Frau verfolgte Luca Hänni zum «Donnschtig-Jass» So gehst du gegen Stalking vor

mmi

18.7.2023

Verfolgen, belästigen und auflauern gelten als typische Handlungen für Stalking.
Verfolgen, belästigen und auflauern gelten als typische Handlungen für Stalking.
IMAGO/Rolf Poss

Der Sänger Luca Hänni und seine Partnerin sind über Monate verfolgt und belästigt worden. Und sie sind damit nicht alleine. Was als Stalking gilt und was man als Betroffene oder Angehörige tun kann – die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Stalking ist in der Schweiz, anders als in vielen anderen Ländern Europas, kein einzelner Straftatbestand.
  • Opfer müssen vielmehr zivil- und strafrechtlich gegen die stalkende Person vorgehen.
  • Denn meist gibt es strafbare Handlungen (wie Diebstahl, Körperverletzung oder Sachbeschädigung) im Zusammenhang mit Stalking.

Dass eine Stalkerin den Schweizer Sänger Luca Hänni und dessen Partnerin Christina Luft so fest belästigt hat, dass sie während der Aufzeichnung der Fernsehsendung «Donnschtig-Jass» festgenommen wurde, hat für Aufsehen gesorgt.

Doch der Schweizer Sänger und seine Partnerin sind nicht die einzigen Opfer. Gemäss dem Eidgenössischen Büro für Gleichstellung von Mann und Frau komme Stalking häufiger vor als angenommen. Dabei seien Frauen stärker betroffen als Männer. 

Doch was kann man tun bei Stalking und was gilt überhaupt als Stalking? Die Antworten auf die wichtigsten Fragen liest du hier.

Was ist Stalking überhaupt?

Der englische Begriff «Stalken» hat sich als Begriff im deutschsprachigen Vokabular etabliert. Das Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention, Art. 34) definiert Stalking als «vorsätzliches Verhalten, das aus wiederholten Bedrohungen einer anderen Person besteht, die dazu führen, dass diese um ihre Sicherheit fürchten muss».

Doch eine allgemein gültige Definition von Stalking gibt es nicht – weder im wissenschaftlichen noch im juristischen Kontext. Das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Mann und Frau (EBG) erklärt dies mit Hinweis auf Studien damit, dass Stalking von Fall zu Fall unterschiedlich sein könne. Die Fachliteratur fasst unter Stalking ein «Bündel» oder «Konstellation» von Verhaltensweisen wie folgt zusammen: Einzelhandlungen, die für sich genommen harmlos erscheinen als auch eine Straftat darstellen können, werden durch die Kombination, Häufigkeit und Dauer über die Zeit zum Stalking. Und die Verhaltensweisen werden vom Opfer als unerwünscht und grenzverletzend wahrgenommen.

Was sind typische Handlungen von Stalking?

Gemäss der Fachstelle Schweizerische Kriminalprävention sind folgende Handlungen typisch für Stalking

Typische Stalking-Handlungen

  • Unerwünschte Kommunikation durch eine belästigend hohe Anzahl an E-Mails, SMS oder Briefen. Ständige Telefonanrufe zu jeder Tages- und Nachtzeit.
  • Beobachten und Auflauern des Opfers sowie Auskundschaften seines Tagesablaufs.
  • Ausfragen von und Kontaktaufnahme über Drittpersonen.
  • Stehlen und Lesen der Post des Opfers.
  • Falschbeschuldigungen, beispielsweise bei der Polizei oder beim Arbeitgeber.
  • Aufgabe von Bestellungen und Inseraten im Namen des Opfers, z. B. Sexangebote oder Todesanzeigen.
  • Unerwünschtes Zusenden von Geschenken, Beschimpfungen und Drohungen.
  • Eindringen in die Wohnräume des Opfers.
  • Beschädigung des Eigentums der Betroffenen.
  • Körperliche und sexuelle Angriffe.
  • Ausspionieren der Onlineaktivitäten der betroffenen Person.
  • Missbrauch sozialer Netzwerke zur Schädigung des Opfers, bspw. Erstellen von Fake-Profilen oder Veröffentlichung von privaten Informationen im Internet.

Was sind mögliche Ursachen für Stalking?

Diese Frage kann nicht pauschal beantwortet werden. Studien zeigen Tendenzen, dass die Tatperson beispielsweise aus Rache für empfundenes Unrecht (enttäuschte Liebe oder Kündigung des Arbeitsverhältnisses), aufgrund eines Beziehungswunschs, im Liebeswahn, aus Hass oder aus dem Drang heraus, das Opfer zu kontrollieren oder es zu einer Verhaltensänderung zu bewegen, stalken.

Manchmal verändert sich das Motiv der Tatperson im Laufe der Zeit. Allen Stalkerinnen und Stalkern gemein ist der Wunsch nach Aufmerksamkeit, der auf eine exzessive Art ausgelebt wird.

