Foodnerds«Ein Stück Tal muss in die Flasche» – Schweizer Schnaps, goldprämiert
Von N. Morawitz, C. Thumshirn, Interview: S. Ehrensperger
13.6.2020
Foodnerds: «Ein Stück Tal muss in die Flasche» – Schweizer Schnaps, goldprämiert
Für Gisella und Luciano Beretta gibt es kein schöneres Plätzchen zum Leben als das Val Müstair. Im Ort Tschierv betreiben die beiden die «Antica Distillerie Beretta». In «Foodnerds» verraten sie, warum ihre Schnapsbrände regelmässig Gold absahnen.
21.06.2020
Für Gisella und Luciano Beretta gibt es kein schöneres Plätzchen zum Leben als das Val Müstair. Im Ort Tschierv betreiben die beiden die «Antica Distillerie Beretta». In «Foodnerds» verraten sie, warum ihre Schnapsbrände regelmässig Gold absahnen.
«Foodnerds» – die neue Dok-Serie auf «Bluewin»
Um was es geht? – Ganz einfach: Wir stellen Ihnen Menschen vor, die für das beste Produkt und das feinste Essen wirklich alles geben. Ob aus der Schweizer Scholle, vom Tier oder frisch aus dem Kochtopf, Sie werden überrascht sein, wie viel Zeit, Erfahrung und Herzblut es braucht, um aus natürlichen Rohstoffen geniale Lebensmittel zu zaubern.
Hier oben auf 1'700 Metern Höhe kocht das Wasser schon bei 90 statt 100 Grad, eines von vielen Details, das sich auf die Qualität von Berettas Destillaten auswirkt. Eine schonende Zubereitung ist alles. Und dafür braucht es vor allem Geduld: Bis zu drei Monate Zeit geben die Berettas dem Korn für die Fermentation, bevor sie dann aus der Maische Schnaps brennen. Das Ergebnis spricht für sich:
Im Laufe der Jahre haben die Berettas mit ihren Schnäpsen und Likören über 36 Auszeichnungen gewonnen. Der Weg dahin war allerdings alles andere als einfach.
Aufgeben war für das Paar aber zu keiner Zeit eine Option. Im Gegenteil: Getreu dem Motto «Not macht erfinderisch» experimentierten die Berettas so lange, bis ihr Destillat für ihr Empfinden perfekt war.
In der «Bluewin»-Reportage-Reihe «Foodnerds» schildern Gisella und Luciano Beretta, wie sie für ihr Produkt kämpften und warum ihre Brände absolut einmalig sind.
Je mehr Sie über Destillate wissen, desto bewusster können Sie ihn geniessen. Lebensmittel-Sensoriker Patrick Zbinden beantwortet Ihnen die wichtigsten Fragen in folgendem Interview:
Sulamith Ehrensperger
im Gespräch mit
Patrick Zbinden
1
Was macht den Schnaps des Ehepaars Beretta besonders?
Ein Destillat ist in einer bestimmten Art und Weise auch immer ein Parfum. Entsprechend destillieren die Berettas die Zutaten des hochalpinen Biosphärenreservat Val Müstair nicht nur zu Spirituosen, sondern gleichzeitig auch zu einem Val-Müstair-Parfum. Natürlich sind die beiden aus Tschierv nicht die Einzigen, die solches machen. Sowohl in der Schweiz als auch im Rest der Welt gibt es Brenner, die aus regionalen Zutaten einzigartige Destillate herstellen.
2
Der Film zeigt eindrücklich, dass der Genuss von Schnaps bäuerliches Einkommen sichert, insbesondere auch in abgelegen Regionen.
Nicht nur dies! Mit dem Kauf von Schnapsspezialitäten leistet man auch einen Beitrag zum Schutz der Biodiversität. Insbesondere sortenspezifische Destillate sichern das Überleben regionaltypischer und historischer Frucht-, Obst- und Getreidesorten. Wird Schnaps aus Früchten und Obst hergestellt, die von Hochstammbäumen stammen, unterstützt man beim Kauf solcher Destillate nicht nur den Landschaftsschutz, sondern sichert gleichzeitig auch die Lebensgrundlage verschiedener Tier- und Pflanzenarten.
3
Ist der Vorgang des Destillierens überall gleich oder gibt es Unterschiede?
