TV-Eklat Entlassene Prostituierte: Expertin übt Kritik an Schawinski

tali

10.4.2019

Eine wütende Kolumne nach ihrem Auftritt bei «Schawinski» kostete eine Edel-Prostituierte ihren Zweitjob als Autorin. Nun kritisiert eine Expertin Schwawinskis Rolle in der Affäre scharf.

«Hat Ihr Vater Sie als Kind sexuell missbraucht?» Diese Interview-Frage machte die Prostituierte und Autorin Salomé Balthus nach ihrem Auftritt bei «Schawinski» so wütend, dass sie sich ihren Frust in ihrer «Welt»-Kolumne von der Seele schrieb. «Wie übergriffig ist es bitte, mir einreden zu wollen ich sei als Kind sexuell missbraucht worden? Nur weil ich Prostituierte bin?», echauffierte sie sich auch bei Twitter – und verlor kurz darauf ihren Job bei der deutschen Tageszeitung. Denn den Satz, an dem sich die 34-Jährige zu stören bekannte, hatte Roger Schawinski so nicht gesagt.

Tatsächlich wurde der Zusammenhang zwischen Prostitution und Kindesmissbrauch zuvor in einem Einspieler hergestellt: «Wir wissen aus den Lebensläufen, dass eine überwältigende Mehrheit von den Frauen, die ‹freiwillig› in der Prostitution sind, [...] noch häufiger als im statistischen Durchschnitt in der Kindheit sexuellen Missbrauch erfahren haben», sagte darin Frauenrechtlerin Alice Schwarzer.

In die Opferrolle gedrängt

Schawinski selbst knüpfte mit den Worten «Ist das bei Ihnen auch der Fall gewesen? Oder würden Sie es mir gestehen, wenn es so wäre?» daran an. Unter Berufung auf das Sendungstranskript beschwerte sich Schawkinski wegen übler Nachrede bei der «Welt», die Balthus' Artikel inzwischen gelöscht und die Autorin freigestellt hat.

Ist Roger Schawinski in dieser Affäre also völlig schuldlos? Nicht in den Augen von Rebecca Angelini, der Sprecherin der Zürcher Sexarbeiterinnen-Beratungsstelle FIZ. «Immer wieder kommt dieses Argument der sexuellen Übergriffe in der Kindheit», beklagt Angelini im «Blick». «Auch Balthus wurde von Schawinski in eine Ecke gedrängt und musste sich pausenlos rechtfertigen. Viel wichtiger wäre es, über die konkreten Arbeitsbedingungen der Sexarbeiterinnen zu sprechen, diese zu verbessern und ihre Rechte zu stärken.»

Umstrittene These

Alice Schwarzer setzt sich seit Jahrzehnten gegen Prostitution ein.
Alice Schwarzer setzt sich seit Jahrzehnten gegen Prostitution ein.
Keystone

Denn Belege für die Aussage von Alice Schwarzer, auf die sich Schawinski bezog, gebe es nicht: «Was Alice Schwarzer da sagte, ist eine reine Behauptung», erklärt die Expertin. «Schwarzer hat diese Aussage auch nie mit Zahlen gestützt. Und auch mir wäre keine seriöse Studie bekannt, die dies belegen würde.» Ihrer Meinung nach wird die Missbrauchsthese vorrangig von Prostitutionsgegnern benutzt, um Sexarbeiterinnen als Opfer darzustellen: «Sexarbeiterinnen werden dadurch entmündigt, und die Fähigkeit zur Selbstbestimmung wird ihnen abgesprochen.»

Dass Alice Schwarzer zu den Prostitutionsgegner zählt, ist kein Geheimnis: Seit Jahrzehnten setzt sie sich gegen Prostitution ein und sieht freiwillige Prostituierte kritisch: «Das sind Gelegenheitsprostituierte, das sind selbstständige Dominas oder Ex-Prostituierte, die längst ein eigenes ‹Studio› betreiben, wo sie andere Frauen für sich anschaffen lassen», formuliert sie auf ihrer Webseite. Eine Kategorie, in die für sie wohl auch Escort-Chefin Salomé Balthus fallen dürfte.

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