Mordfall Jamal Khashoggi Ein unbequemer Kritiker wurde ausgeschaltet

AP

21.10.2018

Vor der saudischen Botschaft in Washington zeigen Demonstranten Plakate mit dem Bild des in der Türkei ermordeten Journalisten Jamal Khashoggi. (Archivbild)
Vor der saudischen Botschaft in Washington zeigen Demonstranten Plakate mit dem Bild des in der Türkei ermordeten Journalisten Jamal Khashoggi. (Archivbild)
Bild: Jacquelyn Martin/AP

Der saudi-arabische Journalist Jamal Khashoggi war eine bekannte Stimme aus der arabischen Welt. Die Ermordungvon Jamal Khashoggi ist ein Lehrstück über Machtpolitik.

Jamal Khashoggi war gewarnt, als er ins saudiarabische Konsulat in Istanbul ging. Freunde rieten ihm ab, sich in den Machtbereich von Kronprinz Mohammed bin Salman zu begeben, vor dem er vergangenes Jahr in die USA geflohen war.

Doch Khashoggi fühlte sich sicher in der Türkei, zu unwahrscheinlich erschien eine Festnahme oder eine Entführung. Doch nun hat Saudi-Arabien gestanden, dass der unbequeme Kritiker im Konsulat getötet wurde.

Die Führung in Riad teilte am frühen Samstagmorgen mit, dass Khashoggi am 2. Oktober während eines Besuchs im Konsulat bei einer «Schlägerei» mit ungenannten Personen zu Tode gekommen sei. Zudem verkündete sie die Festnahme von 18 Verdächtigen und die Absetzung des Vize-Geheimdienstchefs Ahmad al-Assiri und des königlichen Medienberaters Saud al-Kahtani.

Kronprinz bin Salman wusste wohl Bescheid

Beide gehören zum inneren Zirkel von Kronprinz bin Salman, der verdächtigt wird, den Mord an seinem Kritiker angeordnet zu haben. Zwar bestreitet bin Salman jede Kenntnis von dem Geschehen im Konsulat. Doch wenn seine beiden Vertrauten al-Assiri und al-Kahtani hinter der Tat stecken, erscheint es fraglich, dass der Kronprinz selbst nicht informiert war.

Khashoggi war keineswegs ein radikaler Gegner des Königshauses, die Bezeichnung Dissident lehnte der Journalist selber ab. Vielmehr galt er als gemäßigter Kritiker, der die von Kronprinz bin Salman eingeleiteten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Reformen durchaus begrüsste, aber den Mangel an Partizipation und Pressefreiheit kritisierte.

Zu Beginn seiner Karriere war der am 13. Oktober 1958 in Medina geborene Journalist islamistischen Ideen zugeneigt und interviewte wiederholt den späteren Al-Kaida-Führer Osama bin Laden in Afghanistan und im Sudan. Später wandte er sich liberaleren Ideen zu und kritisierte die strikte Lesart des Islam durch die Salafisten, was ihn in Konflikt mit dem religiösen Establishment brachte.

Kashoggis Verhältnis zum Königshaus war ambivalent. Zeitweilig diente er als Berater des mächtigen Prinzen Turki al-Faisal, der lange Botschafter in Washington war und die Geheimdienste leitete. In seiner langen Karriere arbeitete er für zahlreiche Medien; zwei Mal übernahm er die Leitung der Zeitung «Al-Watan», zwei Mal musste er wegen seiner kritischen Berichterstattung gehen.

Kritik unerwünscht

Im Auftrag des Milliardärs Prinz Al-Walid bin Talal baute Kashoggi 2015 einen neuen panarabischen Nachrichtensender namens «Al-Arab» in Bahrain auf, doch ließ das Emirat den Sender wegen eines kritischen Beitrags gleich am zweiten Tag schließen. Bin Talal wurde im November 2017 zusammen mit dutzenden anderen Prinzen und Geschäftsleuten in Riad wegen «Korruption» inhaftiert.

Da sich unter Kronprinz bin Salman die Repression in Saudi-Arabien weiter verschärfte und Khashoggi seine Arbeit bei der Zeitung «Al-Hajat» verlor, nachdem er die von Riad als «Terrororganisation» eingestufte islamistische Muslimbruderschaft verteidigt hatte, ging er im September 2017 aus Angst vor einer Festnahme in die USA, wo er für die «Washington Post» schrieb.

Dort kritisierte er immer wieder die Politik bin Salmans, darunter die verheerende Militärintervention im Jemen sowie die Blockade gegen das Golfemirat Katar. In einer Kolumne im März lobte Khashoggi die innenpolitischen Reformen des Kronprinzen, kritisierte aber, dass er keine öffentliche Debatte darüber zulasse und Kritiker festnehmen oder verschwinden lasse.

Nun hat es ihn selber getroffen. Die Tötung des Kritikers wirft ein grelles Schlaglicht auf die Lage der Pressefreiheit unter bin Salman. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen (RSF) steht Saudi-Arabien auf Platz 169 von 180, von einer freien Presse kann keine Rede sein. Der Tod Khashoggis dürfte nun im Westen die Debatte über den Umgang mit dem Verbündeten in Riad neu befeuern

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