Grün, teuer, lahm? Die grössten Mythen über Elektroautos aufgeklärt

Dirk Jacquemien / Pascal Landolt

11.3.2018

Die Elektro-Mobilität ist langfristig nicht aufzuhalten. Doch noch immer gibt es viele offene Fragen dazu. Zeit, sich einige Mythen genauer anzuschauen.

Je prominenter Elektroautos werden, desto mehr Fragen entstehen. Sind die nicht eigentlich viel teuer? Geht ihnen ein paar Kilometer hinter der Stadtgrenze der Schnauf aus? Und sind die eigentlich wirklich so umweltfreundlich, wie immer behauptet wird?

Mythos 1: Die Reichweite ist viel zu niedrig

Richtig ist, dass Elektroautos generell eine geringere Reichweite als konventionelle Benziner haben. Der BMW i3 kommt etwa auf knapp 200 Kilometer, die Standard-Variante des Tesla Model 3 auf knapp 300 km pro Akkuladung. Aber das reicht natürlich für den täglichen Weg zur Arbeit und zurück. Und da man das Auto dann bequem zuhause aufladen kann, kann man sich den wöchentlichen Trip zur Tankstelle sparen.

Bei längeren Reise kommt es auf die Destination an. Innerhalb der Schweiz ist das Elektrotankstellen-Netzwerk inzwischen so weit ausgebaut, dass man nirgendwo Angst haben muss, dass einem der Saft ausgeht. Auch in Mittel- und Nordeuropa ist es generell unproblematisch, Strom fürs Auto zu finden, nur in Südeuropa ist vor Reiseantritt etwas Planung angesagt.

Mit seinem «Mission E» will Porsche dieses Jahr voll in den Markt für Elektroautos einsteigen. Aber warum eigentlich? Was macht die Elektromobilität für traditionelle Autohersteller so attraktiv?
Mit seinem «Mission E» will Porsche dieses Jahr voll in den Markt für Elektroautos einsteigen. Aber warum eigentlich? Was macht die Elektromobilität für traditionelle Autohersteller so attraktiv?
Porsche

Mythos 2: Das Aufladen dauert ewig

Sicherlich ist das Tanken eines Benzinern schneller, hier hat man in wenigen Minuten wieder ein vollen Tank. Das dauert bei Elektrofahrzeugen deutlich länger. Wie lange, kommt auf das Modell an. Durch das oben erwähnte Aufladen zuhause stellt das aber nur auf Reisen ein wirkliches Thema dar.

Tesla-Besitzer sind hier gegenüber anderen Elektroautofahrern deutlich im Vorteil. Sie können das umfangreiche Supercharger-Netzwerk des Herstellers nutzen. Ein Model S bekommt an diesen Schnellladestationen etwa nach 30 Minuten Aufladen rund 270 km zusätzliche Reichweite.

Mythos 3: Der Akku ist schnell kaputt

Den häufigsten Kontakt mit wiederaufladbaren Akkus haben die meisten Menschen wohl heute über Ihr Smartphone. Und wie wir alle wissen, sieht es da mit der Kapazität nach zwei, drei Jahren meistens schlecht aus. Muss man also selbiges auch von Elektroautos erwarten?

Deren Akkus sind glücklicherweise deutlich hochwertiger. Mindestens zehn Jahre sollten sie durchhalten. Zudem ist das «Battery Management System» deutlich ausgeklügelter als in Smartphones. Und: Die Akkus haben noch eine potenzielle Zweitverwertung. Wenn sie nicht mehr genug Power fürs Auto liefern, kann man sie immer noch als Heimbatterie nutzen und mit Strom von den Solarzellen auf dem Dach versorgen.

Mythos 4: Elektroautos sind viel zu teurer

Die Anschaffungskosten liegen bei Elektroautos tatsächlich deutlich höher als bei konventionellen Fahrzeugen der selben Klasse. Je länger man das Fahrzeug nutzt, desto näher kommen sich die Kosten. Denn vor allem der Strom ist deutlich günstiger als Treibstoff, zudem fallen in der Regel niedrige Reparaturkosten an, da Elektromotoren weniger Verschleiss haben.

In manchen, aber längst nicht allen, Kantonen entfällt für Elektroautos zudem die Strassensteuer. Alleine dadurch lassen sich über die Lebenszeit eines Autos mehrere tausend Franken sparen. Auch beim Wiederverkaufswert dürften Elektrofahrzeuge im Vorteil liegen.

