Phase 3 bei Marvel «Ich wollte nie, dass mein Körper Gesprächsstoff wird»

tsch

7.3.2019

Brie Larson (29) ist als «Captain Marvel» die erste weibliche Marvel-Superheldin, die einen eigenen Film bekommt. Die historische Dimension will sie jedoch nicht allzu hoch hängen. Wichtiger sind ihr profane menschliche Bedürfnisse.

Dass Brie Larson ein Stück Kinogeschichte schreibt, ist ihr ziemlich egal. In «Captain Marvel» (Kinostart: 7. März) spielt die 29-jährige Oscar-Gewinnerin («Room», 2016) die Titelrolle und damit die erste Marvel-Superheldin, die einen eigenen Film bekommt. Natürlich beantwortet sie beim Interview alle Fragen zu dem Thema mit ausgesuchter Höflichkeit: Larson ist eine sehr aufmerksame Gesprächspartnerin, die vom ganzen Trubel um ihre Rolle allerdings überrascht zu sein scheint. Sie habe doch nur ihre Arbeit gemacht, und die liebt sie. Warum also die ganze Aufregung um Carol Danvers, wie Captain Marvel bürgerlich heisst? Viel lieber erzählt die in Sacramento, Kalifornien, geborene Schauspielerin von surrealen Treffen mit anderen Superhelden, ihrer Vorliebe für Cheeseburger und ihrer neu gewonnenen körperlichen Stärke.

Stimmt es, dass Sie jetzt wirklich einen Truck mit blossen Händen ziehen können?

Das nicht gerade. Aber immerhin kann ich einen Jeep einen Hügel hinaufschieben. Allerdings nicht länger als eine Minute

Immerhin!

Dafür habe ich aber auch sehr viele Monate in Fitnesstraining investieren müssen. Ein halbes Jahr lang, jeden Tag eineinhalb Stunden. Das war ziemlich anstrengend, aber es hat mein Körperbewusstsein verändert.

Inwiefern?

Ich wollte nie, dass mein Körper Gesprächsstoff wird. Am liebsten wäre ich nur eine Bewusstseinsentität, die in einem Einweckglas wohnt. Wenn man den Körper einer Frau hat, dann wird darüber immer geredet: welche Form er haben sollte und wie man ihn am besten einsetzt. In dem Moment wird der Körper automatisch ein Gefängnis. Deswegen habe ich die meiste Zeit meines Lebens damit verbracht, meinen Geist zu schärfen und mich nicht um den Körper zu kümmern. Der war mir egal. Durch die harte physische Vorbereitung auf «Captain Marvel» sehe ich meinen Körper jetzt komplett anders, durch das Training habe ich eine neue Beziehung zu meinem Körper entwickelt. Er gehört jetzt zu mir, und ich begreife ihn als sehr, sehr nützliches Werkzeug, mit dem man tolle Sachen machen kann. Schwere Dinge anheben zum Beispiel.

«Captain Marvel» Brie Larson schauspielert an der Seite von Bösewicht «Yon-Rogg» Jude Law.
«Captain Marvel» Brie Larson schauspielert an der Seite von Bösewicht «Yon-Rogg» Jude Law.
Keystone

Das konnten Sie ja im Film zur Genüge tun, zumal Sie viele Stunts selber machten ...

Ich mochte diese rauen körperlichen Szenen sehr, auch wenn sie mir jede Menge Beulen einbrachten. Bei mir spielte sich sonst ja immer alles im Kopf ab, das Handfeste war für mich wie eine Befreiung.

Sie sind die erste weibliche Marvel-Superheldin, die einen eigenen Film bekommt. Wie wichtig ist Ihnen das?

Für mich persönlich ist das überhaupt nicht wichtig. Ich mag die Figur von Captain Marvel sehr. Aber die historische Dimension, die der Film vielleicht hat, die gehört ja nicht mir.

«Ich wünschte mir, manche Dinge würden sich schneller ändern»

Glauben Sie nicht, dass es mehr weibliche Actionhelden im Kino geben sollte?

Ich glaube, es sollte in allen Branchen auf der ganzen Welt mehr Frauen geben, vor allem in leitenden Positionen. Ich sehe «Captain Marvel» nicht als Fanal. Feminismus und Inklusion sind doch eine laufende Debatte, die Wahrnehmung dieser Themen ändert sich immer wieder. Das ist wichtig. Ein Film kann nur ein kleiner Teil dieser gesamtgesellschaftlichen Diskussion sein. Ausserdem dürfen Sie nicht vergessen, dass Filme ziemlich zeitaufwendige Angelegenheiten sind: Es dauert sehr lange von der Idee bis zum Kinostart. Ich bin freilich froh, dass es diese Diskussion gibt und dass sie profund geführt wird, weil sich dadurch Dinge ändern. Ich wünschte mir aber auch, manche Dinge würden sich schneller ändern.

Dabei bringt Captain Marvel explizit weibliche Sichtweisen ein: Sie will im Film keinen Krieg ausfechten, sondern ihn beenden.

Das sehe ich weniger als Ausbruch von Feminismus. Es ist einfach der Figur geschuldet: Carol hat nicht wirklich Bock darauf, ihre Zeit zu verschwenden. Sie packt Probleme an und will sie schnell lösen. Ausserdem kann ich nicht für alle Frauen auf der Welt sprechen. Das steht mir nicht zu. Ich finde es auch falsch zu sagen: «Alle Männer sind soundso, alle Frauen sind soundso.» Es gibt eine Menge Schattierungen zwischen Schwarz und Weiss.

