Die Zeitschleife Warum der «Tatort: Murot und das Murmeltier» eine Provokation ist

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17.2.2019

Murmeltier-Tag mit Murot: Ulrich Tukur gibt den Zeitschleifen-Murray in einer «Tatort»-Farce. Das ist ausser lustig vor allem eines: eine schallende Ohrfeige für den Krimi-«Overkill» im Fernsehen.

26 Jahre alt ist die Idee des Komödienklassikers «Und täglich grüsst das Murmeltier». Doch sie kommt offenbar nicht aus der Mode. Wie einst Bill Murray hing nun auch Ulrich Tukur als Wiesbadener «Tatort»-Ermittler Felix Murot in einer Zeitschleife fest. Einer fatalen. Murot tot. Murot erwacht im Bett. Das war naturgemäss lustig. Aber auch ziemlich böse. Warum sich die ARD vom «Tatort: Murot und das Murmeltier» provoziert fühlen darf, erfahren Sie hier.

Worum ging es?

Um ein Dauer-Déja-vu der tödlichen Art. Ein Dutzend Mal bekamen die Zuschauer Variationen derselben Szene zu sehen: Schlag 7.30 Uhr wird Felix Murot durch einen Anruf seiner Kollegin Magda Wächter (Barbara Philipp) im Bett geweckt. Murot putzt sich die Zähne, hört Radionachrichten, schlüpft in Hemd und Jackett, begegnet auf dem Weg zum Auto ein paar Nachbarn, trifft vor einer Bankfiliale ein, versucht leichter Hand eine Geiselnahme gütlich zu beenden – und wird erschossen. Aber macht ja nix. Klingelingeling! «Hallo, Wächter hier ...» – Ja, sind wir denn im falschen Film? Selbstverständlich!

Worum ging es wirklich?

Beim Festival des deutschen Films in Ludwigshafen, wo es für den nunmehr achten Tukur-«Tatort» vergangenes Jahr den «Filmkunstpreis» gab, waren sich die Juroren sicher: Der Beitrag kommentiere «in überzeugender und raffinierter Weise die Zeitschleife, in der das Überangebot der Krimi-Produktion des Fernsehens steckt». Immer das Gleiche also – zum Verzweifeln. Bei aller Unterhaltsamkeit war «Murot und das Murmeltier» ohne Frage auch eine – kalkulierte – Zumutung. Um nicht zu sagen: eine Provokation.

Was sagt der Macher?

Der Autor und Regisseur Dietrich Brüggemann, der zuletzt die Stuttgarter «Tatort»-Kommissare im «Stau» (2017) stecken liess, erörtert seine Intention so: «Verhöre, Kommissare, Geständnisse. Es ist immer dasselbe, und es ist niederschmetternd. Die Idee, genau diesen Krimi-Overkill dahin zurückzutragen, wo er herkommt, lag wirklich sehr nahe.»

Gibt es tatsächlich zu viele Krimis im Fernsehen?

Stimmt denn der landläufig ausgestellte Befund, das deutsche Fernsehen produziere fast nur noch Krimis? Allen voran die öffentlich-rechtlichen Anstalten ARD und ZDF? Belastbare Zahlen liegen vor für das Jahr 2015. Das Erste, ZDF und ZDFneo kamen nach eigenen Angaben zusammengerechnet auf unfassbare 5'109 Krimi-Ausstrahlungen. Seither wurde die Schraube nicht zurückgedreht. Ganz im Gegenteil. Vom «SOKO»-Vorabend über den Auslandskrimi am ARD-Donnerstag bis zum Flaggschiff «Tatort» hängen die gebührenfinanzierten Mörder die aus der Wirklichkeit um ein Vielfaches ab. «Nennen Sie mir einen Abend, an dem es keinen öffentlich-rechtlichen Krimi gibt», schimpfte die inzwischen ausgeschiedene RTL-Chefin Anke Schäferkordt 2018 im Gespräch mit der «Berliner Morgenpost».

Welche «Murmeltiere» sind sonst noch im Umlauf?

Erstaunlich ist es allemal, dass die nunmehr 26 Jahre alte Idee des Bill-Murray-Klassikers «Und täglich grüsst das Murmeltier» wieder so en vogue ist. 2014 versuchte Tom Cruise als Sci-Fi-Krieger in «Edge of Tomorrow», die Welt vor zeitmanipulierenden Aliens zu retten. Bei Netflix startete just die Serie «Matrjoschka», in der Natasha Lyonne immer wieder dieselbe Geburtstagsparty feiert, an deren Ende sie stets aufs Neue verstirbt. Und im Kino lief soeben die Horror-Fortsetzung «Happy Deathday 2U» an – hier wird Jessica Rothe in quälenden Wiederholungen vom «Babyface-Killer» gemeuchelt. Die zeitliche Ballung kommt wohl nicht von ungefähr: Den «Groundhog Day» (deutsch: «Murmeltiertag»), welcher der Filmkomödie von 1993 den Namen und den Rahmen gibt, feierten die US-Amerikaner und Kanadier wie jedes Jahr am 2. Februar.

Wie geht es mit Kommissar Murot weiter?

An das von der ARD ausgegebene Experimente-Verbot hält sich Ulrich Tukur aus Prinzip nicht. Dennoch scheint sein nächster Fall immerhin eine linear erzählte Geschichte zu beinhalten: In «Der Angriff» gerät Felix Murot in einer stillgelegten Polizeiwache im Nirgendwo unvermittelt unter Beschuss. Regie führte Thomas Stuber («Herbert»), der mit Clemens Meyer auch das Drehbuch schrieb. Die Ausstrahlung ist noch für dieses Jahr geplant.

Der neuste «Tatort» lief am Sonntag, 17. Februar, um 20.05 Uhr auf SRF 2. Mit Swisscom TV Replay können Sie Sendungen bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

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