Die grössten Skandale von Cannes.
In den USA würde ein solches «Vergehen» noch heute die Gemüter erregen und die Sittenwächter auf den Plan rufen. 1954 allerdings war das Präsentieren einer «fast» nackten Frauenbrust nirgends ganz ohne - nicht einmal im seit Menschengedenken als freizügig geltenden Frankreich. Ein Umstand, den die semi-berühmte Schauspielerin Simone Silva für ihre 15 Minuten Weltruhm auszunutzen wusste. Kurzerhand ...
... zog die Britin während eines Fotoshootings blank und Cannes hatte seinen ersten waschechten Skandal. Der Schnappschuss sorgte nicht nur im Anschluss für erhitzte Gemüter, sondern auch unmittelbar: Die Fotografen gerieten dermassen in Rage, dass sich einer von ihnen ein Bein, ein anderer einen Arm brach. Skandalnudel Silva musste wenig später die Koffer packen und Cannes verlassen.
1958 erreichte der Algerienkrieg seinen Höhepunkt. Da die algerische Nationale Befreiungsfront befürchtete, der neue französische Präsident Charles de Gaulle könnte den Konflikt zu ihren Ungunsten befrieden, reagierte man mit einer Anschlagswelle in Frankreich. Die Regierung dachte deshalb darüber nach, die Filmfestspiele abzusagen. Schliesslich gingen sie doch über die Bühne, allerdings blieben viele Stars und Journalisten fern.
Anita Ekbergs Bad in der Fontana di Trevi gehört zu den bekanntesten Szenen der Filmgeschichte und «La Dolce Vita», zu Deutsch «Das süsse Leben», zu den berühmtesten Siegern der Goldenen Palme in Cannes. Die vermeintlich frivole Szene liess 1960 die «Zeitung des Vatikans» wettern, Regisseur Federico Fellini würde die vatikanische Würde verletzen.
Schon war der Film skandalumwittert. Die Pfaffen schmähten das Werk in ihren Predigten als Werk des Teufels. Fellini (rechts) wurde in der Folge gar Opfer von Eierwürfen in Mailand, unter anderem in Spanien wurde der Film verboten. Dem Siegeszug von «La Dolce Vita» hat dies maliziöse Urteil wahrlich nicht geschadet.
Im Jahr darauf suchte Cannes abermals den Konflikt mit dem Klerus. «Viridiana», eine mexikanisch-spanische Produktion von Filmemacher Luis Buñuel, ging direkt auf eine etwaige Diskrepanz zwischen katholischer Frömmigkeit und Moral ein. Die Jury frohlockte, vergab 1961 die Goldene Palme für das Werk. Der Vatikan dagegen sprach von Blasphemie. Die spanische Franco-Regierung versuchte, «Viridiana» aus dem Wettbewerb zu nehmen, Buñuel sah sich gezwungen, ins Exil zu flüchten.
Die weltweiten Studentenaufstände Mitte und Ende der 60er-Jahre gingen bekanntlich auch nicht an Paris vorbei. Ganz im Gegenteil. Als der «Mob» 1968 in der Metropole wütete und ganz Frankreich in einem Generalstreik Flagge zeigte, war auch in Cannes nicht an die gewohnte Geschäftigkeit zu denken ..
Die französischen Star-Regisseure François Truffaut und Jean-Luc Godard solidarisierten sich mit den Protestlern, forderten ihre Kollegen dazu auf, auch die Filmfestspiele lahmzulegen. Mit Erfolg. Die Jury um den Vorsitzenden Roman Polanski (im feinen Weissen) liess die Party platzen.
Wollust, Völlerei, Hochmut: Auch mit «Das grosse Fressen» hatte die katholische Kirche ihre Probleme. Die Satire um einen feierlichen kollektiven Suizid durch übermässiges Essen rief vor allem aber bei Teilen der Zuschauer Ekelgefühle hervor, viele verliessen die Kinosäle. Trotzdem gab es für den Wettbewerbsfilm von 1973 den FIPRESCI-Kritikerpreis für die Hauptdarsteller und Regisseur Marco Ferreri (rechts).
Jean-Luc Godard war Mitte der 80er nicht mehr Revoluzzer der Studentenbewegung, sondern ein kommerziell durchaus erfolgreicher Filmemacher. Zu gewollt kommerziell, so die Meinung eines belgischen Kritikers, der seinen Protest 1985 in Form eines Tortenwurfs ausdrückte - mitten ins Gesicht Godards. Dieser blieb cool, leckte sich selbst die Sahne aus dem Gesicht und lobte die Aktion als «Hommage an die Stummfilm-Ära».
