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Unheilbar krank Ritt auf Wildpferden: Überlebende erfüllt Krebs-Patientin (22) letzten Wunsch
tsch
3.5.2018
Dreimal hat sie den Krebs besiegt: Jetzt erhält Myriam von M ein eigenes TV-Format. In «Voller Leben - Meine letzte Liste» begleitet sie todkranke Menschen auf ihrem letzten Weg und hilft ihnen dabei, ihre Herzenswünsche in die Tat umzusetzen.
Tätowierungen und Piercings zieren den Körper von Myriam Dalef-Fuss, ihre Haare sind rot gefärbt. Sie selbst nennt sich Myriam von M. Äusserlich erscheint die 40-Jährige wie ein Paradiesvogel, ihr Anliegen ist jedoch ein ernstes: Die Deutsch-Amerikanerin ist Anti-Krebs-Aktivistin. Dreimal schon hat sie den Kampf gegen die tückische Krankheit gewonnen. Doch der Krebs hat Spuren hinterlassen. Im Anschluss an ihren langen Leidensweg startete Myriam von M die Kampagne «Fuck Cancer». Der Workaholic hat es sich zum Ziel gesetzt, über Krebs aufzuklären und die Vorsorge zu forcieren. Dabei ist sie immer nah an ihren Schützlingen dran und begleitet einige sogar bis in den Tod. Gemeinsam mit RTL 2 zeichnet sie nun für die sechsteilige Doku-Reihe «Voller Leben - Meine letzte Liste» (ab 3. Mai, donnerstags, 20.15 Uhr) verantwortlich. Darin verfolgt sie ihr Anliegen konsequent weiter: Myriam von M unterstützt unheilbar kranke Krebspatienten auf ihrem letzten Weg und hilft ihnen dabei, ihre letzten Wünsche zu realisieren.
«Bluewin»: Was wäre Ihr eigener letzter Wunsch, wenn Sie einen äussern müssten?
Myriam von M: Ich hasse diese Frage! (lacht) Wenn ich wieder komplett gesund sein könnte, würde ich das sofort nehmen, auch wenn ich sonst nichts anderes hätte. Nichts ist so schlimm, wie die Krankheit und den Tod ständig um sich herum zu haben. Ansonsten würde ich mir wünschen, dass meine Organisation noch grösser wird und dass wir so vielen Menschen wie möglich helfen können. Dafür kämpfe und lebe ich. Ein grosser Traum wäre auch ein eigener Kinofilm.
Über Ihr eigenes Leben?
Ja, genau! Um damit allen Erkrankten und Menschen mit Problemen, egal welcher Natur, Mut zu machen. Man zeigt ihnen, dass es Leute gibt, die den gleichen Mist durchmachen und sich davon nicht unterkriegen lassen!
Die Reihe läuft bei RTL 2, einem Sender, auf dem sonst «Frauentausch» und Daniela Katzenberger stattfinden. Passt das?
Es ist mir wichtig, authentisch zu bleiben. Die Krankheit ist für die Betroffenen eine ernste Sache. Bei einem Telefonat mit einem der Verantwortlichen von RTL 2 bemerkte ich schnell, dass die zwischenmenschliche Ebene passt. Ich hatte einen ganzen Katalog voller Forderungen, und sie haben sich auf alles eingelassen: keine nachgedrehten Szenen, keine Knüppelverträge, kein gar nichts. Es war mir einfach wichtig, dass das Projekt in erster Linie meinen Schützlingen hilft.
Haben Sie die Patienten selbst ausgewählt?
Ja, ich habe sie alle selbst ausgesucht. Ich begleite manche von ihnen schon seit drei Jahren. Wir haben eine Bindung zueinander. Ich habe mich dann für diejenigen entschieden, die auch bereit dazu waren, ihr Leben mit der Öffentlichkeit zu teilen. Dadurch schaffen wir eine Sensibilisierung für diese Krankheit. Obwohl Krebs so häufig auftritt, wissen die meisten Leute eben doch nichts damit anzufangen.
Wie viel Distanz wollen und können Sie zu Ihren Schützlingen wahren?
Ich bin kein Roboter. Es bricht mir jedesmal das Herz, wenn jemand von ihnen stirbt. Äusserlich versuche ich dann, hart zu bleiben und die Hinterbliebenen zu stützen. Aber wenn ich alleine bin, stürzt manchmal alles über mir zusammen. Dann brauche ich Hilfe, um aus diesem Tal herauszukommen.
Was tun Sie in einer solchen Situation?
Weiterarbeiten. Ich denke mir dann: Jetzt bloss nicht aufgeben! Allein schon aus Verantwortung für meine Schützlinge. Wenn ich jetzt falle, fallen sie mit, fürchte ich immer.
Wünschen Sie sich trotzdem manchmal, dass Sie nach den überstandenen Erkrankungen einen anderen beruflichen Weg eingeschlagen hätten?
