Streit um AndroidEU büsst Google wegen Android mit Rekordstrafe: Was nützt das?
dpa/sda/pal
18.7.2018
EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager lässt Google nicht vom Haken: Nach einer ersten Rekordstrafe von 2,42 Milliarden Franken soll der Internet-Konzern im Verfahren um das Android-System noch einmal deutlich mehr bezahlen. Firmenchef Sundar Pichai will den Entscheid anfechten.
Die EU-Kommission verhängt gegen Google wegen des Missbrauchs der Marktmacht beim Smartphone-System Android eine Rekordstrafe in Höhe von 4,34 Milliarden Euro, umgerechnet rund 5 Milliarden Franken. Zu diesem Urteil kamen die europäischen Wettbewerbshüter am Mittwoch in Brüssel.
Der US-Konzern hat die Entscheidung vor der EU-Justiz bereits angefochten, dazu hat Google-CEO Sundar Pichai am Mittwoch Nachmittag einen erklärenden Blog-Post veröffentlicht, den «Bluewin» etwas weiter unten in diesem Text genauer beleuchtet.
Google alter und neuer Rekordhalter
Es ist die bisher höchste Kartellstrafe aus Brüssel für ein einzelnes Unternehmen. Google war auch der vorherige Rekordhalter im Verfahren um die Shopping-Suche im vergangenen Jahr mit gut 2,4 Milliarden Euro.
Laut Medienberichten will die Kommission neben der Milliarden-Strafe auch Änderungen an Googles Geschäftsmodell bei Android durchsetzen.
Streit um Android
Android ist das meistbenutzte Smartphone-System der Welt. Die Software bringt in Europa laut Marktforschern rund 80 Prozent der derzeit verkauften Computer-Telefone zum Laufen. Die Kommission hatte das Android-Verfahren im April 2015 aufgenommen und dem Internet-Riesen ein Jahr später den Missbrauch einer marktbeherrschenden Position vorgeworfen. Google und der Mutterkonzern Alphabet weisen die Vorwürfe zurück.
Android wird bei Google entwickelt, ist kostenlos für Geräte-Hersteller und kann von ihnen auch abgewandelt werden. Aber es gibt Einschränkungen, wenn sie Google-Apps wie GMail oder Maps auf die Geräte bringen.
Wie viel App muss sein?
Die Kommission stört sich unter anderem daran, dass Hersteller von Android-Smartphones, die Google-Dienste einbinden wollen, immer ein komplettes Paket aus elf Apps des Internet-Konzerns auf die Geräte bringen müssen. So kämen zum Beispiel auch Googles Browser Chrome und die Google-Suche auf die Geräte, selbst wenn ein Hersteller zum Beispiel nur die App-Plattform Play Store installieren wollen würde. Google kontert, ein Mindestangebot an Apps sei nötig, weil Nutzer Google-Dienste sonst nicht vernünftig einsetzen könnten.
Ausserdem kritisiert die Brüsseler Behörde die sogenannte «Anti-Fragmentierungs-Vereinbarung», gemäss der Anbieter von Geräten mit Google-Diensten nicht gleichzeitig auch Smartphones mit abgewandelten Android-Versionen verkaufen können. Der dritte Vorwurf der Kommission dreht sich darum, dass Google die Erlöse aus Werbung in der Such-App nur mit Geräte-Herstellern teile, wenn sie auf den Telefonen und Tablets Exklusivität geniesse.
Alles in allem sieht die Kommission in dem Vorgehen des Konzerns einen Versuch, die Marktposition seiner Online-Angebote auf Mobil-Geräten aud unfaire Weise gegen andere Dienste-Anbieter abzusichern.
Google-Chef Pichai schaltet sich ein
Nach bekanntgabe des Urteils schaltete sich auch der Google-Chef Sundar Pichai persönlich in die Diskussion ein. In einem Blogbeitrag nimmt er Stellung zur App-Situation auf Android. Dabei wird klar: Mit dem Urteil ist Google nicht einverstanden – der Internet-Konzern sieht sich als «die Guten».
Für Pichai bedeute das Google-Betriebssystem «mehr Auswahl» für die Kunden. Mit Android stehe eine Plattform für Smartphones zur Verfügung, auf der Millionen von Apps installiert werden können. Google sorge dafür, dass diese Programme mit den unterschiedlichsten Geräten kompatibel seien – egal, aus welchem Land der Hersteller komme. Das sei ein einzigartiger Service und treibe die Innovation im Smartphone-Bereich voran.
Es bleibe Google also nichts anderes übrig, als die Entscheidung der EU-Wettbewerbskommission anzufechten. Schliesslich sei es im Interesse aller Handy-Nutzer und -Hersteller, dass Google mit seinem Android-Ökosystem eine offene Plattform für die weitere Entwicklung der Branche biete. Diese freie Entwicklung werde durch das jetztige EU-Urteil gefährdet.
Nützt die Milliardenstrafe am Ende gar nichts?
Während die EU-Kommission hofft, Google mit der hohen Strafe zu einer Richtungsänderung in ihrer App-Politik zu bewegen, teilen viele Experten diese Hoffnung nicht. Das US-Medienportal «CNBC» zitiert beispielsweise Gary Reback, den Anwalt, der das Verfahren gegen Microsoft im Jahre 2002 mit aufgegleist hatte, mit der Einschätzung, es sei eventuell schon zu spät für Massnahmen.
Die Nutzer in der EU hätten sich bereits an die Google-Dienste gewöhnt und seien de Facto auf die Plattformen wie Google Photos, GMail, YouTube oder andere Angebote angewiesen. Ähnlich ist die Situation in den USA, wo Google-Apps fünf Plätze in den Top 10 der meistgenutzten Smartphone-Apps einnehmen.
Google-Apps sind also im europäischen Raum bereits etabliert und die Nutzer dürften sich diese auch dann nicht nehmen lassen dürften, wenn sie nicht bereits vor-installiert auf dem Smartphone daherkommen. Anders sieht es in anderen Teilen der Welt aus: Die grösste Chance für Anbieter von alternativen Apps sehen die Experten in den aufstrebenden Märkten in Indien, Afrika und Südostasien. Kämen Android-Handys nicht mit ab Werk installierten Apps, böte dies eine fairere Chance für Anbieter alternativer Dienste, ebenfalls zu Marktanteilen zu kommen.
Brüssel gegen Google: Drama in drei Akten
Das einzige relevante andere Mobil-Betriebssystem ist die iOS-Plattform von Apples iPhones. Konkurrenz-Systeme wie Microsofts Windows Phone oder die Blackberry-Software hatten den Wettbewerb verloren.
Mit der Ausbreitung der Smartphones wird die Nutzung von Onlinediensten wie der Internet-Suche oder der Videoplattform YouTube auf Mobilgeräten zu einer immer wichtigeren Erlösquelle für Google.
Mit 4,3 Milliarden Euro würde Google sogar mehr zahlen müssen als ein Lastwagen-Kartell mehrerer Hersteller, das mit 3,8 Milliarden Euro zur Kasse gebeten worden war. Das Geld aus Kartellstrafen geht in den EU-Haushalt - die Fälle gehen aber oft jahrelang durch Gerichtsinstanzen.
Der Android-Fall ist das zweite Brüsseler Kartellverfahren gegen Google nach der Shopping-Suche, in einem dritten geht es um den Dienst «AdSense for Search», bei dem andere Internetseiten Google-Suchmasken einbinden können. Unter anderem schränke der Konzern die Möglichkeiten dieser Anbieter ein, auch Werbung von Googles Rivalen anzuzeigen, befand die Kommission.
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