Da dürften durchaus die Fetzen fliegen, wenn sich diese beiden Herren an die Gurgel gehen. So geschehen 1992, mitten auf dem roten Teppich in Cannes. Die stierbenackten Dolph Lundgren und Jean-Claude Van Damme standen sich an der Croisette gegenüber, blickten sich so böse wie nur möglich an ...
... und schubsten sich sogar - etwas doller aber als hier 20 Jahre später bei einem gemeinsamen Promotion-Besuch in Madrid für «The Expandables 2». Tatsächlich wollten sich der Belgier (rechts) und sein schwedischer Kollege (links) allerdings nie etwas Böses. Man hatte mit «Universal Soldier» einen Film zu promoten. Eine etwas peinliche Inszenierung.
Als Harry S. Stamper rettete Bruce Willis (Mitte) die Erde vor einem Meteoriten-Einschlag. Wer sollte das auch sonst hinbekommen? Und Ben Affleck (Vierter von links) schwang sich als A.J. Frost zum neuen Posterboy Hollywoods auf. Michael Bays Katastrophen-Schnulze «Armageddon» war 1998 ein grosser Kassenerfolg ...
... doch verschmäht die französische «haute société» an der Croisette bekanntlich amerikanisches Popcornkino, bei der mehr Stars and Stripes zu sehen als sinnvolle Dialoge zu hören sind. Das Publikum brach teilweise in schallendes Gelächter aus, vor allem an den Herzschmerzstellen des Blockbusters. Der anwesende Bruce Willis, mit dem man sich normalerweise nicht anlegen sollte, beschwichtigte: Es sei nur eine Vorabversion des Filmes.
Regisseur Gaspar Noé (links) will es ja auch gar nicht anders: Sein Film «Irreversibel» mit dem inzwischen getrennten Ehepaar Monica Bellucci und Vincent Cassel in den Hauptrollen sorgte 2002 ebenfalls für einen Zuschauer-Eklat. Rund 250 Gäste verliessen beim ersten Screening den Kinosaal, 20 mussten gar ärztlich, teilweise mit Sauerstoffzufuhr versorgt werden. Das in wilden Kamerafahrten gezeigte Geschehen um die brutale Vergewaltigung einer Frau und dem anschliessenden Rachefeldzug ihres Mannes bekam nicht jedem.
Wackelige Kamera, ein nicht enden wollender Roadtrip, hanebüchene Dialoge und Schnitte. Und dann eben diese überlange Oralsex-Szene, die sich 2003 als grosses Highlight von «The Brown Bunny» präsentiert. Filmemacher Vincent Gallo, der auch Günstling des Blowjobs ist, musste für seinen zweiten Langfilm jede Menge Buhrufe ertragen. Und auch die Presse stimmte einhellig mit ein. Filmkritikerlegende Roger Ebert nannte das Gesehene den schlimmsten Beitrag, der je in Cannes gezeigt wurde, und lieferte sich mit dem Filmemacher noch weitere verbale Scharmützel.
Kommt es zum Thema Politik, sind sich Franzosen und Amerikaner selten einig. An der Croisette schmückt man sich deshalb gerne mit Andersdenkenden aus dem «Land of the Free». So verwundert es wenig, dass man 2004 liebend gerne dem spätestens unter der George-Bush-Regierung zur Persona non grata ausgerufenen Dokufilmer und Buchautor Michael Moore 2004 in Cannes eine grosse Bühne bereitete. Genauso wenig, dass dies am anderen Ende des Atlantiks zu mehr als nur Nasenrümpfen führte ...
Moores Auseinandersetzung mit der Wahl, der Einstellung und dem Arbeitsethos des damaligen US-Präsidenten in «Fahrenheit 9/11» erhielt über 20-minütige Ovationen und wurde von Jury-Vorsteher Quentin Tarantino mit dem Hauptpreis Palme d'Or bedacht. Dafür sprach, so die offizielle Erklärung, aber nicht (nur) die politische Message des Werks - die Moore in seiner Dankesrede nochmals ausführlich anklingen liess.
