Wahlkampf in den USA Trump will im Kampf gegen Migranten Staatsbürgerschaftsrecht ändern

DPA

31.10.2018

Wenige Tage vor den US-Kongresswahlen fährt US-Präsident Donald Trump einen harten Kurs beim Thema Migration.
Wenige Tage vor den US-Kongresswahlen fährt US-Präsident Donald Trump einen harten Kurs beim Thema Migration.

KEYSTONE/AP/CHUCK BURTON

Ein harter Kurs gegenüber Migranten - damit punktet Donald Trump bei seinen Anhängern besonders. Wenige Tage vor den Kongresswahlen kündigt er einen Schwenk an, der auch die Verfassung berührt - eine Heilige Kuh in den USA. Wird die Idee über den Wahltag hinausreichen?

Kurz vor den Kongresswahlen in den USA hat US-Präsident Donald Trump eine Diskussion über weitreichende Änderung im Staatsbürgerschaftsrecht angekündigt - als Signal der Härte gegenüber illegalen Migranten. Er will verhindern, dass Babys von Einwanderern durch die Geburt auf US-Territorium automatisch die US- Staatsbürgerschaft bekommen. Ob er damit durchkommt, ist fraglich. Neben der Opposition haben auch Teile der Republikaner Bauchschmerzen. Die Änderung würde einem Tabubruch gleichkommen.

«Wir sind das einzige Land weltweit, in dem jemand ankommt, ein Baby bekommt - und dieses Baby ist dann ein US-Bürger für 85 Jahre mit allen damit verbundenen Vorteilen», hatte Trump in einem Video-Interview mit dem Informationsdienst Axios erklärt. «Das ist lächerlich. Und das muss aufhören.»

Allerdings ist unklar, ob Trumps Vorhaben Aussicht auf Umsetzung hat - oder ein reines Wahlkampfmanöver ist. Der Vorsitzende des Repräsentantenhauses, der Republikaner Paul Ryan, hat Trumps Ansinnen bereits eine Absage erteilt. «Der Präsident kann das Geburtsrecht nicht mit einem Erlass beenden», stellte er fest. Das Recht auf die Staatsbürgerschaft bei Geburt auf US-Boden ist Teil der US-Verfassung. Eine Verfassungsänderung führt Trump nicht im Schilde, wohl wissend, dass die dafür nötigen Mehrheiten nicht vorhanden wären.

Trump attackiert Ryan

Der Präsident attackierte Ryan am Mittwoch scharf. Ryan solle sich mehr darauf konzentrieren, die Mehrheit der Republikaner bei den Kongresswahlen zu halten, als sich zum Thema Geburtsrecht zu äussern, wovon er keine Ahnung habe, schrieb Trump auf Twitter.

International ist im Staatsbürgerschaftsrecht das sogenannte Abstammungsprinzip am weitesten verbreitet, wonach ein Kind jenen Pass bekommt, den seine Eltern haben. In einigen Ländern gilt daneben aber auch das Geburtsortsprinzip, wonach ein Land seine Staatsbürgerschaft allen Kindern zuerkennt, die auf seinem Staatsgebiet zur Welt kommen - zum Teil gekoppelt an bestimmte Bedingungen.

In Deutschland etwa gilt seit 2000 zusätzlich zum Abstammungsprinzip das Geburtsortsprinzip, allerdings unter strengen Auflagen. Danach können Kinder ausländischer Eltern mit ihrer Geburt in Deutschland neben deren Staatsangehörigkeit auch die deutsche bekommen. Voraussetzung: Mindestens ein Elternteil muss sich seit acht Jahren rechtmässig im Land aufhalten und ein Dauer-Aufenthaltsrecht haben.

In den USA ist das Geburtsortsprinzip in der Verfassung festgeschrieben, im 14. Zusatzartikel - aber ohne Beschränkungen. Dort steht: «Alle Personen, die in den Vereinigten Staaten geboren oder eingebürgert sind und ihrer Gesetzeshoheit unterstehen, sind Bürger der Vereinigten Staaten.» Nach gängiger Lesart bedeutet dies, dass in den USA geborene Menschen nur dann nicht US-Bürger werden können, wenn sie in irgendeiner Form einem anderen Land gegenüber staatsbürgerlich verpflichtet sind.