Die 29-jährige Brie Larson nimmt sich auch gerne Zeit für ein Selfie mit den Fans.
Die 29-jährige Brie Larson nimmt sich auch gerne Zeit für ein Selfie mit den Fans.
Keystone

Wie zeitaufwendig ist eigentlich so eine Marvel-Produktion?

Wenn man alles einrechnet, von neun Monaten Vorbereitung über 75 Drehtage bis hin zu Synchronisationsarbeiten und Nachdrehs kommen da ungefähr eineinhalb Jahre zusammen. Das ist eine Menge Zeit, jetzt wo ich darüber nachdenke.

Bleibt da noch Zeit für andere Projekte? Immerhin drehen Sie ihre eigenen Filme, machen Musik...

Na ja, jetzt ist es ja erst mal vorbei, und ich kann machen, was ich will.

Ist es nach Ihrem Oscar für «Raum» schwieriger geworden, die richtigen Rollen auszuwählen?

Eigentlich nicht. Ich wähle aber auch nicht nach Erwartungshaltungen aus: Wie könnte ein Film ankommen beim Publikum oder den Kritikern? So funktioniert das nicht, das wäre ein völlig falscher Ansatz. Woher soll ich denn wissen, was die Zuschauer in zwei Jahren sehen wollen, welche Art von Filmen dann gefragt sein wird. Ich kann ja nicht mal vorhersagen, was ich morgen zum Frühstück essen werde. Ich wähle die Rollen, die ich für mich in dem Moment richtig finde: Ich kann den Film drehen und damit eine künstlerische Erfahrung machen, die mir ganz allein gehört. Aber klar. Ich habe mehr Optionen und bekomme mehr Drehbücher.

Bei den Oscars 2016 hat sich für Brie Larson vieles verändert: Sie gewinnt die goldene Statue für ihre Hauptrolle im Drama «Room».
Bei den Oscars 2016 hat sich für Brie Larson vieles verändert: Sie gewinnt die goldene Statue für ihre Hauptrolle im Drama «Room».
Keystone

Mit Cheeseburger ins Kunstmuseum

Inwieweit konnten Sie denn Einfluss auf die Figur Captain Marvel nehmen?

Wenn ich für eine Rolle ausgesucht werde, dann gehe ich davon aus, dass mich die Filmcrew als Experten für die Figur hält: Ich bin also für sie verantwortlich. Während des Drehs war ich also die weltweit führende Expertin für Captain Marvel.

Und werden jetzt mit dieser starken Frauenfigur vielleicht zu einer Art Vorbild.

Das kann sein, muss es aber nicht. Ich kann mit beidem leben. Ich denke auf jeden Fall nicht darüber nach. Man kann nämlich kein Vorbild sein, wenn man sich vornimmt, ein Vorbild zu sein. Ich weiss zum Beispiel gar nicht, was Stärke eigentlich ist. Das ist für mich ein sehr dynamisches Konzept, in dem nicht immer rohe körperliche Kraft entscheidend ist. Auch Verletzlichkeit kann Stärke sein. Mir ist wichtig, dass nicht von aussen bestimmt wird, wie Stärke auszusehen hat. Das muss jeder selbst entscheiden können. Punkt.

Waren Sie eigentlich aufgeregt, zehn Jahre nach dem ersten Film selbst Teil des Marvel-Kinouniversums zu werden?

Zunächst einmal war es für mich surreal. Ich durfte zur Jubiläumsfeier gehen, bei der sich alle Superhelden in einem Partyzelt versammelten und gemeinsam Champagner tranken. Da habe ich mich schon gefragt, wie ich da reingeraten bin. Aber ich konnte immerhin mit vielen Leuten reden, die vor mir diesen Schritt ins Marvel-Universum gemacht haben.

Auch mit von der Partie: Hollywood-Grossmaul Samuel L. Jackson.
Auch mit von der Partie: Hollywood-Grossmaul Samuel L. Jackson.
Keystone

Worüber haben Sie sich denn so unterhalten? Haben Ihnen Iron Man und Captain America gute Ratschläge geben können?

Ganz ehrlich: Ich habe keine allzu schweren Fragen gestellt. Was mich am meisten interessierte war, wie ich im Kostüm aufs Klo gehen kann (lacht). Ernsthaft, das hat mich sehr beschäftigt. Ich trinke halt viel Wasser. Falls es Sie interessiert: Die meisten Marvel-Superhelden brauchen dafür um die 30 Minuten und die Hilfe von einer Handvoll Leuten.

Sind Sie darauf vorbereitet, dass eine Rolle als Marvel-Superhelden immer mit einer extra Portion Ruhm daherkommt?

Das hoffe ich sehr, obwohl ich nicht weiss, was auf mich zukommt. Ich werde mir jedenfalls alle Mühe geben, um weiterhin ein anständiges und sinnhaftes Leben führen kann. Mit einem Cheeseburger und einem Besuch im Kunstmuseum sollte das auch klappen.

«Captain Marvel» läuft ab Donnerstag, 7. März, in unseren Kinos.

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