Scharfseher «A... loch» – Wutanfälle und Schimpfwort-Tiraden bei «Giacobbo & Müller»

Lukas Rüttimann

3.3.2019

Das Schweizer Fernsehen holte sein Erfolgsduo Viktor Giacobbo und Mike Müller für einen Abend zurück ins Hauptprogramm. In «Giacobbo & Müller in Therapie» zeigten sich die beiden Star-Satiriker von einer unerwartet kantigen Seite.

Fast könnte man dahinter bösartiges Kalkül vermuten: Mitten in die Diskussion um die Qualität von jungen Schweizer Humoristen auf SRF programmierte der Sender eine grosse Samstagabendshow ausgerechnet jener beiden Humor-Schwergewichte, an deren Nachfolge sich der Nachwuchs derzeit die Zähne ausbeisst.

Doch keine Sorge: Viktor Giacobbo und Mike Müller sind nicht nur Befürworter von neuen Satirikern mit Mut zur eigenen Sendung, sie sind auch deren Förderer. Das liessen die beiden in «Giacobbo & Müller in Therapie» denn auch immer wieder durchblicken. Etwa als Giacobbo meinte, das Kommentieren der aktuellen Newslage sei nun nicht mehr seine Aufgabe, sondern jene von «Late Update»-Moderator Michael Elsener.

Souveräner Publikumsumgang

Die rund zweistündige Show zeigte schnell, dass sich die beiden TV-Stars auf der Theaterbühne pudelwohl fühlen. Und das, obwohl das Programm das Gegenteil zum Inhalt hatte: Giacobbo und Müller leiden darin nach ihrer erfolgreichen SRF-Zeit unter einer Art TV-Entzug und werden von Unsicherheiten und Zweifeln geplagt.

Tatsächlich aber ist es ausgerechnet die enorme Souveränität, mit der sich die beiden Satiriker so deutlich von ihren Nachfolgern unterscheiden. Das wurde gestern einmal mehr deutlich: Wenn man sich etwa veranschaulicht, wie unsicher ein Michael Elsener vor seinem Studiopublikum stellenweise (noch) wirkt, ist es bis zur nonchalanten Selbstsicherheit des Erfolgsduos doch ein ziemlicher Quantensprung.

Doch es ist einfach so: Das Publikum frisst den beiden aus der Hand – und das nutzen Mike Müller und Viktor Giacobbo kongenial für sich aus. Am besten spürbar war das gestern vor allem in jenen Momenten, in denen die beiden mehr oder weniger spontan in Kontakt mit ihrem Live-Publikum traten und sich dabei ganz auf ihre Schlagfertigkeit verliessen. Bei der Diskussion um eine fiktive Pause etwa, oder bei der Nummer mit spontanen Publikumsfragen. Diese beantworteten die beiden Komiker mit einem Mix aus authentischen Anekdoten und Kalbereien – etwa als Giacobbo erzählte, wie er damals seinen Bühnen-Kumpan kennenlernte. Als junger Parodist sei der «schrecklich nervöse» Mike Müller jedenfalls noch nicht «so arrogant wie heute» gewesen.

«A... löcher» und Wutanfälle

Generell ging es in auf der Theaterbühne in Winterthur spürbar bissiger zu und her als damals bei «Giacobbo/Müller» auf SRF. Zudem verlangte das Programm ein ums andere Mal nach heftigen Wutausbrüchen, bei denen Müller und Giacobbo so richtig die Sau rauslassen konnten. Kein Wunder, man befand sich schliesslich in Therapie.

Dem einen oder anderen «Giacobbo/Müller»-Fan dürfte diese in der Kleinkunst übliche Kantigkeit möglicherweise aber nicht ganz so gut geschmeckt haben. Zumal die Satiriker bei ihrem munteren Schlagabtausch anrüchige Zoten über Rüssel oder Fäkalien genauso wenig scheuten wie Publikumsbeleidigungen und Schimpfwörter der deftigen Sorte.

Die Häufigkeit des Wortes «A... loch» war in diesen zwei Stunden Prime-Time-TV jedenfalls rekordverdächtig hoch. Und dass man damit derzeit im Schweizer Fernsehen wohl nur als Viktor Giacobbo und/oder Mike Müller durchkommt, sollte für einen Michael Elsener oder Dominic Deville eigentlich eine willkommene Motivation sein.

Bilder aus der Schweiz
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