Trump zweifelte diesen Grundsatz am Mittwoch an. «Es ist nicht durch den 14. Zusatzartikel abgedeckt» schrieb Trump. Die Worte «...und ihrer Gesetzeshoheit unterstehen» würden Raum für verfassungsrechtliche Interpretationen lassen. Dies sähen auch zahlreiche Verfassungsrechtler so.

Anders als von Trump behauptet sind die USA längst nicht das einzige Land auf der Welt, in dem auch dieses Prinzip gilt. Mehr als zwei Dutzend andere Länder haben zusätzlich eine solche Regelung im Staatsbürgerschaftsrecht - darunter Kanada oder in eingeschränkter Form eben auch Deutschland.

Trump sagte, man habe ihm lange Zeit erklärt, dass eine Verfassungsänderung nötig sei, um die Regelung in den USA zu kippen. Dem sei aber nicht so. «Jetzt sagen sie, ich kann es auch mit einem präsidentiellen Erlass machen.» Trump ging nicht näher darauf ein, auf wen genau er sich beruft und auf welcher Annahme die Einschätzung basiert.

Er zielt mit der Massnahme vor allem auf illegale Einwanderer ab, deren Kinder nach seinem Willen bei einer Geburt in den USA - anders als bisher - nicht mehr automatisch US-Bürger werden sollen. Am Mittwoch schrieb er auf Twitter, in den Einwanderer-Karawanen in Lateinamerika befänden sich eine Reihe «sehr harter Jungs» sowie Ganoven und Gang-Mitglieder. Trump impliziert, die zusätzlich an die Grenze entsandten Soldaten sollten die Flüchtlingsgruppen stoppen. Das Militär darf aber per Gesetz im Inland nur unterstützend eingreifen, etwa bei der Bereitstellung von Gerätschaften.

Änderung rechtlich möglich?

Rechtlich umstritten ist, ob die von Trump geplante Änderung im Staatsbürgerschaftsrecht überhaupt möglich wäre. Es gibt generell hohe Hürden für eine Änderung von Rechten, die in der Verfassung verankert sind. Noch dazu handelt es sich hierbei um ein Grundprinzip im grossen Einwanderungsland Amerika. Es gibt andererseits Juristen, die meinen, die Passage liesse sich durch einen präsidentiellen Erlass «spezifizieren».

Trump stiess mit seiner Ankündigung sofort auf vehementen Widerspruch und Spott. Der Generalstaatsanwalt des Bundesstaats Washington, Bob Ferguson, sagte, egal wie sehr Trump dem rechten Lager gefallen wolle, er könne nicht einfach die Verfassung per Erlass ändern. «Wenn er es versucht, werden wir sofort gegen ihn vor Gericht ziehen - und ihn wieder besiegen.»

Die Oppositionsführerin der Demokraten im US-Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, sprach von einem Ablenkungsmanöver. Trump könne nicht einfach Teile der Verfassung streichen. Auch andere Demokraten bezeichneten den Vorstoss als aussichtslos - und als Versuch, Ängste vor Zuwanderung zu schüren.

Der US-Präsident gab sich dennoch sicher, eine Änderung zu erreichen. «Es ist im Gange. Es wird dazu kommen - mit einem präsidentiellen Erlass.» Trump hatte bereits im Wahlkampf zur Präsidentschaftswahl 2016 für eine Abkehr vom Geburtsortsprinzip geworben und beklagt, die Regelung sei der grösste Magnet für illegale Einwanderung.

Harter Kurs gegen Flüchtlinge im Wahlkampf

Der US-Präsident hat in seiner Amtszeit drastische Verschärfungen in der Migrationspolitik auf den Weg gebracht. Unter seinen Anhängern punktet er seit jeher mit einem harten Kurs gegenüber Zuwanderern. Seit Tagen etwa droht und poltert er heftig gegen eine Gruppe von Tausenden Migranten aus Mittelamerika, die Richtung USA marschieren - und hat deswegen eigens Soldaten an die Grenze geschickt.

Der neue Vorstoss kommt nur wenige Tage vor den wichtigen Kongresswahlen in den USA, die am 6. November anstehen. Trumps Republikanern droht der Verlust der Mehrheit im Repräsentantenhaus. Der US-Präsident müht sich, seine Anhänger zu mobilisieren - wozu sich das Zuwanderungsthema in seinem Lager bestens eignet. Ob seine Idee über den Wahltag hinausreichen wird, muss sich zeigen.

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