Analyse Kann sich so die Zukunft der Smartphones entfalten?

Henning Steier, London

20.2.2019

Das Samsung Fold soll als faltbares Smartphone die Zukunft der Branche einläuten. Denn die Zeit drängt.

Das Galaxy Fold hat der heute von Samsung präsentierten S10er-Serie zweifellos die Schau gestohlen. Nicht ohne Grund, denn nicht nur die Techjournalistenwelt lechzt nach echten Innovationen. Im Herbst schon einmal kurz im Halbdunkel an der hauseigenen Entwicklerkonferenz gezeigt, wurde das Galaxy Fold nun ins gleissende Scheinwerferlicht gestellt

Das Fold hat einen zusätzlichen Bildschirm an der Aussenseite. Dieser hat eine Diagonale von 4,6-Zoll. Die beiden aufgeklappten Innendisplays kommen kombiniert auf 7,3 Zoll. Wie Justin Denison, Senior Vice President bei Samsung America, auf der Bühne in London sagte, bietet das Gerät App-Kontinuität: Man kann also beispielsweise Google Maps auf dem kleinen Bildschirm starten, es dann öffnen, und dann sieht man die Karte in Gross auf dem doppelten Innenbildschirm. 

Google Maps auf dem ausgeklappten Galaxy Fold
Google Maps auf dem ausgeklappten Galaxy Fold
Bild: PD

Das Gerät beherrscht auch 3-App-Multitasking. Man kann somit beispielsweise eine WhatsApp-Nachricht im Augenwinkel lesen, während man ein YouTube-Video schaut und googelt. All das benötigt leistungsstarke Hardware: 12 GByte RAM und 512 GByte RAM sind ebenso an Bord wie zwei Akkus. Diese leisten zusammen 4380 mAh. Das ist auf Augenhöhe mit aktuellen Spitzenmodellen.

Abzuwarten bleibt, ob das Galaxy Fold auch deren Laufzeiten von fast zwei Tagen bei durchschnittlicher Nutzung erreicht. Angesichts der Tatsache, dass der Bildschirm einer der grössten Akkufresser eines Smartphones ist, ist nicht davon auszugehen.  

Galaxy Fold in der Seitenansicht: Es ist fast so dick wie die Nintendo Switch.
Galaxy Fold in der Seitenansicht: Es ist fast so dick wie die Nintendo Switch.
Screenshot: PD

Umgerechnet 2'000 Franken kostet das Gerät. Aktuelle Top-Modelle sind für maximal 1'600 Franken zu haben. Vorbestellt werden kann es am 26. April. Erhältlich sein wird es ab 3. Mai. Auch in der Schweiz wird es dann verfügbar sein. Einen Schweizer Preis hat Samsung noch nicht genannt.

Faltbare Smartphones sind ein langgehegter Technikertraum. Schon 2008 zeigte Nokia, wie das Konzept Morph das Mobiltelefon hätte neu erfinden können. Bekanntlich sind die Finnen längst Geschichte, nur der Name lebt bei HMD Global fort.

Es war anderen Herstellern vergönnt, den Traum weiterzuträumen. Für Royole währte er wohl nur kurz. Der chinesische Hersteller preschte zwar mit dem FlexPai im November vor. Es fiel allerdings in den meisten Tests durch. Auch das Anfang 2018 lancierte ZTE Axon M verschwand wieder in der Versenkung. Es hat zwei Bildschirme, die sich verbinden lassen. Doch die Trennung in der Mitte ist nicht zu übersehen. Davon kann beim Galaxy Fold keine Rede sein.

Das ZTE Axon M kam in der Schweiz nicht offiziell auf den Markt. 
Das ZTE Axon M kam in der Schweiz nicht offiziell auf den Markt. 
Bild: PD

Stand heute setzt sich offenbar ein Knick in der vertikalen Mitte zur Faltung des Displays durch. Auch das kommende Huawei Mate Flex soll so gebaut sein.  

