Der Klassiker in elektrischVW e-Golf im Test: Das vielleicht meist unterschätzte Elektroauto
Hans Fischer
30.7.2018
Es muss nicht immer Tesla sein. Auch den guten, alten Golf gibt es jetzt in einer Elektroversion. Nur ein umgebauter Verbrenner oder eine echte Alternative? Was der Golf in elektrisch taugt, zeigt der «Bluewin»-Test.
Wenn man über Elektomobilität diskutiert, fällt oft der Name Tesla – und damit auch die Meinung, dass Modelle von anderen Herstellern im Vergleich zu den Design-Elektroautos aus Kalifornien oft einfach hässlich aussehen oder günstig verarbeitet sind.
Ein Fahrzeug, das aber oft völlig in der Diskussion vergessen geht und nicht wahrgenommen wird, ist der VW e-Golf – ein modernes Elektroauto im altbekannten Kleid des VW Golf. «Bluewin» ist den e-Golf gefahren und erklärt, warum es das vielleicht meist unterschätzte Elektroauto der Welt ist:
e-Golf und Golf GTE – wo liegt der Unterschied?
Der VW Golf ist ein Klassiker unter den Autos und mittlerweile in der siebten Auflage. Ein Alleinstellungsmerkmal des Kompaktwagens vom Konzern aus Wolfsburg dürfte die Antriebsvielfalt sein — der Golf ist nämlich in fünf verschiedenen Motorvarianten erhältlich: Einerseits als Benziner und Diesel, aber auch als Erdgas-Version (TGI), als Hybrid (GTE) und reines Elektrofahrzeug, eben den VW e-Golf.
Der e-Golf wurde 2014 auf den Markt gebracht. Dieses erste Modell hatte eine Batterie mit 24.2 kWh Kapazität und der Elektromotor verfügte über 85kW (115 PS) Leistung. Die Reichweite nach dem damals üblichen NEFZ-Wert lag bei 190km. Der neue e-Golf, welcher seit Anfang 2017 verfügbar ist, hat eine grössere Batterie, die 35,8kWh umfasst und neu 136 PS auf die Räder bringt. Die Reichweite stieg durch den neuen Akku auf 300 km an.
Stimmt die Reichweitenangabe?
Lange war der NEFZ Fahrzyklus ein Mass für die Reichweite bei Elektroautos. Doch dieser Wert wich massiv von der Realität ab. Mittlerweile hat es sich eingebürgert, den sogenannten WLTP Zyklus für die Reichweitenangabe zu nutzen, da dieser realitätsnäher ist.
Für den neuen e-Golf wird eine Reichweite von 200 Kilometern nach WLTP angegeben. Dieser Wert ist ziemlich gut, im Fall des Autors betrug im Winter die minimale Fahrleistung bei einigen Graden unter dem Gefrierpunkt 170 - 180 Kilometer, um den Gefrierpunkt etwa 190. Von Frühling bis Herbst sind problemlos 240 km lange Fahrten möglich.
Nur ein umgebauter Verbrenner?
Der VW e-Golf hat von der Wahrnehmung her mit zwei Dingen zu kämpfen. Einerseits geht er bei Leuten, die sich wenig aktiv mit der Materie «Elektroauto» beschäftigen, vergessen. Man kennt den Golf als Verbrenner und viele kennen auch den GTE, die Hybrid-Version. Dass es eine Variante mit reinem Elektroantrieb gibt, stellen viele erst mit Erstaunen fest, wenn man es ihnen erzählt oder zeigt. Andererseits gibt es die gut informierten Leute, die den e-Golf zwar kennen, ihn aber einfach als «umgebauten Verbrenner» abstempeln. Das ist er auch und das versucht auch niemand zu verstecken, denn das gibt einige Vorteile:
Die reine optische Erscheinung des e-Golf lässt ihn kaum vom Modell mit Verbrennermotor unterscheiden – wieso auch? Der Golf hat sich über Generationen bewährt und ist eines der meistverkauften Autos weltweit, ihn mit Elektroantrieb anzubieten ist einfach die logische Konsequenz. Zudem ist der Innenraum hochwertig verarbeitet, etwas das man von VW kennt und erwarten darf.