Natürlich war 2006 Nacktheit an der Croisette kein Skandal mehr wie noch in den 50er-Jahren. Doch Sacha Baron Cohens schiere Andeutung einer Badebekleidung war dann doch Anlass für - sicherlich nicht immer ernst gemeinte - Aufschreie rund um den Erdball. Der britische Comedian war in seiner Paraderolle zugegen, um «Borat» vorzustellen. Und sein Neon-Mankini machte sich wunderbar auf dem roten Teppich neben Abendkleid und Smoking. Die Komödie kam erst im folgenden Herbst in die Kinos. Bis dahin war der Anblick nicht mehr aus den Köpfen zu tilgen.
Keine Skandale-Galerie ohne Lars von Trier: Seinen wohl grössten Fehltritt respektive seine wohl erfolgreichste Selbstinszenierung gelang dem dänischen Regisseur definitiv 2011 in Cannes. Schwarzer Humor, Überheblichkeit und politische Inkorrektheit mögen sich beim Filmemacher immer wieder in hochgeschätzte Werke verwandeln, seine Äusserungen bei einer Pressekonferenz zu seinem Wettbewerbsbeitrag «Melancholia» zogen aber sogar rechtliche Konsequenzen nach sich ...
Unter anderem erklärte von Trier, sich in Adolf Hitler im Bunker während der drohenden Niederlage 1945 einfühlen zu können. Ausserdem sei er wohl ein Nazi, erklärte der heute 60-Jährige weiter. Von Trier wurde von den Filmfestspielen umgehend ausgeschlossen. Es folgten Beschwichtigungen und seine Ankündigung, nie mehr an Pressekonferenzen teilnehmen zu wollen. Später im Jahr vernahm die dänische Polizei den Übeltäter zum Fall, die «Rechtfertigung von Kriegsverbrechen» wurde dem Regisseur vorgeworfen. Die Anklage wurde jedoch später fallengelassen.
Dieses Jahr kehrt Lars von Trier ans Filmfestival zurück. Der Däne war vor sieben Jahren wegen seiner Nazi-Äusserungen zur Persona non grata erklärt worden. Nun aber hat das Filmfest das Enfant terrible aus der Verbannung geholt und mit «The House that Jack built» über einen Serienmörder ausser Konkurrenz eingeladen.
22 Filme von 22 Männern, so präsentierte sich der 65. Hauptwettbewerb von Cannes im Jahr 2012. «Frauen zeigen in Cannes ihr Gesicht, Männer ihre Filme», nannte sich deshalb ein Pamphlet der französischen Filmemacherinnen Coline Serreau (im Bild links), Virginie Despentes und Fanny Cottençon. Doch nicht nur die auf der Hand liegende Unausgewogenheit «männlicher» und «weiblicher» Filme in diesem Jahr, auch der Rückblick auf die Festival-Historie erzürnte die Damen. Denn in den 64 vorangegangen Jahren - übrigens auch bis heute - konnte nur eine Frau den Hauptpreis gewinnen: 1993 siegte die Neuseeländerin Jane Campion mit «Das Piano».
Auch 2015 erregte ein ähnliches Thema die Gemüter, doch diesmal abseits des Wettbewerbs. So wurden bei der Weltpremiere des Films «Carol» mehrere Frauen gebeten, den roten Teppich zu verlassen. Der einfache Grund: Sie hatten flache Schuhe an und wurden so der Cannes'schen Etikette nicht gerecht. Darunter seien auch ältere Frauen gewesen, die aus gesundheitlichen Gründen auf die hohen Hacken verzichteten. Die Hauptdarstellerinnen des Films, Rooney Mara (links) und Cate Blanchett, verdeckten ihr Schuhwerk indes gut. Die Festivalorganisation verteidigte plump, diese Regel gäbe es schon seit Jahren. «Heelgate» war geboren und waberte als kleiner Shitstorm durchs Netz.
Den ersten Skandal 2017 gab es bereits im Vorfeld: Die Cannes-Bosse mussten sich öffentlich für das Plakat rechtfertigen. Nicht weil es misslungen wäre, ganz im Gegenteil: Das rot getönte Bild einer tanzenden Claudia Cardinale aus dem Jahre 1959 ist ein äusserst schönes Motiv zum 70. Jubiläum. Nur wurde die italienische Schönheit auf dem Plakat nachweislich verschlankt.