In Bildern: Die Highlights des 88. Autosalons in Genf

Mythos 5: Ein Elektroauto ist gut für die Umwelt

Das stimmt nicht uneingeschränkt. Es beginnt bereits bei der Produktion, die natürlich Ressourcen verbraucht. Hier sind Elektrofahrzeuge sogar besonders anspruchsvoll, denn vor allem die Batterie besteht aus Komponenten, die in Minen unter teilweise fragwürdigen Konditionen abgebaut werden müssen, wie Nickel oder Lithium. Zum Zeitpunkt, als es aus der Fabrik rollt, hat ein Elektroauto also leicht mehr Ressourcen verschluckt als ein konventionelles Fahrzeug. Dieses Verhältnis dreht sich allerdings schnell um.

Dass Elektroautos an ihrem Einsatzort keine Emissionen abgeben, stimmt natürlich. Das ist zweifellos ein Vorteil, denn Autos fahren in der Regel dort, wo besonders viele Menschen wohnen die von Abgasen in ihrer Gesundheit gefährdet werden können.

Stattdessen verlagern sich die Emissionen an den Ort, an dem der Strom produziert wird. Aber auch in der Gesamtbetrachtung sind Elektrofahrzeuge klar umweltschonender. Das gilt besonders in der Schweiz, denn wir haben im Vergleich zu unserem Nachbarländern einen besonders nachhaltigen Energiemix. So wird in der Schweiz quasi kein Kohlestrom verbraucht, in Deutschland liegt sein Anteil hingegen noch bei knapp 40 Prozent. Aber selbst dort werden durch die Nutzung eines Elektrofahrzeug deutlich weniger CO2-Emissionen freigesetzt als bei vergleichbaren Benzinern. Und bei einem Elektroauto hat man natürlich die Option, es nur mit Ökostrom aufzuladen um den negativen Umwelteinfluss des Autofahrens fast komplett zu eliminieren.

Mythos 6: Elektroautos sind zu lahm

«Diese Öko-Dinger sind doch gar keine richtigen Autos, die gleiten doch nur still und leise auf der rechten Spur entlang, während echte Männer mit ihren dicken Maschinen links vorbeirauschen»: Dieser Eindruck ist immer noch weit verbreitet und so ist es kein Zufall, dass gerade Tesla in den Werbematerialen zu seinen Fahrzeugen die Beschleunigung prominent anpreist.

In der Spitzen-Ausstattung schafft etwa es ein Model S in 2,7 Sekunden von Null auf Hundert km/h. Nicht, dass man diese Beschleunigung im Alltag braucht, aber mit solchen Elektrofahrzeugen zieht man an jedem Benziner vorbei. Auch ist das Drehmoment von Elektroautos aus dem Stand den klassischen Verbrennermotoren überlegen. Dass diese Leistung auch über längere Zeit aufrecht erhalten werden kann, auch wenn die Akkus warm werden, daran arbeitet momentan Porsche mit seinem «Mission E».

Mythos 7: Elektroautos sind gefährlich

Berichte über explodierende Batterien in Flugzeugen und Smartphones finden sich immer wieder und verunsichern natürlich. Sicherlich können nach einem schweren Unfall auch Batterien in Elektroautos in Brand geraten, aber das gilt umso mehr für Benzintanks. Letztere haben eine deutlich höhere Feuergefahr. Benzinauto-Brände werden allerdings in den Medien nicht so breitgetrampelt wie wenn ein Elektroauto Feuer fängt.

Akkus von Elektroautos haben zudem keine giftigen Materialien verbaut, auch seltene Erden finden sich in Tesla-Akkus nicht, wie die Firma bestätigt. Elektrische Schocks braucht man auch nicht zu befürchten, da sich das Bordnetz von E-Autos im Falle eines Unfalls selber herunterfährt.

Nun sind Elektroautos auch besonders leise, andere Verkehrsteilnehmer können sie dadurch schlechter wahrnehmen und die Unfallgefahr steigt. Das ist der gleiche Vorwurf, der etwa auch modernen Trams gemacht wird. Hier ist tatsächlich mehr Vorsicht im Verkehr angebracht und eine geringe Lärmbelästigung erhöht ja gleichzeitig auch die Lebensqualität von Anwohnern.

Hinweis: Eine der Quellen für diesen Text ist das Dossier «Mythbuster Elektromobilität», das vom Schweizer Martin Rotta zusammengestellt wurde. Rotta ist ausgebildeter Geograf, doziert an einer Kantonsschule und fährt seit drei Jahren begeistert elektrisch. Momentan ist er mit seinem Occasions- Tesla Model S gerade auf Tour durch den Balkan. Wer das ausführliche Dokument ganz lesen möchte, findet es unter diesem Link.

Wie funktioniert der Autopilot von Tesla?

Die Schweiz erhält ein Schnellladenetz für Elektroautos

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