Rechts und links gefaltet

Xiaomi hat kürzlich in einem Video aber einen anderen Ansatz präsentiert: Teile des Displays werden links und rechts nach hinten gefaltet. Motorola hat ein Patent eingereicht, das eine Neuauflage des bekannten Klapphandys Razr ermöglichen würde. Die neue Version bestünde aber aus einem einzigen Display.

TCL, bisher vor allem als Retter darbender Marken wie Palm und Blackberry bekannt, arbeitet an diversen faltbaren Geräten. Eines soll wie ein Armband getragen werden könen. Energizer will wie Huawei am Mobile World Congress (MWC), der Ende Februar in Barcelona stattfindet, ein faltbares Smartphone zeigen.

Apple lässt sich Zeit

Und Apple? Arbeitet zudem zumindest theoretisch an einem faltbaren Smartphone. Ein bereits 2011 erstmals angemeldetes Patent wurde vergangene Woche aktualisiert. Es beschreibt ein in der Mitte zusammenklappbares Gerät. Wie ernsthaft diese Pläne wirklich sind, ist nicht bekannt. 

Welche Hersteller werden das Rennen machen? In jedem Fall jene, denen es gelingt, einen echten Zusatznutzen für die Geräte zu entwickeln. Können die Foldables also Tablets ersetzen, beispielsweise als Video und Gaming-Maschinen? Und wie stark wird sich der Unterschied zu Phablets, also Smartphones mit rund sechs Zoll Bildschirmdiagonale, im Alltag bemerkbar machen?  

Bekannte Apps

Justin Denison zeigte auf der Bühne bekannte Apps wie WhatsApp, Microsoft-Office, Netflix, Google Maps, YouTube und Facebook, die schon fürs Galaxy Fold optimiert worden sein sollen. Zumindest bei diesen war der Unterschied zum Phablet klar erkennbar, nicht nur beim eingangs erwähnten 3-App-Multitasking.

In jedem Fall stehen hohe technische Hürden dem Massenmarkterfolg im Weg: Wie können die Geräte einigermassen schlank und leicht werden? Wie gut würde Googles für Foldables angepasste Android-Version funktionieren? Werden noch viel mehr Entwickler bereit sein, ihre Apps für einen Nischenmarkt frühzeitig anzupassen? Oder steuert die Branche auf das Henne-Ei-Problem der virtuellen Realität zu? VR-Anwendungen haben sich nämlich auch nicht durchgesetzt, weil Entwickler auf Hardwarehersteller warteten und umgekehrt. 

Harzendes Geschäft

Klar ist: Die grossen Hersteller brauchen angesichts harzender Geschäfte Innovationen nötiger denn je. Denn Smartphones haben seit ein paar Jahren kaum noch Neuerungen zu verzeichnen, die geeignet wären, den Markt wieder so wachsen zu lassen wie noch vor ein paar Jahren. In Europa etwa ist der Smartphone-Absatz 2018 um vier Prozent auf 197 Millionen Geräte gesunken. 

Stichwort Massenmarkt: Am Ende steht die Frage, ob das Galaxy Fold angesichts des hohen Preises über ein Nischendasein hinauskommen wird. Early Adopter dürften auf jeden Fall zugreifen, denn es ist das erste Foldable, das diesen Namen verdient hat.

Fast wichtiger für 2019 dürfte daher ein anderes Smartphone sein, das Samsung heute vorgestellt hat: das Galaxy S10 5G. Denn angesichts der Möglichkeiten des neuen Netzes dürfte viele Kunden, die heute noch zufrieden mit ihren 4G-Geräten sind, auf ein Gerät der neuen Generation umsteigen. Die Wichtigkeit der S10er-Serie insgesamt zeigte sich übrigens auch daran, dass es an den Samsung-Events in London und San Francisco das Galaxy Fold nicht zu bestaunen gab – die Hands-on-Bereiche für Journalisten und Blogger waren trotzdem gut gefüllt. Es kann im Übrigen gut sein, dass Samsung das Fold am Mobile World Congress noch einmal gross auffahren und in die Hände der Tester geben wird. 

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