Forscher uneins Rotes Fleisch nun doch ungefährlich? Neue Ernährungsstudie in der Kritik

AP/phi

1.10.2019

Genuss ohne Reue? Im Frühling fand in Luzern das zweite Burger-Festival statt.
Genuss ohne Reue? Im Frühling fand in Luzern das zweite Burger-Festival statt.
Bild: Keystone

Der Verzehr von viel Fleisch kann zu Krebs und anderen Krankheiten führen, lautet die gängige Meinung. Eine neue Studie stellt das nun infrage – und erntet jede Menge Kritik.

Das Essen von rotem Fleisch wird mit einem erhöhten Risiko für Krebs und Herzkrankheiten in Verbindung gebracht. Doch ist das Risiko gross genug, um auf Burger und Steak zu verzichten?

Ein Team internationaler Forscher sagt: Wahrscheinlich nicht, und widerspricht damit dem weit verbreiteten Rat. In einer Reihe von am Montag in der Fachzeitschrift «Annals of Internal Medicine» veröffentlichten Berichten kommen die Forscher zu dem Schluss, dass das erhöhte Risiko gering und nicht bewiesen ist, und sich der Verzicht für Menschen, die Fleisch mögen, wahrscheinlich nicht lohnt.

Metzgerhof Ziegenalp: Ziegen werden von einem sechsköpfigen Metzger-Team gehäutet, bevor sie im März 2016 durch einen Tierarzt untersucht und im Anschluss ausgeliefert werden.
Metzgerhof Ziegenalp: Ziegen werden von einem sechsköpfigen Metzger-Team gehäutet, bevor sie im März 2016 durch einen Tierarzt untersucht und im Anschluss ausgeliefert werden.
Bild: Keystone

Ihre Schlüsse wurden rasch von einer Gruppe prominenter US-Wissenschaftler kritisiert, die sogar den ungewöhnlichen Schritt unternahmen, die Veröffentlichung zu stoppen, bis auf ihre Kritik eingegangen wurde.

Die neue Arbeit behauptet nicht, rotes Fleisch oder verarbeitetes Fleisch wie Hotdogs und Schinken seien gesund, oder dass Menschen mehr davon essen sollten. Die Berichte vergangener Studien unterstreichen generell die Verbindungen zu Krebs, Herzkrankheiten oder anderen negativen Auswirkungen auf die Gesundheit.

Doch die Autoren sagen, die Nachweise seien schwach, und es gebe keine grosse Sicherheit, dass Fleisch tatsächlich der Übeltäter sei, da auch die sonstige Ernährung und der Lebensstil eine Rolle spielten. Die meisten Leute, die das Ausmass des Risikos verstanden, sagten «vielen Dank, aber ich werde weiterhin mein Fleisch essen», sagte einer der Co-Autoren der Studie, Gordon Guyatt von der kanadischen McMaster University.

Die zehn häufigsten Kochfehler:

Die Schlussfolgerungen zeigen, wie Unsicherheiten in der Ernährungsforschung die Tür für widersprüchliche Ratschläge offen lassen. Kritiker sagen, Ergebnisse seien häufig nicht von starken Beweisen gedeckt. Verteidiger halten dem entgegen, dass die Ernährungsforschung selten abschliessend bewerten kann, weil es schwierig ist, den Effekt einzelner Nahrungsmittel zu messen. Die Methoden seien jedoch verbessert worden.

«Worauf wir schauen müssen, ist die Beweislast – Gerichte nutzen sie», sagte Walter Willett, Professor für Ernährungswissenschaften an der Harvard University. Er gehörte zu denjenigen, die die Veröffentlichung der Studie verschieben wollten. Willett hat Studien geleitet, die Fleisch mit negativen Folgen für die Gesundheit in Verbindung gebracht haben.

Die jüngste Veröffentlichung gehe beispielsweise nicht auf die nachgewiesenen Vorteile ein, rotes Fleisch gegen vegetarische Optionen auszutauschen. Das Fachmagazin «Annals of Internal Medicine» verteidigte die Arbeit und teilt mit, die Anfrage, die Veröffentlichung zu verzögern, sei nicht, wie wissenschaftlicher Diskurs funktionieren solle. Co-Autor Guyatt nannte den Versuch «albern».

Wie lange Eingefrorenes essbar ist:

Die Autoren wollten den möglichen Einfluss von weniger Fleisch messen, und orientierten sich am Durchschnitt von zwei bis vier verspeisten Portionen in Nordamerika und Europa. Die für einen Verzicht sprechenden Beweise waren ihnen zufolge jedoch nicht überzeugend. Beispielsweise fanden sie heraus, dass bei einem Verzicht auf drei Portionen Fleisch pro Woche aus einer Gruppe von 1'000 Menschen sieben weniger an Krebs starben.

Auf Grundlage dieser Analyse schlussfolgerte das Team aus internationalen Forschern, die Leute müssten sich nicht aus gesundheitlichen Gründen einschränken. Sie vermerkten jedoch auch, dass die Beweislage schwach sei – und liessen andere Faktoren für einen Verzicht aussen vor, wie das Tierwohl und den Einfluss der Produktion von Schweinefleisch auf die Umwelt.

Ein weiterer Kritiker des Forschungsberichtes, Frank Hu, der ebenfalls für die Harvard University arbeitet, hob ausserdem hervor, dass ein Drittel der erwachsenen US-Amerikaner täglich mindestens eine Portion Fleisch essen. Die Vorteile des geringeren Fleischverzehrs seien für diese Menschen deutlich grösser.

Bilder des Tages

Zurück zur Startseite