Frauenstreik Silvia Binggeli: «Die Anliegen von Frauen sind für mich täglich zentral»

Von Mara Ittig, Carlotta Henggeler, Anna Kappeler

14.6.2019

Silvia Binggeli ist Chefredaktorin der «Annabelle».
Silvia Binggeli ist Chefredaktorin der «Annabelle».
Bild: zvg

Der Frauenstreik vom 14. Juni treibt viele Frauen auf die Strasse. Wir haben einige Frauen ausgewählt und sie gefragt, wie wichtig ihnen Gleichstellung ist – und was sich diesbezüglich verbessern muss.

Die Gleichstellung von Frau und Mann ist ein Anliegen, das seit dem letzten nationalen Frauenstreik von 1991 nichts an Aktualität eingebüsst hat: Lohngleichheit, bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie, mehr Respekt – so lauteten die Forderungen damals, und so lauten sie noch immer.

Frau Binggeli, nehmen Sie am Frauenstreik teil?

Ja. Ich werde am Morgen an einem Frühstück zum Frauenstreik teilnehmen und mich am späten Nachmittag der Demonstration anschliessen. Es geht an dem Tag um die Manifestation von Wertevorstellungen, an die ich zu 100 Prozent glaube: nämlich der Gleichstellung von Frau und Mann, von Menschen generell. Tagsüber werde ich arbeiten. Ich arbeite in einer Frauenredaktion, die Anliegen von Frauen sind für uns täglich zentral. Ich bin Journalistin, Hinterfragen ist mein Job; entsprechend will ich auch an dem Tag zu den Forderungen beitragen, indem ich darüber berichte. Vor allem, indem ich mir Gedanken darüber mache, was ab dem 15. Juni passieren muss, was ich persönlich noch besser zur Gleichstellung beitragen kann, dort wo ich wider besseren Wissens noch klischiert denke oder handle. Am Abend plane ich ein privates Zusammenkommen von Freundinnen – um genau das zu besprechen. Nicht dogmatisch, aber ehrlich.

Wo sehen Sie den dringendsten Handlungsbedarf beim Thema Gleichstellung?

Im Alltag. Mit Ausnahme von ein paar ewig gestrigen Pfosten findet man zum Glück in der aktuellen Debatte zur Gleichstellung niemanden mehr, der ernsthaft dagegen ist: dass Frauen und Männer für dieselbe Arbeit auch gleich viel verdienen oder dass Sexismus verbannt gehört oder dass mehr Frauen auf Podien gehören oder dass erfolgreiche Führungsteams diverser sein müssen, in Bezug auf Geschlecht, Lebensformen, Weltanschauungen.



Trotzdem geht die Gleichstellung schleppend voran. Sie wird ständig delegiert, an andere, an gesetzliche Regelungen, an historisch gewachsene Strukturen. Entschuldigungen werden vorgebracht, warum leider keine Frau für den verantwortungsvollen Posten zu finden war. Oder warum man als Frau wegen mangelnder Infrastruktur die verantwortungsvolle Aufgabe leider absagen muss. Oder warum derbe Witze von Männern gegen Frauen oder dumpfe Sprüche von Frauen gegen Männer doch gar nicht so gemeint waren.

«Um Missstände zu beheben, müssen wir uns alle ehrlich fragen, wo wir Gleichstellung verhindern, weil es schlicht bequemer ist.»

Parolen sind wichtig, um auf Missstände aufmerksam zu machen. Aber um Missstände zu beheben, müssen wir uns alle an der Nase nehmen und uns ehrlich fragen, wo wir Gleichstellung verhindern, weil es schlicht bequemer ist. Ich bin diesbezüglich für Eigenverantwortung. Und zwar an 365 Tagen im Jahr.

Was wünschen Sie sich für die nächste Frauengeneration?

Nachhaltigkeit. Ich glaube, das ist vorwiegend eine weibliche Eigenschaft, ob angeboren oder antrainiert. Sie ist die Zukunft. Ohne idealistische Sozialverblendung, denn am eher männlich konnotierten Wettbewerbsgedanken ist nichts falsch: Aber die enge Definition von Erfolg durch schnelle Optimierung ist höchstens ein Teil der Wahrheit.



Künftig muss bei Lösungsfindungen und Visionen langfristiges Denken ebenso zentral sein. Das Bewusstsein ist da. Das zeigt das aktuelle beeindruckende Engagement von jungen Menschen zum Klimaschutz. Nachhaltiges Denken muss auch in der Gleichstellung gelebt werden. Diesen Ehrgeiz wünsche ich mir von der nächsten Generation – von Frauen ebenso wie von Männern. Und die Generationen, die das anders gelernt haben, auch meine, müssen umdenken.

Mehr zum Frauenstreik am TV.

«Dok: Frauen kämpfen um ihr Recht» lief Donnerstag, 13. Juni, um 20.05 Uhr auf SRF1. Mit Swisscom Replay TV können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

«Arena: Will Frau zu viel?» läuft Freitag, 14. Juni, um 22.25 Uhr auf SRF1. Mit Swisscom Replay TV können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

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