Late Night USA «Sie befürworten Abtreibung nach dem neunten Monat»

Philipp Dahm

13.4.2024

Donald Trump (links) bringt Seth Meyers – mal wieder – in Fahrt.
Donald Trump (links) bringt Seth Meyers – mal wieder – in Fahrt.

Der US-Bundesstaat Arizona hat ein rigoroses Abtreibungsrecht von 1864 aus der Versenkung geholt. Donald Trump sagt, das finde er gar nicht gut, aber dass es so weit gekommen ist, ist seine Schuld, sagt Seth Meyers.

P. Dahm

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Arizona reaktiviert ein rigoroses Abtreibungsrecht von 1864.
  • Donald Trump sagt, er sei dagegen, hat die ganze Sache aber ins Rollen gebracht, sagt Seth Meyers.
  • «Late Night» zeigt, wie Trump schon vor seiner Wahl 2016 plante, Richter am Obersten Gericht auszutauschen und das landesweite Recht auf Abtreibung zu kippen.
  • Nun gibt sich Trump moderat, indem er darauf verweist, die Bundesstaaten könnten nun selbst entscheiden.

In Sachen Abtreibung ist Donald Trump klar. «Late Night with Seth Meyers» zeigt ab Minute 1:10 einen TV-Ausschnitt von 2016, in dem dieser ankündigt, er sei «pro life» und werde auch Richter am Obersten Gericht benennen, die das auch so sehen. Wenn die bestehende Regelung gekippt werde, müssten die Bundesstaaten entscheiden, ob sie Abtreibungen zulassen wollten.

Drei Wochen nach dem Interview gewinnt Trump überraschend die Wahl, wird 45. US-Präsident. Im September 2023 blickt der 77-Jährige zurück: «Ich habe etwas getan, von dem niemand dachte, dass es möglich sei», sagt er im Clip ab Minute 3:35. «[Das Recht auf Abtreibung] wurde beendet und [eine Neuregelung] an die Bundesstaaten verwiesen.»

Als Reaktion zementieren einige Bundesstaaten danach das Recht auf Abtreibung: Kalifornien, Michigan, Ohio, Kansas und Kentucky schreiben es auf lokaler Ebene fest. Aber niemand könne sagen, er oder sie habe nicht gewusst, was Trump vorhat, sagt Seth Meyers: Der Republikaner habe alles öffentlich angekündigt.

«Und dennoch versucht Trump jetzt, allen weiszumachen, dass er in Sachen Abtreibung ein Moderater ist, der ein landesweites Verbot ablehnt», echauffiert sich der Moderator. 

Schlechte Komunikation

Ab Minute 4:51 ist dann ein Clip zu sehen, den Trump am 8. April auf seiner Plattform Truth Social veröffentlicht hat. «Viele Leute haben mich gefragt, was meine Position zum Abtreibungsrecht ist», beginnt der Ex-Präsident und wiederholt, nun sei alles gut, da die Bundesstaaten entscheiden würden.

Trump in seinem Truth-Social-Video vom 8. April – einen extra Ausschnitt davon findest du auch ganz unten.
Trump in seinem Truth-Social-Video vom 8. April – einen extra Ausschnitt davon findest du auch ganz unten.

«Oh, die Leute fragen dich, was deine Position zur Abtreibung ist?», fragt Meyers geladen. «Weisst du, was das heisst, Mann? Du bist ein besch******* Kommunikator. Du warst vier Jahre Präsident. Du hast nie deinen Sch****-Mund gehalten. Und dennoch fragen sich die Leute immer noch, was dein Standpunkt bei einer der grössten Probleme unserer Zeit ist.»

Niemand sei sich da im Unklaren, enerviert sich der Late-Night-Host. Trump habe das landesweite Recht auf Abtreibung gestürzt. 15 Wochen später hätten seine Republikaner ein Gesetz eingebracht, das sie landesweit verbieten soll. Die Republikaner im Repräsentantenhaus hätten das befürwortet, zählt Meyers auf.

Trump? «Er ist nicht gegen Abtreibung»

Weiter würden Trumps Getreue ein «Ministerium für Leben» planen, falls ihr Mann die Wahl im November gewinnt. Gleichzeitig wollten diese Leute nicht nur dafür sorgen, dass Abtreibungspillen ihre Zulassung verlieren, sondern auch ein Gesetz forcieren, das das Versenden solcher Pillen per Post unter Strafe stellt.

Nun spiele Trump den Gemässigten, der alles den Bundesstaaten überlässt, moniert Meyers. «Aber das wird er nicht tun», ist er sich sicher und zeigt ab Minute 6:14 eine Diskussion beim konservativen Sender «Fox News» vom 9. April. «Er ist nicht gegen Abtreibung», sagt da der Radiomoderator Mark Simone über Trump. «Er will ein 15-Wochen-Limit. Absolut vernünftig.»

