Nach zwei Jahren kaputtWenn Elektro-Geräte nach zwei Jahren plötzlich den Geist aufgeben
dj
15.6.2018
Woran liegt es, dass so viel Technik so schnell schrottreif ist? Bauen die Hersteller gar ein «Verfallsdatum» in ihre Produkte ein? Eine Übersicht über Elektrogeräte, Schrott und Gesetze.
Was ist geplante Obsoleszenz? Hierbei wird ein Produkt mit Absicht so hergestellt, dass es nach einer bestimmen Zeit nicht mehr gebrauchsfähig ist, obwohl es es noch sein könnte. Die geplante Obsoleszenz muss dabei aber einen nicht ganz einfachen Spagat schaffen:
Denn das Produkt muss länger als die Gewährleistungsfrist durchhalten und so lange, dass der Käufer denkt, er habe ein nützliches Produkt erworben. Denn nur in diesem Fall wird er bei der nötigen Neuanschaffung wieder den gleichen Hersteller in Betracht ziehen.
Wie weit verbreitet ist also die geplante Obsoleszenz? Gibt es sie überhaupt oder ist sie nur Mythos der entsteht, wenn unsere Geräte scheinbar ohne Grund den Geist aufgeben? Dem wollen wir auf den Grund gehen:
Schon seit 100 Jahren bekannt: Selbstzerstörung
Geplante Obsoleszenz ist ein fester Bestandteil der Tech-Geschichte, wie ein hundert Jahre altes Beispiel zeigt. Im frühen Elektrizitätszeitalter Ende des 19. Jahrhunderts waren die Stromfirmen noch selbst für die Glühbirnen zuständig: Gingen diese kaputt, mussten sie auf eigenen Kosten einen Techniker zur Wohnung des Kunden schicken, um den Austausch vorzunehmen. Also gab es natürlich ein offensichtliches Interesse daran, besonders langlebige Glühbirnen zu produzieren.
Später wurde die Verantwortung für den Austausch von Glühbirnen auf die Kunden übertragen und hier kam das Phoebuskartell ins Spiel. Es wurde 1924 in Genf gegründet, zu seinen Mitgliedern zählten die führenden Glühbirnenherstellern der Zeit, unter anderem General Electric und Osram.
Erst zwanzig Jahre später kam heraus: Die Mitglieder des Kartells hatten sich darauf geeinigt, dass ihre Glühlampen nach knapp 1000 Stunden Betrieb den Geist aufgeben sollten. Bei durchschnittlichem Gebrauch musste eine Glühbirne also knapp jedes halbe Jahr ausgetauscht werden - ein lohnendes Geschäft für die Hersteller.
Woran erkannt man eine geplante Schwachstelle?
Heutzutage ist geplante Obsoleszenz leider nicht mehr so einfach zu erkennen. Denn selten ist es nachvollziehbar, ob die Todesursache eines Produktes normaler Verschleiss oder etwas ominöseres ist.
Verwenden Hersteller billige Komponenten, um die Produktionskosten zu senken oder um gezielt eine baldige Obsoleszenz herbeizuführen? Unabhängig vom Motiv, und hier kann sicherlich beides gleichzeitig vorliegen, ist das Resultat für den Verbraucher das gleiche.
Das macht es allerdings schwierig, Herstellern in konkreten Fällen die geplante Obsoleszenz nachzuweisen. Frankreich versucht es trotzdem und hat 2015 ein Gesetz erlassen, das es verbietet, die Lebensdauer von Geräten künstlich zu verkürzen. Als Strafe drohen Bussen bis zu 5% des Jahresumsatzes und sogar bis zu 2 Jahre Haft für die Verantwortlichen.
Das Problem bei der Durchsetzung des Gesetzes ist jedoch, dass es fast immer eine plausible alternative Erklärung gibt und der Vorsatz schwer nachzuweisen ist. Denn anderes als beim Phoebuskartell finden sich selten inkriminierende Dokumente.
Aktuelle Beispiele für Schwarze Schafe:
Als geplante Obsoleszenz kann noch viel mehr gelten, als das simple Nicht-Funktionieren eines Produktes. Folgende Beispiele könnten etwa auch dazu zählen:
Druckertinte
Klar, Tinte ist ein Verbrauchsprodukt: Wenn sie leer ist, ist sie leer. Doch fast alle modernen Tintenpatronen sind mit einem Mikrochip ausgestattet. Dieser teilt dem Drucker mit, wenn er eine Patrone nicht mehr verwenden soll. In der Regel zählt der Chip dabei die gedruckten Seiten und macht nach einer bestimmten Zahl Schluss. Dann kann die Tinte leer sein, muss sie aber nicht.
Trotzdem lässt sich die Patrone nicht mehr verwenden. Ein einfaches Auffüllen ist auch nicht möglich, da der Chip ja dem Drucker vortäuscht, die Patrone sei leer. Deshalb wurde in Frankreich unter dem erwähnten Gesetz ein Verfahren gegen den Druckerhersteller Epson eingeleitet.
Reparatur nicht erwünscht
Viele Produkte werden so entworfen, dass Reparaturen von Verbrauchern entweder nicht durchführbar sind oder unwirtschaftlich gemacht werden. Beispiel Apple: Alle Produkte des Unternehmens werden mit nicht standardmässigen Schrauben verschlossen. Zum Öffnen muss man also zunächst einen speziellen Schraubenzieher kaufen, eine eigentlich völlige unnötige Investition. Dann sind Bestandteile auch immer mehr fest aneinander geschweisst, so dass der Austausch einer defekten Komponente nicht oder nur mit hohen Fachwissen möglich.
Software mit Ablaufdatum
Viele Software-Produkte bekommen regelmässige neue Versionen, die dann wieder erneut erworben werden müssen. Paradebeispiel ist hier sicherlich das Office-Paket von Microsoft. Dass für Software mit neuen Features auch wieder neu Geld verlangt wird, ist durchaus legitim.
Aber: In vielen Fällen endet mit einer neuen Softwareversion auch die Unterstützung des Vorgängers. Wenn Hersteller für ältere Versionen dann keine Sicherheitsupdates mehr bereitstellen, wird die Software unsicher und damit de facto unbenutzbar. Denn ein eigentlich noch völlig für die eigenen Bedürfnisse ausreichendes Produkt kann man nur noch verwenden, indem man den ganzen Computer und die eigenen Daten ungewissen Gefahren aussetzt. Ein unmögliches Dilemma für Nutzer.
Unter der Lupe: Die Firma «Réalise» in Genf kümmert sich um ausgemusterte Smartphones.
Bild: Mark Henley
Die von Swisscom gesammelten Mobiltelefone werden von den Mitarbeitern der Ausbildungsfirma «Réalise» in Genf sortiert und wiederaufbereitet.
Vor der technischen Prüfung wird jedes Gerät gründlich gereinigt.
Bild: Mark Henley
Die Techniker von «Réalise» löschen die persönlichen Daten von jedem einzelnen Smartphone.
Bild: Mark Henley
Auch die Funktionstüchtigkeit der Batterien wird kontrolliert.
Bild: Mark Henley
Massimo versorgt wiederaufbereitete Smartphones, die vor dem Verkauf neu verpackt werden.
Bild: Mark Henley
Die von der Firma RS Switzerland wiederaufbereiteten Telefone werden mit neuem Zubehör sowie einer zwölfmonatigen Garantie ausgestattet.
Bild: Mark Henley
Assan an seinem Arbeitsplatz bei «Réalise» in Genf am 17. Januar 2018.
Bild: Mark Henley
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