Freilich ist es nur schwer erklärbar, warum man einer für ihre volle Weiblichkeit geliebten Leinwand-Legende mit Photoshop nachbearbeiten musste, um ihr Äusseres fragwürdigen Schönheitsidealen anzupassen. Cardinale selbst nahm dem Ganzen jedoch bereits Wind aus den Segeln: «Es gibt so viele wichtigere Dinge auf unserer Welt, die diskutiert werden sollten. Es ist doch nur Kino, lasst uns das nicht vergessen.»
Ob das Plakat auch dieses Jahr für Gesprächsstoff sorgen wird? Wohl kaum.
Doch auch dieses Jahr gabs schon im Vorfeld des Festivals in Cannes heftige Debatten. Mit einem Selfie-Verbot und der Abschaffung der Pressevisionierungen brüskiert Festivaldirektor Thierry Frémaux Publikum und Medienprofis gleichermassen.
Ein Konflikt mit Netflix eskalierte sogar so, dass es keine Filme des Streamingdienstes an der Croisette geben wird.
Das sind die grössten Skandale von Cannes
Die grössten Skandale von Cannes.
In den USA würde ein solches «Vergehen» noch heute die Gemüter erregen und die Sittenwächter auf den Plan rufen. 1954 allerdings war das Präsentieren einer «fast» nackten Frauenbrust nirgends ganz ohne - nicht einmal im seit Menschengedenken als freizügig geltenden Frankreich. Ein Umstand, den die semi-berühmte Schauspielerin Simone Silva für ihre 15 Minuten Weltruhm auszunutzen wusste. Kurzerhand ...
... zog die Britin während eines Fotoshootings blank und Cannes hatte seinen ersten waschechten Skandal. Der Schnappschuss sorgte nicht nur im Anschluss für erhitzte Gemüter, sondern auch unmittelbar: Die Fotografen gerieten dermassen in Rage, dass sich einer von ihnen ein Bein, ein anderer einen Arm brach. Skandalnudel Silva musste wenig später die Koffer packen und Cannes verlassen.
1958 erreichte der Algerienkrieg seinen Höhepunkt. Da die algerische Nationale Befreiungsfront befürchtete, der neue französische Präsident Charles de Gaulle könnte den Konflikt zu ihren Ungunsten befrieden, reagierte man mit einer Anschlagswelle in Frankreich. Die Regierung dachte deshalb darüber nach, die Filmfestspiele abzusagen. Schliesslich gingen sie doch über die Bühne, allerdings blieben viele Stars und Journalisten fern.
Anita Ekbergs Bad in der Fontana di Trevi gehört zu den bekanntesten Szenen der Filmgeschichte und «La Dolce Vita», zu Deutsch «Das süsse Leben», zu den berühmtesten Siegern der Goldenen Palme in Cannes. Die vermeintlich frivole Szene liess 1960 die «Zeitung des Vatikans» wettern, Regisseur Federico Fellini würde die vatikanische Würde verletzen.
Schon war der Film skandalumwittert. Die Pfaffen schmähten das Werk in ihren Predigten als Werk des Teufels. Fellini (rechts) wurde in der Folge gar Opfer von Eierwürfen in Mailand, unter anderem in Spanien wurde der Film verboten. Dem Siegeszug von «La Dolce Vita» hat dies maliziöse Urteil wahrlich nicht geschadet.
Im Jahr darauf suchte Cannes abermals den Konflikt mit dem Klerus. «Viridiana», eine mexikanisch-spanische Produktion von Filmemacher Luis Buñuel, ging direkt auf eine etwaige Diskrepanz zwischen katholischer Frömmigkeit und Moral ein. Die Jury frohlockte, vergab 1961 die Goldene Palme für das Werk. Der Vatikan dagegen sprach von Blasphemie. Die spanische Franco-Regierung versuchte, «Viridiana» aus dem Wettbewerb zu nehmen, Buñuel sah sich gezwungen, ins Exil zu flüchten.
Die weltweiten Studentenaufstände Mitte und Ende der 60er-Jahre gingen bekanntlich auch nicht an Paris vorbei. Ganz im Gegenteil. Als der «Mob» 1968 in der Metropole wütete und ganz Frankreich in einem Generalstreik Flagge zeigte, war auch in Cannes nicht an die gewohnte Geschäftigkeit zu denken ..
Die französischen Star-Regisseure François Truffaut und Jean-Luc Godard solidarisierten sich mit den Protestlern, forderten ihre Kollegen dazu auf, auch die Filmfestspiele lahmzulegen. Mit Erfolg. Die Jury um den Vorsitzenden Roman Polanski (im feinen Weissen) liess die Party platzen.
