Trotz Hitze gut schlafen «Das Pyjama würde ich nicht in den Tiefkühler legen»

Von Sulamith Ehrensperger

16.6.2021

Heisse Temperaturen bereiten vielen Menschen Schlafprobleme. Doch dagegen lässt sich einiges tun.
Heisse Temperaturen bereiten vielen Menschen Schlafprobleme. Doch dagegen lässt sich einiges tun.
Bild: Getty Images

Je hitziger die Nächte, desto schwerer fällt uns das Einschlafen. Wir haben Schlafforscher Christian Cajochen gefragt, wie man trotz Hitze entspannte Nachtruhe findet. 

Von Sulamith Ehrensperger

Herr Cajochen, warum schlafen die meisten Menschen schlecht, wenn es hitzig ist?

Wir sind das nicht so gewohnt wie Menschen in Ländern, die am Äquator liegen. Ein weiterer Grund ist, dass wir im Schlaf viel Wärme abgeben. Während des Tages erhält der Körper eine Kerntemperatur von 36,5 bis 37 Grad aufrecht – die Wärmeverteilung ist im Schlaf anders. Wenn wir uns entspannen, werden Füsse und Hände warm – und diese Wärme geben wir nach aussen ab. So sinken die Körperkerntemperatur und die Herzrate. Das ist viel schwieriger, wenn es warm ist, wenn der Unterschied zwischen Aussentemperatur und Körper nicht ideal ist. Wir können uns weniger gut entspannen, haben Mühe, einzuschlafen. Die meisten schlafen bei Temperaturen um 18 Grad mit einer angenehmen Bettdecke am besten.

Zur Person: Christian Cajochen
Bild: zVg

Christian Cajochen leitet das Zentrum für Chronobiologie an der Universität Basel. Er erforscht insbesondere den Einfluss des Lichts auf die menschliche Kognition, biologische Rhythmen und den Schlaf.

Manche schwören darauf, das Pyjama in den Tiefkühler zu legen – welche Tricks, um abzukühlen, helfen wirklich?

Das Pyjama würde ich jetzt nicht in den Tiefkühler legen. Aber manchen hilft eine lauwarme Dusche. Diese sollte nicht zu kalt sein, weil der Körper sonst wieder mehr arbeiten muss. Es gibt auch wärmeregulierende Matratzen, Kältematten oder intelligente Pyjamas, die die Hitze vom Körper wegleiten – ähnlich wie Sportbekleidung. Tatsächlich gibt es Parallelen zum Joggen: Beim Schlafen gibt der Körper immer Wärme ab.

Schlafen ist also richtig Arbeit für den Körper – vor allem, wenn es nachts nicht abkühlt?

Im Schnitt schwitzen wir nachts etwa einen Liter Schweiss. Wir sind sehr aktiv im Schlaf, merken das aber nicht. Es ist allerdings nicht so, dass die Herzrate raufgeht wie beim Joggen. Beim Schlafen findet ein Wärmeaustausch statt. Wie bei einem Kamin geht über den Kopf eine Menge Wärme ab – deshalb trug man früher Schlafmützen. Im Sommer sollte man natürlich keine Mütze anziehen. An Hitzetagen ist der Körper schon tagsüber ein bisschen gestresst von der Wärme – abends können wir uns dann weniger schnell entspannen.

Was ist mit kalten Getränken am Abend?

Zu kalt trinken kann eher das Gegenteil bewirken, weil der Körper es quasi wieder aufwärmen muss. Lieber lauwarmer Tee – und kein Koffein auf die Nacht.

Als es kürzlich nicht abkühlen wollte, verlangte meine kleine Tochter nach einem kühlen Tüchlein für auf die Stirne.

Kalte Umschläge – wie man sie bei Fieber macht – könnten helfen oder kalte Socken, die man wieder abstreifen kann, wenn sie warm sind. Aber das machen die wenigsten, ist ja eine ganz alte Methode. Was wissenschaftlich untersucht worden ist, sind wärmeableitende Matratzen. Vor allem ältere Menschen oder Frauen in der Menopause konnten diese beim weniger hitzigen Schlafen unterstützen.



Ich mag den Sommer und schlafe auch meist bei Hitze nicht schlecht – ist es auch ein bisschen eine Typenfrage?

Es gibt Morgen- und Abendtypen, aber ob die jetzt mehr oder weniger Mühe haben mit der Wärme, ist schwierig zu sagen. Was man sicher beobachten kann, ist, dass in wärmeren Ländern viele soziale Aktivitäten abends stattfinden. Mit Blick auf die Schweiz habe ich das Gefühl, dass Morgentypen eher Mühe haben mit der Hitze. Aber das ist nicht wissenschaftlich, nur eine Vermutung. Ich glaube, dass es Menschen gibt, die die Hitze besser vertragen. Mir persönlich macht sie weniger zu schaffen, aber ich habe Kollegen, die in die Berge flüchten, sobald es wärmer als 25 Grad ist.

Was tun, wenn man nicht schlafen kann?

Im Sommer wie im Winter zählen die zehn goldenen Schlafregeln (siehe Box unten). Wichtig ist ein regelmässiger Schlaf-Wach-Rhythmus. Der Körper braucht zwei bis drei Stunden, um in den Schlafmodus zu kommen. Also kein wildes Joggen mehr vor dem Zubettgehen. Übermässiger Alkohol ist auch nicht gut – die Herzrate erhöht sich, die Leber muss mehr arbeiten, was wiederum Wärme generiert. Die meisten Schweizer haben die Fenster nachts offen. Ich weiss nicht, wie das in der Stadt ist, aber hier auf dem Land bringt das schon Abkühlung mit sich. Wenn alles nichts bringt, ist vielleicht ein leichter, leiser Ventilator eine Lösung. Der Schlafkiller Nummer eins ist aber der Stress. Manchen hilft es, die Sorgen bewusst vor der Schlafzimmertüre auf einem Stühlchen zu deponieren.


Die zehn goldenen Schlafregeln von Christian Cajochen:

1. Halten Sie regelmässige Schlafenszeiten ein. Gehen Sie aber nur dann ins Bett, wenn Sie wirklich müde sind.

2. Stehen Sie regelmässig zur gleichen Zeit auf und behalten Sie den Rhythmus auch am Wochenende bei.

3. Schaffen Sie im Schlafzimmer eine gemütliche Atmosphäre und achten Sie insbesondere auf eine gute und rückenschonende Matratze.

4. Bewegung am Tag oder Abend, beispielsweise ein gemächlicher Spaziergang, wirkt oft Wunder. Aber nicht mehr zu später Stunde.

5. Ein warmes Bad oder eine warme Dusche (nicht zu heiss) fördern wohlige Entspannung.

6. Das Abendessen sollte leicht sein und schon am frühen Abend eingenommen werden.

7. Trinken Sie abends nicht mehr zu viel und gehen Sie sparsam mit Alkohol, Kaffee und Tee um.

8. Rauchen Sie nicht vor dem Zubettgehen. 

9. Lassen Sie den Tag ausklingen mit dem Lesen eines nicht zu spannenden Buches oder mit Musikhören.

10. Lösen Sie Ihre Probleme vor dem Zubettgehen. Falls dies nicht möglich ist, schreiben Sie sie auf. Dann kann der Geist besser abschalten.


Transparenzhinweis: Dieser Artikel erschien bereits im vergangenen Sommer und wird aus aktuellem Anlass nochmals publiziert.