Sorry, Mr. President«Ich bin Franzose und garantiere, dass niemand ‹Wir wollen Trump› ruft»
tali
5.12.2018
Immer wieder wettert US-Präsident Donald Trump gegen vermeintliche «Fake News». Nun hat er über seinen Twitter-Account selbst welche verbreitet.
Regelmässig müssen sich amerikanische Medien, allen voran CNN, von Donald Trump den Vorwurf gefallen lassen, sie würden Falschmeldungen verbreiten. Nun haben sie Gelegenheit, jenen Vorwurf gegen den US-Präsidenten selbst zu erheben.
Der nämlich teilte in seinem Twitter-Account einen Tweet des konservativen Aktivisten Charlie Kirk, dessen Sicht auf die aktuellen Proteste der «Gelbwesten» in Paris mehr als fragwürdig erscheint.
«Im sozialistischen Frankreich gibt es Aufstände gegen die linksradikalen Spritsteuern. Die Medien berichten kaum davon», behauptet Kirk, der als Gründer der umstrittenen Organisation Turning Point USA Schülern und Studenten die Vorzüge der freien Marktwirtschaft näherbringen will.
There are riots in socialist France because of radical leftist fuel taxes
Media barely mentioning this
America is booming, Europe is burning
They want to cover up the middle class rebellion against cultural Marxism
“We want Trump” being chanted through the streets of Paris
«Amerika boomt, Europa brennt. Sie wollen die Rebellion des Mittelstands gegen den kulturellen Marxismus vertuschen», schreibt Kirk weiter und schliesst seinen Tweet mit dem Satz: «Auf den Strassen von Paris wird ‹Wir wollen Trump› gerufen».
Twitterer wundern sich
I am French and I guarantee that absolutely no one is chanting “We want Trump” in the streets of Paris, this is so ridiculous 😂😂😂
Vor allem die letzte Behauptung sorgte bei Twitter-Nutzern für Verwunderung: «Ich bin Franzose und ich garantiere, dass wirklich niemand in Paris ‹Wir wollen Trump› ruft, das ist lächerlich», heisst es bereits in der ersten Antwort, auf die hin Trump-Anhänger ein Video in den sozialen Medien teilten, die Kirks Behauptung belegen sollen.
Das Problem: Das Video mag echt sein. Doch es wurde nicht in Paris gemacht: «Es wurde im Juni bei einer Demonstration in Grossbritannien aufgenommen», korrigiert ein Twitter-Nutzer. «Beachten Sie den Doppeldeckerbus. Beachten Sie die englischen Rufe. Das ist nicht in Paris».
Um, correction needed - that video was taken at a protest in June in the UK. Note the double decker buses. Note the chanting in English. Big hints - this is not happening in Paris.
Doch nicht nur der Teil mit den «Wir wollen Trump»-Rufen sind in dem von Trump geteilten Tweet «Fake News»: Weder ist die Republik Frankreich sozialistisch noch ihr Präsident Emmanuel Macron linksradikal. Zudem wurde auch in den USA-Medien über die Proteste der «Gelbwesten» mehrfach berichtet.
Unter anderem von Trumps Lieblingssender Fox als auch von CNN: «Die Reporter und Produzenten, die seit Wochen für CNN von den Strassen von Paris berichten, haben nichts beobachtet, das Kirks Behauptungen belegen würde», schreibt CNN mit dem Verweis, dass das Weisse Haus der Bitte um ein Statement noch nicht nachgekommen sei.
Neben der Tweet-Affäre hat US-Präsident Donald Trump jedoch noch grössere Probleme: Nicht nur sein ehemaliger Anwalt Michael Cohen kooperiert mit FBI-Sonderermittler Robert Mueller und anderen Ermittlern, die eine russische Einmischung in den US-Wahlkampf untersuchen. Auch Trumps ehemaliger Berater Michael Flynn habe die Ermittlungen, die Trump in Schwierigkeiten bringen könnten, «bedeutend unterstützt», erklärte Mueller.
Was anfällig für Fake News macht - Psychologen stellen Hypothese vor
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Bilder von der Amtseinführung des US-Präsidenten Donald Trump (rechts) zeigten deutlich, dass weniger Menschen vor Ort waren als bei der Amtseinführung von Trumps Vorgänger Barack Obama.
Bild: Getty Images / Keystone
Trumps Pressesprecher Sean Spicer sprach damals von einer «absichtlich falschen Berichterstattung» der Medien. «Das war die grösste Zuschauerzahl, die jemals einer Amtseinführung beigewohnt hat», sagte er.
Falschmeldungen glauben laut Studie vor allem Menschen, die ihre politischen Überzeugungen höher bewerten als das Ziel, genau zu sein. Im Fall der Amtseinführung sei den Betroffenen die Zugehörigkeit zur republikanischen Partei wichtiger als Genauigkeit in der Sache, erklären Jay Van Bavel und Andrea Pereira von der University of New York (USA).
Bild: Keystone
Wie oft Donald Trump als Präsident von Fake News gesprochen hat, kann wohl nicht mehr gezählt werden. Doch bisweilen wird er selbst beschuldigt, Fake News zu verbreiten.