltspunkte, dass das versucht wird. Es gibt keine effektiven, auf Krankheitserregern basierenden Waffen in Terroristenhand – und sehr schnell dürfte sich daran nichts ändern.»

Jeremias schätzt die Äusserungen des UNO-Generalsekretärs als «missglückte Kommunikation» ein und wundert sich, warum Guterres gerade in dieser Zeit, in der die Menschen sowieso schon verunsichert seien, «mit einer Aussage über eine abstrakte Bedrohung für Angst sorgt». Nach Jeremias' Einschätzung sei es «kaum vorstellbar», dass wenige Terroristen Fähigkeiten hätten, «die Hunderte seriöse Wissenschaftler nicht besitzen».



So kann sich auch Biowaffenspezialistin Filippa Lentzos kaum vorstellen, dass das Coronavirus im Labor entstanden sein könnte. Es sei denkbar ungeeignet als Biowaffe, da es sich gegen alle und nicht nur gegen den Feind richte. 

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