Seit Urzeiten wird auf der ganzen Welt plus minus nach dem gleichen Prinzip Alkohol gewonnen. Die Geräte, mit welchen destilliert wird, haben sich hingegen in den letzten Jahrzehnten grundlegend verbessert. Beispielsweise wurden früher Destillate bei der Herstellung zweimal gebrannt. Diese veraltete Brenntechnik kommt leider heutzutage immer noch zum Einsatz. In einer zeitgemässen Distillerie werden jedoch die fermentierten Zutaten dem Aroma zuliebe in der Regel nur noch in einem Durchgang gebrannt. Wie im Film gezeigt, ist dies heutzutage mit Hilfe von Kolonnendestillationsgeräten möglich.
4
Apropos gutes Aroma: Was macht ein richtig guter Schnaps aus?
Ein hochwertiger Schnaps sticht nicht in der Nase, brennt im Gaumen nicht scharf, und das Aroma sollte über längere Zeit wahrnehmbar sein. Bei Destillaten, die auf der Basis von (Wild-)Früchten, Obst, Beeren und anderem Ausgangsmaterial gebrannt wurden, ist deren arttypisches Aroma qualitätsentscheidend. Und abhängig von der Spirituosenart ist die Komplexität oder die Intensität der Aromen ein Zeichen für Qualität. Werden zum Destillieren jedoch unreife, überreife oder angefaulte Früchte, Beeren, etwa Überschussobst oder verfaulter Trester aus der Weinbereitung oder Mosterei verwendet, ist das Endergebnis ein fehlerhafter Schnaps, der übel riecht.
5
Kann ich solche Schnapsfehler auch als Laie mit meiner Nase erkennen?
Spirituosen auf der Basis von Früchten, Beeren und Obst dürfen auf keinem Fall nach Nagellackentferner oder nach Cementit-Leim riechen. Dieser Fehlgeruch entsteht bei der unsachgemässen Fermentierung des Ausgangsmaterials. Dabei kann sich nebst Milchsäure und Buttersäure beispielsweise auch Essigsäure bilden, die im Destillat schlussendlich als Essiggeruch wahrnehmbar ist. Riecht ein Produkt fehlerhaft, sollte einem der Hersteller oder die Verkaufsstelle, ähnlich wie bei einem Wein mit Korkaroma, das Kaufgeld zurückerstatten.
6
Wie serviere ich Hochprozentiges richtig, beziehungsweise aus welchen Gläser wird Schnaps getrunken?
Das Schnapsaroma kann sich am besten in Gläsern entfalten, die oberhalb des Stiels eine bauchige Form haben und sich zur Mitte hin zu einem «Kamin» verengen. Ungeeignet für den Schnapsgenuss sind kleine und leider immer noch sehr verbreitete sogenannte Stamperl-Gläser. Ein Profi erkennt man übrigens daran, dass er das Schnapsglas ohne oder nur mit einem leichten Schwenken zur Nase führt. Die Ideale Trinktemperatur für Schnaps liegt bei 16 bis 18 Grad Celsius.
7
Wie lagere ich eine offene Schnapsflasche richtig?
Schnaps sollte kühl und vor Licht geschützt aufbewahrt werden. Ideale Schnapsflaschen sind aus dunklem und lichtundurchlässigem Glas oder Steingut gefertigt. Solche Gebinde verhindern nicht nur den vorschnellen Verlust von Aromen, sondern unterdrücken bei Steinobstdestillaten auch die Bildung von gesundheitsgefährdendem Urethan.
8
Das Spirituosenangebot ist riesig: Wie finde ich den Schnaps der zu mir passt?
Destillate, die an internationalen oder nationalen Wettbewerben prämiert wurden, sind in der Regel von guter Qualität und empfehlenswert. Ich selber bin Jurymitglied beim Distisuisse Qualitätswettbewerb. Diese alle zwei Jahre stattfindende Prämierung gilt bei Kennern der Spirituosenszene als äusserst seriös. Bei Prämierungen werden die Destillate nach Kategorien unterteilt und entsprechend aufgelistet. Meine Empfehlung: Sich zuerst für eine Kategorien entscheiden und anschliessend innerhalb dieser Kategorie ein Destillat beim Produzenten bestellen. Grosses Potenzial für spannende Entdeckungen bietet übrigens die Kategorie «Wildfrüchte».
Patrick Zbinden, Food-Journalist und Lebensmittel-Sensoriker
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