Wollust, Völlerei, Hochmut: Auch mit «Das grosse Fressen» hatte die katholische Kirche ihre Probleme. Die Satire um einen feierlichen kollektiven Suizid durch übermässiges Essen rief vor allem aber bei Teilen der Zuschauer Ekelgefühle hervor, viele verliessen die Kinosäle. Trotzdem gab es für den Wettbewerbsfilm von 1973 den FIPRESCI-Kritikerpreis für die Hauptdarsteller und Regisseur Marco Ferreri (rechts).
Jean-Luc Godard war Mitte der 80er nicht mehr Revoluzzer der Studentenbewegung, sondern ein kommerziell durchaus erfolgreicher Filmemacher. Zu gewollt kommerziell, so die Meinung eines belgischen Kritikers, der seinen Protest 1985 in Form eines Tortenwurfs ausdrückte - mitten ins Gesicht Godards. Dieser blieb cool, leckte sich selbst die Sahne aus dem Gesicht und lobte die Aktion als «Hommage an die Stummfilm-Ära».
Da dürften durchaus die Fetzen fliegen, wenn sich diese beiden Herren an die Gurgel gehen. So geschehen 1992, mitten auf dem roten Teppich in Cannes. Die stierbenackten Dolph Lundgren und Jean-Claude Van Damme standen sich an der Croisette gegenüber, blickten sich so böse wie nur möglich an ...
... und schubsten sich sogar - etwas doller aber als hier 20 Jahre später bei einem gemeinsamen Promotion-Besuch in Madrid für «The Expandables 2». Tatsächlich wollten sich der Belgier (rechts) und sein schwedischer Kollege (links) allerdings nie etwas Böses. Man hatte mit «Universal Soldier» einen Film zu promoten. Eine etwas peinliche Inszenierung.
Als Harry S. Stamper rettete Bruce Willis (Mitte) die Erde vor einem Meteoriten-Einschlag. Wer sollte das auch sonst hinbekommen? Und Ben Affleck (Vierter von links) schwang sich als A.J. Frost zum neuen Posterboy Hollywoods auf. Michael Bays Katastrophen-Schnulze «Armageddon» war 1998 ein grosser Kassenerfolg ...
... doch verschmäht die französische «haute société» an der Croisette bekanntlich amerikanisches Popcornkino, bei der mehr Stars and Stripes zu sehen als sinnvolle Dialoge zu hören sind. Das Publikum brach teilweise in schallendes Gelächter aus, vor allem an den Herzschmerzstellen des Blockbusters. Der anwesende Bruce Willis, mit dem man sich normalerweise nicht anlegen sollte, beschwichtigte: Es sei nur eine Vorabversion des Filmes.
Regisseur Gaspar Noé (links) will es ja auch gar nicht anders: Sein Film «Irreversibel» mit dem inzwischen getrennten Ehepaar Monica Bellucci und Vincent Cassel in den Hauptrollen sorgte 2002 ebenfalls für einen Zuschauer-Eklat. Rund 250 Gäste verliessen beim ersten Screening den Kinosaal, 20 mussten gar ärztlich, teilweise mit Sauerstoffzufuhr versorgt werden. Das in wilden Kamerafahrten gezeigte Geschehen um die brutale Vergewaltigung einer Frau und dem anschliessenden Rachefeldzug ihres Mannes bekam nicht jedem.
Wackelige Kamera, ein nicht enden wollender Roadtrip, hanebüchene Dialoge und Schnitte. Und dann eben diese überlange Oralsex-Szene, die sich 2003 als grosses Highlight von «The Brown Bunny» präsentiert. Filmemacher Vincent Gallo, der auch Günstling des Blowjobs ist, musste für seinen zweiten Langfilm jede Menge Buhrufe ertragen. Und auch die Presse stimmte einhellig mit ein. Filmkritikerlegende Roger Ebert nannte das Gesehene den schlimmsten Beitrag, der je in Cannes gezeigt wurde, und lieferte sich mit dem Filmemacher noch weitere verbale Scharmützel.