Dass er kein konsequent umgesetztes Konzept eines Elektroautos ist, das ist klar. Erstaunlich ist aber, dass er in Vergleichstest immer zu den sparsamsten Modellen gehört und damit eben doch zu überzeugen vermag.
Wie fährt sich der VW e-Golf?
Elektroauto-Neulinge erschrecken sich immer etwas ob der immensen Power, die Elektroautos vom Start her auf die Räder bringen. Das hat mit dem Elektroantrieb zu tun, der über den gesamten Drehzahlbereich das hohe Drehmoment halten kann. Bei einem Verbrenner hat man das optimale Drehmoment bei einer bestimmten Drehzahl, daher auch ein Getriebe und Schaltung. All dies fällt bei Elektroautos weg, man gleitet leise und zügig davon. Das ist ein Fahrgefühl, an das man sich schnell gewöhnt. Zu schnell – denn wer einmal länger Elektroauto gefahren ist, der will nicht mehr auf ein herkömmliches Auto zurück.
Der e-Golf von VW hat zwei Fahrmodi, mit einem Zug nach unten am Schalthebel kann man diese wechseln. «D»steht dabei für Gleiten. Nimmt man den Fuss vom Pedal gleitet der Wagen einfach so dahin. In diesem Fall braucht er fast keine Energie, ideal auf der Autobahn oder Überland. Zusätzlich kann man mit Wippen nach links und rechts 3 Rekuperationsstufen wechseln. Dann gleitet der Wagen nicht, sondern verzögert und lädt dabei die Batterie.
Im Fahrmodus «B» ist diese Rekuperation am stärksten, nimmt man den Fuss vom Beschleunigungspedal, wird abgebremst. Dafür aber hat man in diesem Modus die Möglichkeit des sogenannten «One-Pedal-Drive». Das heisst, geübte Fahrer können im Stadtverkehr aufs Bremspedal verzichten, denn hebt man den Fuss vom Beschleuniger, wird verzögert bis zum Stillstand. Die Bremse wird nur noch selten gebraucht, ein schöner Nebeneffekt ist natürlich die Schonung der Bremsbeläge.
Pro und Contra
Das Active Infos Display hinter dem Lenkrad lässt etwas Spielraum für Einstellungen, so hat man die wichtigsten Infos immer im Blick. Das Genialste ist aber die Möglichkeit, die Navigationskarte zwischen den runden Anzeigeinstrumenten einzublenden. Damit blickt man beim Navigieren nicht immer nach rechts auf das mittige Display. Dieses fällt übrigens lobenswert gross aus und ist übersichtlich gestaltet. Der Fahrgastraum wirkt aufgeräumt und vertraut, auf den ersten Blick merkt man gar nicht, dass man in einem Elektroauto sitzt.
Nochmals positiv hervorheben möchte ich den Verbrauch. Von Frühling bis Herbst ist es problemlos möglich, den e-Golf mit 13-14 kWh pro 100 km zu bewegen. Sparfüchse fahren ihn gar zwischen 12 und 13 kWh. Damit gehört er zu den sparsamsten Elektroautos. Zum Vergleich: Die grössere Elektro-Limousine Tesla Model S kommt auf knapp 20 kWh pro 100 km, der Elektro-Geländewagen Tesla Model X auf rund 24 kWh.
Zwei negative Punkte sollte man auch erwähnen. Das verbaute Car-Net System, welches einem Zugriff über das Smartphone oder den Computer auf das Auto gewährt, ist grundsätzlich gut. Man kann einfach Ziele ans Auto schicken, Fahrdaten abfragen und vieles mehr. Leider ist das System nicht sonderlich stabil und hat öfters mal Ausfälle. Seit kurzem ist ein neues Firmware-Update aufgespielt, seither ist die Sache etwas stabiler.
Ebenfalls schade ist die Ladeleistung an AC-Wallboxen. Hier sind maximal 7,2 Kilowatt (kW) möglich, denn von einem dreiphasigen Anschluss nutzt der e-Golf nur deren zwei. Daheim über Nacht ist das überhaupt kein Problem, wäre der Akku leer, würde das Vollladen 5 Stunden dauern. Unterwegs ist das etwas mühsamer, da ist man dann auf schnelle Gleichstrom-Lader (DC), welche meist kostenpflichtig sind, angewiesen. Mit DC-Ladern liegt dann eine Ladegeschwindigkeit von bis zu 40 Kilowatt drin, wonach eine Vollladung rund eine Stunde dauert.