Der Weg bis hierhin war hart. Es ist ein Weg, den man nur einmal im Leben gehen kann. Einer, der dein Leben prägt und von dem man irgendwann nicht mehr umkehren kann. Es ist für mich eine Lebensaufgabe, quasi eine Überlebensaufgabe geworden. Ich könnte mir kein anderes Leben mehr vorstellen.
Wie schaffen Sie es, die Balance zu halten zwischen der auch dank Tattoos und Piercings optisch auffälligen Kunstfigur Myriam von M und der privaten Myriam?
Ich brauche diese Kunstfigur, um eine gewisse Distanz zu allem zu wahren. Privat bin ich die ganz normale Hausmama mit Familienleben. Natürlich bin ich beides. In mir schlagen zwei Herzen. Das, was ich nach aussen trage, ist aber immer zu 100 Prozent Myriam: Ich bin provokant, ich polarisiere, und ich versuche, mein Ding durchzuziehen. Aber auch ich habe Privaträume, die ich nicht preisgeben will. Diese Kunstfigur hilft mir dabei, das zu trennen. Ich weiss, wie es ist, wenn alle wegschauen. Ich musste meinen Weg ganz oft alleine gehen.
Wie äusserte sich das?
Ich habe die Angst davor, alleine zu sterben, selbst erlebt. Mich liessen damals fast alle im Stich, als ich krank wurde, und darum will ich meinen Schützlingen das Gefühl nehmen, alleine zu sein. Darum mein Appell an alle: Schaut hin! Die Menschen leben noch, lasst sie nicht alleine sterben. Sie brauchen ihre Familie und gute Freunde, die ihnen zur Seite stehen.
In Ihrem Aktivismus zugunsten krebskranker Menschen kämpfen Sie auch gegen eine profitorientierte Pharmaindustrie und für ein besseres Gesundheitssystem. Was erwarten Sie von der Politik?
Gesundheit ist eine Sache, auf die jeder Mensch ein gleiches Anrecht haben sollte! Man darf Gesundheit nicht von der Dicke des Geldbeutels abhängig machen. Gerade bei Krebs, der eine hoch individualisierte und komplexe Behandlung benötigt, muss jeder Mensch das Recht darauf haben, eine solche Behandlung auch zu erhalten. Seit 2015 gibt es eine neue Impfung, durch die das Risiko an Gebärmutterhalskrebs zu erkranken, unter fünf Prozent sinkt. Danach muss man nur noch alle drei Jahre einen Abstrich machen lassen. Die Impfung ist in Kanada, den USA und in Australien zugelassen. Der deutsche Frauenärzteverband hat sich aber gegen die Einführung des Impfstoffs gewehrt ...
Wenn man sich die Aufzählungen und Beschreibungen Ihrer ganzen Operationen durchliest, ist man erst einmal sprachlos. Sie haben selbst geschrieben, Sie hätten durch die teilweise Entfernung der Geschlechtsteile ein Stück Ihrer Weiblichkeit verloren. Wie ist es Ihnen gelungen, sie zurückzuerlangen?
Das war nicht leicht. Eine Brustamputation wäre für mich noch irgendwie erträglich gewesen, aber die Vulvaentfernung war schon deutlich krasser. Dein Sexualleben ist dadurch komplett zerstört, du fühlst dich verstümmelt und ohne Gefühl. Ich hatte zwar das Glück, nur eine halbseitige Amputation über mich ergehen lassen zu müssen, aber ich tat mich trotzdem wahnsinnig schwer, wieder einen «ernsten» Partner zu finden und eine «echte» Beziehung zu ihm aufzubauen. Erst mithilfe eines Psychiaters und der Wiederherstellungschirurgie konnte ich langsam mein Selbstwertgefühl wieder herstellen. Ich musste lernen, mich wieder in meiner eigenen Haut wohlzufühlen und anderen Menschen zu vertrauen, um wieder mit einer anderen Person körperlich intim werden zu können.
Wie kann man Erkrankten helfen, wenn es ihnen psychisch nicht gut geht?
Man muss den Menschen ihre Angst davor nehmen, sich zu öffnen. Depressionen tut man oft als unwichtig und lächerlich ab, das Gegenteil ist der Fall. Man sollte den Menschen nicht das Gefühl geben, verrückt zu sein, und sie nicht stigmatisieren. Stattdessen muss man die Ernsthaftigkeit der Lage begreifen. Wenn jemand suizidale Gedanken hat, dann sind die auch tatsächlich da. Man darf bei so etwas nicht wegschauen. Diese Menschen brauchen Hilfe, nur dann können sie auch ein lebenswertes Leben führen.
Also steht jeder Einzelne hierbei in der Verantwortung?
Absolut. Das schreiende Kind in uns hört nicht auf, zu schreien. Es wird nur leiser, wenn es um uns herum lauter wird. Aber irgendwann sind wir wieder ganz allein und fallen in ein Loch.
Die Doku-Soap «Voller Leben – Meine letzte Liste» läuft am Donnerstag, 3. Mai, um 20.15 Uhr bei RTL 2. Mit Swisscom TV Replay können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.