Prinz Harry, «The Rock» und Co. Keine Scheu mehr - Promis enthüllen ihre psychischen Probleme

John Carucci, AP

18.5.2018

Psychische Erkrankungen sind noch immer oft mit einem Stigma behaftet. Besonders betroffene junge Leute scheuen sich, über ihre Probleme zu sprechen. Nun gehen immer mehr Promis mit gutem Beispiel voran.

Sängerin Mariah Carey leidet an einer bipolaren Störung. Grossbritanniens Prinz Harry suchte therapeutische Hilfe, um Trauer und Zorn nach dem Unfalltod seiner Mutter Prinzessin Diana bewältigen zu können. «Deadpool»-Star Ryan Reynolds hatte es mit Angststörungen zu tun, Schauspieler und Wrestler Dwayne «The Rock» Johnson mit Depressionen. Woher weiss man das? Sie haben offen darüber gesprochen.

Psychische Erkrankungen sind zwar immer noch oft von einem Stigma umgeben, aber es ist in den vergangenen Jahren doch etwas verblasst. Damit sind Betroffene eher bereit, ihre Probleme zu offenbaren, und das gilt auch für Berühmtheiten. Es ist sogar sozusagen eine neue Norm geworden, dass Stars mit persönlichen Herausforderungen dieser Art an die Öffentlichkeit gehen - und damit klarmachen, dass psychische Probleme kein Grund zum Schämen sind.

Prominente als Vorbild

«Ich glaube, dass jeder, der darüber spricht, hilft, der Sache im Laufe der Zeit das Stigma zu nehmen», sagte Johnson kürzlich in einem Interview. «Ich halte es aber für besonders gut, wenn Prominente, die irgendeine Art von psychischen Problemen durchgemacht haben, ihre Erfahrungen mit anderen teilen, sofern sie sich dabei wohlfühlen.»

Er selber habe nicht nur lange Zeit mit Anfällen von Depression zu kämpfen gehabt, «sondern auch mit Dingen, die geschehen sind, als ich ein Teenager war, die mich als Erwachsener gefärbt haben», schildert der Star. Es sei ihm lange Zeit schwer gefallen, sich auszudrücken.

Reynolds hat ähnliche Empfindungen. Über seine psychischen Probleme zu sprechen habe ihm auf mancherlei Weise geholfen, sagte er kürzlich am Rande der «Deadpool 2»-Filmpremiere. Mit Blick auf die Welle der Vorwürfe sexueller Übergriffe von Männern gegen Frauen im Zuge der MeToo-Bewegung fügte der Schaupieler hinzu: «In diesem Zeitalter toxischer Männlichkeit gibt es eine Menge von Typen mit einer Tendenz, es im eigenen Innern zu begraben, zu denken, dass sie starke Kerle sein müssen. Aber das ist nicht zwangsläufig wahr.»

Normalisierung derartiger «Störungen»

Prinz Harry erntete im vergangenen Jahr viel Lob, als er über die Gefühle sprach, die ihn nach dem Tod seiner Mutter 1997 jahrelang quälten und schliesslich dazu bewogen, sich therapeutisch helfen zu lassen. Er habe mehrere Male am Rande eines Zusammenbruchs gestanden, offenbarte der Prinz.

Diane Hughes ist Professorin für angewandte Psychologie an der New York University und auf die Entwicklung Heranwachsender spezialisiert. Wenn Berühmtheiten aus der Unterhaltungs- oder auch Sportwelt über frühere und gegenwärtige psychische Probleme sprächen, sei das sehr wertvoll: Es helfe, derartige Störungen ein bisschen zu «normalisieren», formuliert es die Expertin.

Es gebe immer noch ein grosses Mass an Stigmatisierung, «besonders unter Teenagern, denn Heranwachsende vergleichen sich ständig mit ihren Altersgenossen, sie sind sehr unsicher. Und (so) behaften sie psychische Krankheiten und die Suche nach Hilfe mit einem Stigma».

#MyYoungerSelf

Da hilft es, wenn junge Leute hören, dass sogar auch manche ihrer Idole unter psychischen Problemen leiden - und sich nicht dessen schämen. So hat denn auch das gemeinnützige Child Mind Institute in New York, das betroffenen Kindern und Familien zur Seite steht, Dutzende Berühmheiten für eine neue Kampagne unter dem Motto #MyYoungerSelf angeworben, übersetzt «mein jüngeres Ich». Die Promis werden danach gefragt, was sie - aufgrund ihrer mittlerweile gewonnenen Erfahrungen - der jüngeren Version von sich selber sagen würden.

Schauspielerin Kirsten Bell würde davor warnen, nach Perfektion zu streben - weil es so etwas nicht gibt. Komödiantin und Schauspielerin Sarah Silverman meint, dass es keinen Teil des Körpers gebe, dessen man sich schämen sollte, wenn er krank sei, und das schliesse das Gehirn ein. DJ Mark Ronson, ein Grammy-Gewinner, erzählt von den Panikattacken, unter denen er als Teenager litt. Alle Teilnehmer steuerten ein Kindheitsfoto und ein selbst gemachtes Video bei.

«Wir wissen, wenn berühmte Leute aufstehen und sagen, "ich habe gelitten, und es geht mir besser", dann hat das einen dramatischen Effekt auf uns alle, aber besonders auf junge Leute», sagt Harold Koplewicz vom Child Mind Institute.

Gegen das Stigma

Schauspielerin Mayim Bialik («The Big Bang Theory») erinnert sich noch sehr gut daran, wie isoliert sie sich fühlte, als sie mit Depressionen zu kämpfen hatte. Sie hofft, dass die Scham, die psychische Erkrankungen oft begleitet, bald ganz der Vergangenheit angehört - und wenn öffentliches Sprechen darüber dazu beiträgt, dann, so sagt sie, beteiligt sie sich nur zu gern. Vor allem, wenn damit junge Leute erreicht werden könnten, die sich so einsam fühlen wie damals sie selber.

«Ich habe nicht vor, mich im Internet über mein ganzes Leben auszukotzen», sagte Bialik unlängst in einem Interview. «Aber ich halte es für sehr angebracht, über Angst, zwangshaftes Verhalten, Panikzustände und Depressionen und all die anderen Dinge zu sprechen, mit denen viele von uns es zu tun haben, als Teenager und sogar als Erwachsene.»

Tony-Gewinner John Leguizamo teilt die Ansicht, dass Promis helfen können, psychischen Erkrankungen das Stigma zu nehmen. Aber er meint, dass hier auch die Eltern gefragt seien. «Es fängt damit an, wie du mit deinen Kindern darüber sprichst, mehr Mitgefühl und Einfühlungsvermögen gegenüber Menschen zu zeigen, die anders sind als du oder irgendwelche Schwierigkeiten durchmachen.»

Star-Flash
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