Fazit
Der VW e-Golf ist definitiv ein gelungenes Elektroauto, welches zwar auf einem Verbrenner-Design basiert, aber trotzdem mit niedrigem Verbrauch und Fahrkomfort punkten kann. Das sind sicher auch Gründe, warum der e-Golf in der Schweiz und Deutschland kaum mehr erhältlich ist und VW die Tagesproduktionsmenge gerade eben angehoben hat. Im März hatte man von 36 auf 72 Stück hochgeschraubt, jetzt will man 160 Stück täglich produzieren. Die Nachfrage scheint nach wie vor hoch zu sein.
Ein Auto, das funktioniert, optisch keine Experimente macht und preislich auf dem Niveau eines vergleichbaren Diesel derselben Ausstattung liegt. Bis die VW I.D. Modelle 2020 auf den Markt kommen, dürfte der e-Golf noch manchen Kunden zufriedenstellen.
Das sind die erfolgreichsten Elektroauto-Marken weltweit
Immer mehr Autos mit Elektro-Antrieb rollen auf unsere Strassen. Wir präsentieren in dieser Galerie die derzeit erfolgreichsten Elektroauto-Marken im Countdown:
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Platz 10: Wenn man den Namen «Volkswagen» hört, denkt man nicht als erstes an saubere Autos. Aber für den deutschen Auto-Giganten reicht es immerhin für Platz 10 unter den Elektroauto-Herstellern:
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Erfolgreichstes Elektroauto aus Wolfsburg ist der E-Golf.
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Auch Platz 9 geht an einen etablierten Autohersteller: Renault, mit 26'519 in 2017 verkauften Autos.
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Der Renault Zoe ist mit 21'859 Verkäufen für einen Grossteil des Erfolgs verantwortlich.
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Der chinesische Hersteller Zhidou landet auf Platz 8, mit 27'532 verkauften Elektroautos seines einzigen Modells, dem D2 EV.
Bild: Zhidou
Mit 31'699 abgesetzten Elektroautos schafft Chevrolet auf den 7. Platz.
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Der Chevy Volt verkaufte sich 17'444 Mal und ist damit für knapp die Hälfte von Chevrolets Elektroumstz verantwortlich.
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Toyota setzte in 2017 bisher 35'162 Elektroautos ab. Das reicht für Platz 6.
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Mit 35'109 verkauften Exemplaren entfallen quasi alle Verkäufe auf den Prius Prime PHV.
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Auf Platz 5: Nissan mit 36'728 Verkäufen.
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Die überragende Mehrheit davon entfällt auf den Nissan Leaf, mit 33'455 Kunden.
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In Europa ziemlich unbekannt ist BAIC auf Platz 4, das 44'227 Elektroautos absetzte.
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BAICs erfolgreichste Modellreihe ist die E-Series, mit 28'733 Verkäufen.
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Der erfolgreichste traditonelle Auto-Hersteller im Elektro-Markt ist BMW auf Platz 3, mit 55'683 Verkäufen.
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Am meisten Glück haben die Bayern mit dem BMW i3, das 20'531 mal verkauft wurde.
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Nur ganz knapp den Spitzenplatz verpasst hat das chinesische Unternehmen BYD mit 57'288 Verkäufen.
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Erfolgreichstes Modell ist der BYD Song PHEV mit 16'101 Verkäufen.
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Ganz vorne landet der Elektroauto-Pionier Tesla mit 59'263 Verkäufen.
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Tesla hat ausschliesslich Elektroautos in seinem Portfolio. Die Top-Seller bisher sind Model S (Bild) und Model X, doch für 2018 setzt das Mittelklasse-Modell «Model 3» zum Überholen an.
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Zum Autor: Hans Fischer ist ausgebildeter Elektroingenieur und nach Jahren in der Hardware-Entwicklung nun für die Geschäftsentwicklung eines grossen Schweizer Onlinehändlers zuständig. Seit mehr als 8 Jahren führt er den populären Schweizer Blog Technikblog.ch. Für «Bluewin» schreibt Hans über Elektromobilität.
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