Robbie Williams in Netflix-Dok «Und plötzlich funktionierten meine Beine nicht mehr»

Von Lukas Rüttimann

15.11.2023

Schonungslos ehrlich: Robbie Williams in seiner neuen Netflix-Dok-Serie.
Schonungslos ehrlich: Robbie Williams in seiner neuen Netflix-Dok-Serie.
Bild: Netflix

Lohnen sich die vier Stunden Robbie Williams für Nicht-Fans? Sagen wir es so: Wer eine Bestätigung haben will, dass es einem Superstar genauso dreckig wie uns allen gehen kann, sollte die Netflix-Serie nicht verpassen.

Von Lukas Rüttimann

15.11.2023

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Das Leben von Popstar Robbie Williams ist Inhalt einer neuen Dok-Serie auf Netflix.
  • In vier einstündigen Episoden wird sein Leben von Take That bis zu seinen Solo-Erfolgen und dem jüngsten Comeback nachgezeichnet.
  • Die Serie ist vor allem Zeugnis der mentalen Probleme, die der Superstar als Folge seines frühen Erfolgs bis heute hat.
  • Seine Beziehung zur Schweiz bleibt in der Serie auf der Strecke.

Die Hosen hat er schon oft – auch auf der Bühne – runtergelassen. Doch so schonungslos ehrlich wie derzeit auf Netflix dürften Robbie Williams wohl noch nicht viele erlebt haben.

Dazu passt, dass sich der Superstar bei sich zu Hause auf seinem Bett in Unterhosen filmen lässt, während er für das Dok-Team unzählige Stunden Videomaterial aus den letzten 30 Jahren seines Popstar-Lebens sichtet.

«Ich bin ein Einsiedler», erklärt er. «Wenn ich nicht auf der Bühne stehe, bin ich in meinem Bett.»

Doch lohnt es sich überhaupt, sich die vier Stunden «Robbie Williams» anzutun? Zumal die britische Zeitung «The Guardian» schrieb, die Serie sei ein «grim watch» – ein deprimierendes Filmerlebnis?

Drogen, Pillen, mentale Zusammenbrüche

Tatsächlich ist die Netflix-Show vor allem Zeugnis über die Abgründe hinter der glamourösen Popstar-Fassade. Robbie Williams ist zwar schon immer offen mit seinen dunklen Seiten umgegangen; seine Abstürze waren und sind in der Presse wohldokumentiert. 

Doch weil der Sänger diesmal dabei gefilmt wird, während er sich die Stationen seines bewegten Lebens auf einem Laptop ansieht, erhält die Netflix-Dok eine brutale Nähe – und Authentizität.

In Unterhosen auf dem Bett: Der britische Musiker Robbie Williams in einer Szene der Miniserie «Robbie Williams».
In Unterhosen auf dem Bett: Der britische Musiker Robbie Williams in einer Szene der Miniserie «Robbie Williams».
Netflix/dpa

Die Alkohol- und Kokain-Phase nach seinem Take-That-Abgang, die anhaltende Panikattacke bei der ersten seiner beiden Mega-Shows in Leeds (die live am britischen TV übertragen wurden), die Stereoid-Spritzen als Muntermacher auf der Tour 2003, die Pillen, die zum Zusammenbruch und einer Einweisung in eine Reha-Klinik in seiner neuen Heimat Los Angeles führten – der Netflix-Vierteiler zeichnet das Bild einer gequälten Seele.

Wer Williams je für seinen Fame, seinen Erfolg bei den Frauen oder seinen Reichtum beneidet hat – nach dieser Show wird er oder sie es nicht mehr tun.

Robbie Williams haderte mit England und der Presse

Klar: Fans des britischen Entertainers dürften viele Ereignisse bekannt sein.

Doch weil die Kamera in der über 30-jährigen Karriere von Robbie Williams offenbar fast immer und oft auch in sehr persönlichen Momenten dabei war, erhält das Publikum einen ungemein intimen Einblick in ein Superstar-Leben zwischen Höhenflug und Depression.

Toll etwa die Aufnahmen aus seinen Ferien mit Ginger Spice Geri Halliwell, über die Williams sagt: «Auf diesen Bildern war ich glücklich – der einzige Moment von allen, die ihr mir bisher gezeigt habt». 

Quell seines Unglücks sind zum einen die Auswirkungen seines frühen Erfolgs, mit dem alle Take-That-Mitglieder zu kämpfen hatten. Zum anderen aber auch seine Unsicherheit, die durch die Presse vor allem in der Paparazzi-Hochphase um die Jahrtausendwende verstärkt wurde.

So sieht man den Star, wie er spöttische Schlagzeilen über sich in der «Sun» liest und spürt dabei förmlich, wie weh ihm diese tun. Und wie ihm die negativen Kritiken zu seinem sehr persönlichen Album «Rudebox» zusetzten – so sehr, dass er sich kaum mehr auf die Bühne traute.

Erschreckend auch Aufnahmen, bei denen er mit verschreibungspflichtigen Medikamenten so zugedröhnt ist, dass er sich selbst verletzte.

«Ich musste nachts auf die Toilette. Ich wollte aufstehen, doch plötzlich funktionierten meine Beine nicht mehr. Ich fiel kopfüber in den Lichtschalter an der Wand in meinem Badezimmer.»

Robbies Liebe zur Schweiz bleibt aussen vor

So ist die Netflix-Show über Robbie Williams oft mehr Horrorfilm als Hommage, den unglaublichen Erfolgen, dem Gekreische seiner vielen weiblichen Fans und den wunderschönen Locations zum Trotz.

Immerhin: Zum Schluss wird die Serie versöhnlich. Sie zeigt einen geläuterten Fast-50er als liebenden Vater und dankbaren Ehemann, dem auch karrieretechnisch ein Comeback gelungen ist.

Allerdings ist auch offensichtlich, dass – wohl der Familie zuliebe – gewisse Episoden in seinem Leben nur marginal gestreift wurden. Seine Aggressionen oder seine exzessive Groupie-Zeit in L.A. zum Beispiel wird nur mit einem kurzen Satz («Ich bin nicht der erste und nicht der letzte Popstar, der das macht») erwähnt. 

Auch die Schweiz ist kein Thema. Bekannt ist, dass  sich Williams zur Zeit seiner grössten Erfolge gern nach Zermatt zurückzog; inzwischen soll er sich in Gstaad sogar eine Bleibe suchen.

Doch die Ruhe der Schweizer Berge bleibt in «Robbie Williams» auf der Strecke. Zu viel Harmonie hätte dieser konsequent auf Psycho-Drama gebürsteten Dok-Serie wohl auch nicht gut getan.


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