Kommt es zum Thema Politik, sind sich Franzosen und Amerikaner selten einig. An der Croisette schmückt man sich deshalb gerne mit Andersdenkenden aus dem «Land of the Free». So verwundert es wenig, dass man 2004 liebend gerne dem spätestens unter der George-Bush-Regierung zur Persona non grata ausgerufenen Dokufilmer und Buchautor Michael Moore 2004 in Cannes eine grosse Bühne bereitete. Genauso wenig, dass dies am anderen Ende des Atlantiks zu mehr als nur Nasenrümpfen führte ...
Moores Auseinandersetzung mit der Wahl, der Einstellung und dem Arbeitsethos des damaligen US-Präsidenten in «Fahrenheit 9/11» erhielt über 20-minütige Ovationen und wurde von Jury-Vorsteher Quentin Tarantino mit dem Hauptpreis Palme d'Or bedacht. Dafür sprach, so die offizielle Erklärung, aber nicht (nur) die politische Message des Werks - die Moore in seiner Dankesrede nochmals ausführlich anklingen liess.
Natürlich war 2006 Nacktheit an der Croisette kein Skandal mehr wie noch in den 50er-Jahren. Doch Sacha Baron Cohens schiere Andeutung einer Badebekleidung war dann doch Anlass für - sicherlich nicht immer ernst gemeinte - Aufschreie rund um den Erdball. Der britische Comedian war in seiner Paraderolle zugegen, um «Borat» vorzustellen. Und sein Neon-Mankini machte sich wunderbar auf dem roten Teppich neben Abendkleid und Smoking. Die Komödie kam erst im folgenden Herbst in die Kinos. Bis dahin war der Anblick nicht mehr aus den Köpfen zu tilgen.
Keine Skandale-Galerie ohne Lars von Trier: Seinen wohl grössten Fehltritt respektive seine wohl erfolgreichste Selbstinszenierung gelang dem dänischen Regisseur definitiv 2011 in Cannes. Schwarzer Humor, Überheblichkeit und politische Inkorrektheit mögen sich beim Filmemacher immer wieder in hochgeschätzte Werke verwandeln, seine Äusserungen bei einer Pressekonferenz zu seinem Wettbewerbsbeitrag «Melancholia» zogen aber sogar rechtliche Konsequenzen nach sich ...
Unter anderem erklärte von Trier, sich in Adolf Hitler im Bunker während der drohenden Niederlage 1945 einfühlen zu können. Ausserdem sei er wohl ein Nazi, erklärte der heute 60-Jährige weiter. Von Trier wurde von den Filmfestspielen umgehend ausgeschlossen. Es folgten Beschwichtigungen und seine Ankündigung, nie mehr an Pressekonferenzen teilnehmen zu wollen. Später im Jahr vernahm die dänische Polizei den Übeltäter zum Fall, die «Rechtfertigung von Kriegsverbrechen» wurde dem Regisseur vorgeworfen. Die Anklage wurde jedoch später fallengelassen.
Dieses Jahr kehrt Lars von Trier ans Filmfestival zurück. Der Däne war vor sieben Jahren wegen seiner Nazi-Äusserungen zur Persona non grata erklärt worden. Nun aber hat das Filmfest das Enfant terrible aus der Verbannung geholt und mit «The House that Jack built» über einen Serienmörder ausser Konkurrenz eingeladen.
22 Filme von 22 Männern, so präsentierte sich der 65. Hauptwettbewerb von Cannes im Jahr 2012. «Frauen zeigen in Cannes ihr Gesicht, Männer ihre Filme», nannte sich deshalb ein Pamphlet der französischen Filmemacherinnen Coline Serreau (im Bild links), Virginie Despentes und Fanny Cottençon. Doch nicht nur die auf der Hand liegende Unausgewogenheit «männlicher» und «weiblicher» Filme in diesem Jahr, auch der Rückblick auf die Festival-Historie erzürnte die Damen. Denn in den 64 vorangegangen Jahren - übrigens auch bis heute - konnte nur eine Frau den Hauptpreis gewinnen: 1993 siegte die Neuseeländerin Jane Campion mit «Das Piano».
Auch 2015 erregte ein ähnliches Thema die Gemüter, doch diesmal abseits des Wettbewerbs. So wurden bei der Weltpremiere des Films «Carol» mehrere Frauen gebeten, den roten Teppich zu verlassen. Der einfache Grund: Sie hatten flache Schuhe an und wurden so der Cannes'schen Etikette nicht gerecht. Darunter seien auch ältere Frauen gewesen, die aus gesundheitlichen Gründen auf die hohen Hacken verzichteten. Die Hauptdarstellerinnen des Films, Rooney Mara (links) und Cate Blanchett, verdeckten ihr Schuhwerk indes gut. Die Festivalorganisation verteidigte plump, diese Regel gäbe es schon seit Jahren. «Heelgate» war geboren und waberte als kleiner Shitstorm durchs Netz.
