Oase für Krypto-Flüchtige Island erlebt durch Bitcoin-Boom einen neuen Goldrausch

Egill Bjarnason, AP

12.2.2018

Island wird im kommenden Jahr mehr Energie für das Erstellen von Bitcoins und anderen virtuellen Währungen aufwenden als für die Stromversorgung der privaten Haushalte. Nicht alle sind davon begeistert.

Die kühle Witterung und die massenhaft verfügbaren erneuerbaren Energien haben Island in den vergangenen Monaten zum Eldorado für Bitcoin-Unternehmen gemacht. Für die Schaffung der boomenden virtuellen Währung - das sogenannte Bitcoin Mining - sind enorme Rechnerleistungen nötig, die viel Strom benötigen. Weil Island ein perfekter Standort für die Gewinnung von Energie aus Wind und Erdwärme ist, haben sich dort zahlreiche Bitcoin-Unternehmen niedergelassen.   

Das unvermittelte Wachstum dieser neuen Industrie hat den Abgeordneten Smári McCarthy von der Piratenpartei auf den Plan gerufen. Er schlägt vor, die Gewinne der Bitcoin-Miner (deutsch: Bitcoin-Schürfer) zu besteuern. Die Initiative stösst bei vielen Isländern auf offene Ohren, ist man dort nach dem Banken-Crash im Jahr 2008 doch sehr skeptisch, was spekulative Finanzgeschäfte betrifft.

«Unter normalen Umständen zahlen Unternehmen, die Werte in Island produzieren, einen bestimmten Steuersatz an die Regierung», sagt McCarthy. «Diese Unternehmen tun das nicht, und wir sollten uns fragen, ob sie das tun sollten.»

Hoher Energieverbrauch beim Bitcoin-Mining

Um Bitcoins zu erstellen, müssen Computer komplexe Berechnungen durchführen, mit denen die Bewegungen der virtuellen Währung in aller Welt verifiziert werden. Als Gegenleistung erhalten die Miner einen Anteil des Bitcoins, bevor dieser in Umlauf geht. Je mehr Bitcoins in den Verkehr kommen, desto stärker müssen die Rechner sein, um mit dem Umlauf Schritt zu halten - Das bedeutet einen steigenden Energieverbrauch.

Der ruhige Küstenort Keflavík auf der einsamen Südhalbinsel des Landes ist in den vergangenen Monaten zu einem internationalen Drehkreuz für die Erzeuger von Bitcoins und anderer virtueller Währungen geworden. Die Fischer, die an der Tankstelle des Hafens bei einer Tasse Kaffee zusammensitzen, staunen über die überdimensionalen Bauwerke, die am Rande des Ortes entstanden sind.

Diese Probleme muss Bitcoin jetzt lösen:

Angezogen von erneuerbaren Energien

Ein besonderer Anreiz dafür, dort am Rande des Polarkreises nach Bitcoins zu schürfen, sind die natürliche Kühlung für die Server und der attraktive Preis für erneuerbare Energien, die es in Island im Überfluss gibt. Johann Snorri Sigurbergsson, Manager des Energieunternehmens Hitaveita Sudurnesja, erwartet, dass das Schürfen nach Bitcoins Islands Energieverbrauch dieses Jahr auf einen Wert von 100 Megawatt verdoppeln wird. Das ist nach Angaben der isländischen Energiebehörde mehr, als die privaten Haushalte der Insel mit ihren 340 000 Einwohnern verbrauchen.

«Noch vor vier Monaten hätte ich diesen Trend nicht vorausgesehen», sagt er. «Aber dann gingen die Bitcoins durch die Decke.» Es gebe eine Menge Anfragen. «Erst heute hatte ich ein Treffen mit einem Bitcoin-Unternehmen, das 18 Megawatt beziehen möchte.»

Natürliche Kühlung

Das grösste der bislang drei aktiven Bitcoin-Unternehmen in Keflavík heisst «Mjölnir», benannt nach dem Hammer des nordischen Gottes Thor. Hohe Metallzäune umgeben das grosse Gebäude, in dem die Computertürme stehen. Es wurde so konstruiert, dass der konstante Wind auf der kahlen Halbinsel genutzt wird. Die Mauern sind teilweise offen, so dass die kalte Aussenluft die Rechner kühlen kann.

«Was wir hier machen, ist wie Goldschürfen», sagt Helmut Rauth, Manager des grossen, in Deutschland gegründeten Bitcoin-Unternehmens Genesis Mininig. «Wir schürfen in grossem Umfang und bekommen das Gold von den Leuten.» 2014 ging Genesis Mining nach Island, als sich der Kurs für einen Bitcoin zwischen 350 und 1000 Dollar bewegte. Heute liegt der Wert eines Bitcoins um die 8000 Dollar, im vergangenen Dezember waren es sogar 19’500 Dollar. Doch der Kurs fiel, als China im Januar erklärte, man werde seine heimische Bitcoin-Mining-Industrie einstellen, weil sie so viel Energie verbrauche.

Sollen Miner Steuern zahlen?

Rauth findet nicht, dass Bitcoins mit einer Umweltsteuer belegt werden sollten. Computer benötigten immer Energie, sagt er. «Wie viel Energie wird für Kreditkartenzahlungen oder Internetrecherchen verbraucht? Kryptowährungen haben den gleichen globalen Einfluss», argumentiert er.

In der Hauptstadt Reykjavík ist man da skeptischer. Das letzte Mal, dass Island ein Drehkreuz für Finanzmärkte war, endete 2008 mit einem gigantischen Bankencrash. In der Folge entstand die Piratenpartei, die derzeit rund zehn Prozent der Sitze im isländischen Parlament hält.

Der Abgeordnete McCarthy stellt den Wert des Bitcoin Minings für die isländische Wirtschaft in Frage. Man sollte erwägen, die aufstrebende Industrie zu regulieren und zu besteuern. «Wir verbrauchen Dutzende, vielleicht sogar Hunderte von Megawatt für die Produktion von etwas, das weder greifbar ist, noch einen wirklichen Nutzen für Menschen hat, die sich ausserhalb des Reichs der Finanzspekulationen bewegen», sagt er. «Das kann nicht gut sein.»

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