Ist Apple schuld?Tumblr künftig ohne Sex: Das Ende der freien Liebe auf Social Media
dj
4.12.2018
Die Microblogging-Plattform Tumblr verbietet pornografische Inhalte vollständig. Ist Social Media inzwischen zu prüde geworden – und ist gar Apple daran schuld?
Tumblr führt eher ein Nischendasein unter den Social Media-Plattformen: Die Microblogging-Seite zog schon immer eher kreativ veranlagte Nutzer an, deren Kommunikation zu grossen Teilen in Gedichten, GIFs oder Memes vonstatten geht.
Mit einer Änderung der Nutzungsbestimmungen könnte Tumblr aber seine Besonderheit verlieren und zu einer 08/15-Plattform werden, befürchten Nutzer. Denn ab dem 17. Dezember werden «Erwachseneninhalte» von der Plattform verbannt, wie Tumblr mitteilt.
Zu diesen Erwachseneninhalten gehören neben Pornografie etwa «entblösste weibliche Brustwarzen», wie es wörtlich in den neuen Community-Richtlinien heisst. Ausnahmen soll es für Nacktheit geben, die im Rahmen einer medizinischen Behandlung oder des Stillen gezeigt wird. Dass die grösstenteils automatische Filtersoftware aber in der Lage sein wird, diese Situationen zu erkennen, darf bezweifelt werden.
Ein beträchtlicher Teil der Inhalts auf Tumblr bestand aus pornografischen Materialien. Um diese anzusehen, mussten Nutzer schon bisher aktiv Filter abschalten. Bei den Inhalten handelt es grösstenteils aber nicht um die «normalen» Pornos, wie man sie auf Seiten wie YouPorn oder Pornhub millionenfach findet.
Stattdessen blühte auf Tumblr unter anderem Fan-Kunst, bei der beispielsweise TV- oder Videosspielcharaktere in sexuellen Situationen gezeichnet werden. Auch Transgender-Personen oder Sexarbeiter nutzten Tumblr zur Selbstentfaltung.
«Für viele Jahre war [Tumblr] der einzige Ort, wo man Pornografie finden konnte, die uns darstellt und von unabhängigen Künstlern ausserhalb der oft rassistischen, transphobischen und fettphobischen Pornoindustrie gemacht wurde», so etwa die LGBTQ-Aktivistin Kitty Stryker zu motherboard.vice.com.
Laut Tumblr-CEO Jeff D’Onofrio sollen die Änderungen jedoch dazu beitragen, dass Tumblr «ein Ort wird, an dem sich alle entfalten können». Tumblr wurde 2013 von Yahoo aufgekauft, das wiederum seit 2017 zu Oath gehört, einer Tochter des US-Telekommunikationsgiganten Verizon . David Karp, der Tumblr 2007 als 20-jähriger gründete, verliess die Firma daraufhin.
Ein kleines Startup ist Tumblr also schon länger nicht mehr, sondern eine Abteilung eines Megakonzern. Das hat ihm nicht gut getan. Seit dem Aufkauf durch Yahoo geht es mit den Nutzerzahlen und Werbeeinnahmen stetig bergab, während ähnliche Plattformen wie etwa Instagram in diesem Zeitraum ein rapides Wachstum verzeichnen konnten.
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Der Pragser Wildsee in Südtirol ist aufgrund seiner Instagramability (Fototauglichkeit) längst zur Pilgerstätter der Instagramer geworden.
Bild: Getty Images / De Agostini Editorial
Als ein italienischer Blogger vergangenes Jahr einen Post über das Verzascatal veröffentlichte, erlebte das Tessiner Tal eine kaum zu bewältigende Besucherwelle.
Bild: Keystone / Pablo Gianinazzi
Einsam? Für dieses Bild auf der Felszunge Trolltunga über dem Ringedalsvatnet-See in Norwegen müssen Instagramer mittlerweile Schlange stehen.
Bild: Keystone / Anthony Anex
Der Tempel von Penataran Agung Lempuyang auf Bali ist ebenfalls ein beliebtes Fotomotiv auf Instagram.
Bild: Ulet Ifansasti/Getty Images
Entlegen und doch von Fototouristen überrannt: die Felsenstadt Petra in Jordanien.
Bild: Chris Jackson/Getty Images
Ist Apple schuld?
Neben der neuen Tumblr-Führung wird auch Apple für die Änderung der Nutzerbestimmungen mitverantwortlich gemacht. Vergangenen Monat verschwand die Tumblr-App mysteriös aus dem App Store für iOS — offenbar, weil kinderpornografisches Material in der App zu sehen war.
Das war natürlich auch schon vorher bei Tumblr verboten, aber durch die Filter geschlüpft. Die Änderung wird daher auch als voreilender Gehorsam gegenüber Apple angesehen, auf dessen Gutdünken Tumblr angewiesen ist.
Denn Apple kann aufgrund seiner Marktmacht die eigenen Moralvorstellungen auch auf Social Media-Plattformen anderer Anbieter durchsetzen. Schon Steve Jobs hatte 2010 gesagt, dass Menschen die Porno sehen wollen, sich doch ein Android-Smartphone kaufen sollten.
Nazis dürfen bleiben
Die Änderungen scheinen bei Nutzern grösstenteils auf Ablehnung zu stossen. Besonders gross ist die Wut auf Twitter — übrigens nun die letzte Mainstream-Plattform, auf der Pornografie noch erlaubt ist. Nutzer befürchten, dass Tumblr seine Einzigartigkeit verliert und wie viele anderen Social Media-Plattformen wird: Pornos nein, Nazis O.K.:
Tumblr being able to just ban all porn on their platform is fascinating because they show just how easily they could also choose to ban, for instance, Nazis.
Denn wie die «Washington Post» hervorhebt, lassen sich Nazi-Inhalte weiterhin problemlos auf Tumblr finden. Hierbei muss noch nicht mal ein Filter abgeschaltet werden.
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