Den ersten Skandal 2017 gab es bereits im Vorfeld: Die Cannes-Bosse mussten sich öffentlich für das Plakat rechtfertigen. Nicht weil es misslungen wäre, ganz im Gegenteil: Das rot getönte Bild einer tanzenden Claudia Cardinale aus dem Jahre 1959 ist ein äusserst schönes Motiv zum 70. Jubiläum. Nur wurde die italienische Schönheit auf dem Plakat nachweislich verschlankt.
Freilich ist es nur schwer erklärbar, warum man einer für ihre volle Weiblichkeit geliebten Leinwand-Legende mit Photoshop nachbearbeiten musste, um ihr Äusseres fragwürdigen Schönheitsidealen anzupassen. Cardinale selbst nahm dem Ganzen jedoch bereits Wind aus den Segeln: «Es gibt so viele wichtigere Dinge auf unserer Welt, die diskutiert werden sollten. Es ist doch nur Kino, lasst uns das nicht vergessen.»
Ob das Plakat auch dieses Jahr für Gesprächsstoff sorgen wird? Wohl kaum.
Doch auch dieses Jahr gabs schon im Vorfeld des Festivals in Cannes heftige Debatten. Mit einem Selfie-Verbot und der Abschaffung der Pressevisionierungen brüskiert Festivaldirektor Thierry Frémaux Publikum und Medienprofis gleichermassen.
Ein Konflikt mit Netflix eskalierte sogar so, dass es keine Filme des Streamingdienstes an der Croisette geben wird.
Am Dienstag, 8. Mai, wird das 71. Filmfestival in Cannes eröffnet. Wir schauen auf die grössten Aufreger an der Croisette zurück.
21 Filme konkurrieren dieses Jahr in Cannes um die Golden Palme. Doch noch viel interessanter als die Preisverleihung selbst ist doch eigentlich, was rundherum passiert. In der Bildergalerie zeigen wir Ihnen die grössten Skandale in 71 Jahren des Filmfestivals.
Lars von Trier, Spike Lee, «Star Wars»: Das bietet das Filmfest in Cannes
Lars von Trier, Spike Lee, «Star Wars»: Das bietet das Filmfest in Cannes
Das Schauspieler-Ehepaar Penélope Cruz und Javier Bardem spielt die Hauptrollen im Eröffnungsfilm «Everybody Knows» des Iraners Asghar Farh.
Penélope Cruz und Javier Bardem als Laura und Paco in «Everbody Knows».
Spike Lees hat seinen Film «BlacKkKlansman» im Gepäck, in dem Adam Driver und Denzel Washingtons Sohn John zu sehen sind.
Adam Driver (l.) als Flip Zimmerman und John David Washington, der Sohn von Denzel Washington, als Ron Stallworth in einer Szene von «BlacKkKLansman».
Der französisch-schweizerische Filmemacher Jean-Luc Godard steigt mit «Le livre d'images» ins Rennen um die Goldene Palme.
Emilia Clarke («Game of Thrones») wird im Blockbuster «Solo: A Star Wars Story» zu sehen sein, eines der grössten Spektakel am diesjährigen Filmfestival in Cannes.
Der junge Han Solo wird von Alden Ehrenreich (hier mit Chewbacca) gespielt.
Han Solo (Alden Ehrenreich) und Chewie geben im Film ordentlich Gas.
Und die beiden geben ein gutes Team ab, auch an der Bar.
Sieben Jahre war er nach seinen Nazi-Äusserungen persona non grata. Jetzt darf Lars von Trier wieder nach Cannes. Sein Film «The House that Jack built» läuft ausser Konkurrenz.
In Cannes laufen die letzten Vorbereitungen.
Im Eingangsbereich sieht es schon gut aus.
Wer in Cannes gewinnt, bekommt eine Goldene Palme. Hergestellt wird sie von den Juwelieren von Chopard in Genf.
So sieht sie aus, bevor sie vergoldet wird.
Noch ein letzter Schliff.
Und dann ist die Trophäe bereit, um von den Stars in Empfang genommen zu werden.
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