Stalking kommt in allen sozialen Schichten vor und betrifft Männer und Frauen. Gemäss dem Eidgenössischen Büro für Gleichstellung von Mann und Frau seien Frauen häufiger Opfer als Männer – offizielle Zahlen dazu gibt es nicht.

Wie ist die rechtliche Lage in der Schweiz?

Stalking gilt in der Schweiz bislang nicht als einzelner Straftatbestand. Aber auch wenn Stalking «als Ganzes» nicht angezeigt werden kann, bedeutet dies nicht, dass das Verhalten ungestraft bleibt. Grundsätzlich kann man zivil- und strafrechtlich gegen die stalkende Person vorgehen, denn oft sind die einzelnen Handlungen durchaus im Bereich des Strafbaren. 

Straftatbestände, die oft im Zusammenhang mit Stalking vorkommen

  • Körperverletzung (Art. 122 f. StGB) oder Tätlichkeiten (Art. 126 StGB)
  • Diebstahl (Art. 139 StGB) oder Sachbeschädigung (Art. 144 StGB)
  • Ehrverletzungen (Art. 173 ff. StGB)
  • Missbrauch einer Fernmeldeanlage (Art. 179septies StGB)
  • Drohung (Art. 180 StGB)
  • Hausfriedensbruch (Art. 186 StGB)

Schutzmassnahmen können auch auf zivilrechtlichem Weg erwirkt werden. Hilfe und genauere Erklärungen erhält das Opfer bei Opferberatungsstellen.

Was können Betroffene tun?

Gemäss den Opferberatungsstellen und der Schweizerischen Kriminalprävention sei wichtig, möglichst früh aktiv zu werden. Erfahrungsgemäss würden viele Stallker von ihrem Tun ablassen, sobald die Polizei oder die Behörden involviert werden. 

Unterstützend kann man Folgendes tun:

- Grenzen setzen – und zwar klar und deutlich

- Umfeld informieren, privat wie auch geschäftlich

- Tagebuch führen (Handlungen des Täters schriftlich festhalten, Datum, Uhrzeit notieren, E-Mails und Briefe sichern, Screenshots von Chatverläufen machen und aufbewahren, dasselbe gilt für Grusskarten oder Geschenke).

- Unterstützung suchen (das geht etwa im privaten Umfeld aber auch bei Opferberatungsstellen oder Polizei. Man sollte sich dabei nicht mit Standardfloskeln abwimmeln lassen).

- Schuld nicht bei sich selbst suchen (Stalking kann jede und jeden treffen. Das Opfer trägt keine Schuld für das, was der Täter macht).

Was können Angehörige der Opfer tun?

Sich nicht aktiv einmischen

Opferberatungen raten strikt davon ab, Kontakt mit dem Täter aufzunehmen, auch wenn man als angehörige Person des Opfers den Drang dazu verspürt. Auch Kontaktversuche durch die stalkende Person sollten von den Angehörigen konsequent abgeblockt werden. Eine mögliche Kontaktaufnahme könnte demnach auch eskalieren.

Betroffene Person unterstützen

Stalking löst bei vielen Betroffenen Hilflosigkeit und Selbstwertkomplexe aus. Deshalb sei es als Angehörige des Opfers wichtig, statt sich auf den Täter vielmehr auf die betroffene Person zu fokussieren. 

Zuhören und Schuldgefühle vermeiden

Etwa zuhören und die Schilderungen nicht infrage stellen. Erfahrungsgemäss würden die Opfer damit nämlich häufig auf Unverständnis stossen.

Aufpassen sollte man auch mit Aussagen wie «Vielleicht hast du ihm/ihr einen Grund gegeben». Damit riskiert man unnötig, dass die gestalkte Person sich Schuldgefühle macht. Gemäss den Fachstellen gibt es nur eine schuldige Person, und zwar die, die stalkt. 

Wie geht die Polizei vor?

Reicht eine gestalkte Person eine Anzeige ein, prüft die Polizei in einem ersten Schritt die Gesamtumstände und versucht sich ein möglichst ganzes Bild von der Situation zu verschaffen.

Liegt ein Straftatbestand vor, dann wird die Anzeige aufgenommen. Andernfalls wird ein sogenanntes Bedrohungsmanagement eingeschaltet.

Die Gesetzgebung sieht in praktisch allen Kantonen die Möglichkeit vor, Stalkerinnen und Stalker als mögliche Gefährder anzusprechen, je nach Risikoanalyse vorläufig festzunehmen sowie ein befristetes Kontakt- und Rayonverbot gegenüber dem Opfer und allfälligen Kindern auszusprechen, falls nötig, unter Androhung von strafrechtlichen Konsequenzen bei Missachtung.