TV-Kritik «Der Bergdoktor»: Zombie-Abend
im Tirol

Von Gion Mathias Cavelty

7.2.2020

119-mal hat TV-Experte Gion Mathias Cavelty den «Bergdoktor» schon verpasst. Gut gemacht!

«Der Bergdoktor». Habe ich noch nie gesehen. Keine Ahnung, worum es geht. Vermutung: um Berge und einen Doktor. Haben Berge auch Grippe und Verstopfungen? Auf jeden Fall steht's nicht allzu gut um sie (Stichwort: Gletscherschmelze wegen Klimawandels). Ist der Doktor braungebrannt, attraktiv und dezidiert heterosexuell? Hat er einen Bernhardiner? Lebt er noch bei seiner Mama? Fragen über Fragen, die ich klären will – und zwar, indem ich mir die 4. Folge der gerade laufenden 13. Staffel im ZDF anschaue (das ist die bislang 120. Folge – die Serie muss wirklich irrsinnig beliebt sein! Umso peinlicher, dass ich noch keine Sekunde davon mitbekommen habe).

Sie heisst «Zeit des Erwachens» und startet mit dem Vorspann. Darin zieht ein Mann in einer Lederjacke dynamisch eine Sonnenbrille ab. Ich wette, das ist der Bergdoktor! Weiter kommen vor: eine gemütliche Dame in Tracht (seine Mutter? Oder seine Freundin? Oder beides?), ein Typ auf einem Traktor (der fiese Nebenbuhler?), noch eine Dame in Tracht (seine Nebenfreundin?) sowie jede Menge Berge. Die Duftmarken sind gesetzt.

Die Story beginnt damit, dass der Bergdoktor (tatsächlich der Kerl aus dem Vorspann) an einer Beerdigung in München teilnehmen muss. Kaum zurück in seiner Bergkaff-Praxis (gelegen in Ellmau/Tirol) betreibt er billiges Grosstadt-Bashing: «Ah, Frau Kemper! Wie ich Sie und vor allem Ihren Kaffee vermisst habe! Herrlich! Drei Tage München-Latte-Macchiato mit Hafermilch – es war eine Katastrophe», wendet er sich machohaft an seine Sprechstundenhilfe, die ihm gerade eine Tasse Filterkaffee an den Schreibtisch gebracht hat. Alright! Da scheint einer gut drauf zu sein!

Allzu lange bis zur ersten Kopulation (wie wir Mediziner es formulieren) dürfte es nun nicht mehr gehen, schätze ich. Genau, wie es das TV-Publikum von einem Bergdoktor erwarten darf.

Nun: Ich will ja nichts spoilern, aber der Bergdoktor lässt eine gute Chance nach der nächsten aus.

Wer mit wem genau?

Da ist zum Beispiel die hübsche Bergretter-Helikopterpilotin Maike, die Selbstgespräche führt und Spiegel zertrümmert. «Haben Sie jemand, der Sie abholt und heimfährt?», will der Doktor an einer Stelle von ihr wissen. «Ne, grad nicht», erwidert Maike und schwupps: Sitzt sie auch schon bei ihm im Auto. Auf eine Romanze läuft das Ganze dann allerdings nicht hinaus, nein: Auf eine Nierenspende läuft's hinaus (vertrackte Geschichte!).

Äusserst attraktiv ist auch die Koma-Patientin Suse (sie soll die Niere von Maike kriegen, die ihrerseits die neue Freundin von Suses Ehemannes ist – klingt kompliziert und ist es auch, wie gesagt. Also nicht wirklich «aus dem Leben gegriffen», wie wir Mediziner es formulieren). Im Koma ist selbstverständlich «nicht gut munkeln». Aber auch, nachdem Suse wieder erwacht ist, kommt es nicht zum Tête-à-tête mit dem Bergdoktor (klar: Niere geht vor).

Und dann spielen noch viele weitere bezaubernde Frauen eine Rolle, ich komme nicht ganz draus, wer jetzt genau in welcher Beziehung zum Bergdoktor steht. Anne etwa. Ist das die Ex? Die Noch-nicht-Wieder? Die Nie-mehr-Wieder? Und wer ist Franziska? Und wer ist Susanne? Und wer ist die Junge mit den Locken?

Ach, da merke ich halt schon, dass ich 119 Folgen verpasst habe.

«Okay, Zombie-Abend auf der Couch», seufzt der Bergdoktor kurz vor Ende der Folge in Minute 87, nachdem ihm Franziska vorgeschlagen hat, den Abend «ganz gemütlich wie ein altes Ehepaar» in der guten Stube zu verbringen.

An dieser Stelle schalte ich aus. Wozu all die ach so gesunde Bergluft? Sollte die nicht einfahren wie pures Viagra? Bergdoktor! Du solltest dich dringend mal untersuchen lassen!

«Der Bergdoktor» läuft am Donnerstag, 6. Februar, um 20:15 Uhr auf ZDF. Mit Swisscom Replay TV können Sie die Sendung bis zu sieben Tage nach der Ausstrahlung anschauen.

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