Wer abtreiben kann, kann dafür auch ein bisschen weiter fahren, findet der konservative Radiomoderator Mark Simone.
Wer abtreiben kann, kann dafür auch ein bisschen weiter fahren, findet der konservative Radiomoderator Mark Simone.

Sein Gegenüber widerspricht, Trump habe am Vortag nicht mehr von einem Limit gesprochen. «Er sagte: Lasst die Bundesstaaten entscheiden.» «Okay», räumt Simone ein und schlussfolgert: «Aber das macht ihn zum Pro-Choice-Kandidaten.» Meyers gerät in Rage: «Trump ist der Pro-Choice-Kandidat? Seid ihr völlig von Sinnen?»

Arizona intsalliert Abtreibungsrecht von 1864

Das Gerede kaschiere die Wahrheit, wütet der 50-Jährige und fügt ironisch an: «Es ist so cool, ein paar Typen dabei zuzusehen, wie sie ein Thema diskutieren, das Frauen buchstäblich wehtut – weil es einen anderen Typen, Donald Trump, an der Wahlurne womöglich schmerzen könnte.»

Late Night USA – Amerika verstehen
blue News

50 Staaten, 330 Millionen Menschen und noch mehr Meinungen: Wie soll man «Amerika verstehen»? Wer den Überblick behalten will, ohne dabei aufzulaufen, braucht einen Leuchtturm. Die Late-Night-Stars bieten eine der besten Navigationshilfen: Sie sind die perfekten Lotsen, die unbarmherzig Untiefen bei Land und Leuten benennen, und dienen unserem Autor Philipp Dahm als Komik-Kompass für die Befindlichkeit der amerikanischen Seele.

Simone sagt übrigens auch: «Wenn du in einen anderen Staat fahren musst, um eine Abtreibung zu bekommen, ist das nicht die schlimmste Sache der Welt.» «Nimm du doch den Bus, Motherf*****», fährt Meyers hoch und erinnert daran, dass ein Staat wie Louisiana von anderen Staaten umgeben ist, in denen ein Abbruch ebenfalls verboten ist.

Den «idiotischen Kommentar» bringt Simone, als über die neueste Entwicklung in dem US-Drama geredet wird: ein «groteskes Urteil von Arizonas Oberstem Gericht» vom 9. April, erklärt Meyers. Der hat ein Gesetz von 1864 in Kraft gesetzt – aus einer Zeit, als es den Bundesstaat noch gar nicht gab.

Trump: Demokraten wollen «Exekutionen nach der Geburt»

Es verbietet Abtreibungen, ausser wenn das Leben der Mutter gefährdet ist – als Newsclip zu sehen ab Minute 8:44. «Dieses Gesetz geht auf den Bürgerkrieg zurück», schüttelt Meyers den Kopf, «als Frauen noch nicht wählen durften, bevor der 13. Verfassungsartikel die Sklaverei verboten hat, bevor Arizona ein Staat war, als Abraham Lincoln noch Präsident war.»

Und Trump? Der tut am 10. April so, als habe er das alles nicht gewollt. Auf eine Reporterfrage, ob Arizona zu weit gegangen sei, antwortet er: «Ja, sind sie, und das wird korrigiert. Wie sie wissen, geht es um die Rechte des Bundesstaates, und das wird korrigiert», widerspricht er sich selbst.

«Das wird korrigiert» – dabei ist es doch Sache des Bundesstaats? Trump widerspricht sich selbst.
«Das wird korrigiert» – dabei ist es doch Sache des Bundesstaats? Trump widerspricht sich selbst.

Dabei habe er selbst das Recht auf Abtreibung gekippt, wiederholt der Moderator. «Du kannst auch nicht die Toilette bei der Party verstopfen und dann sagen: ‹Ich denke, wir sind uns alle einig, dass jemand anderes das in Ordnung bringen muss.›»

Auch Trumps Protégé aus Arizona ist in der Sache ambivalent: Kari Lake bekundet nach dem Urteil in dem Bundesstaat, sie sei dagegen. Ab Minute 11 ist sie aber dabei zu sehen, wie sie vor dem Urteil betont, sie freue sich darauf, dass das Gesetz ASR 13-3603 wieder in Kraft treten soll. «Ich meinte nicht dieses ASR 13-3603», macht sich Meyers lustig. «Ich meinte das andere ASR 13-3603.»

Ein Detail entgeht Meyers in der Aufregung: Donald Trump gibt sich nicht nur ambivalent, was die Abtreibung angeht, sondern verurteilt gleichzeitig den politischen Gegner aufs Äusserte: «Demokraten befürworten eine Abtreibung bis hin zum neunten Monat und sogar nach dem neunten Monat. Das Konzept einer Abtreibung spät in der Schwangerschaft und sogar Exekutionen nach der Geburt sind inakzeptabel.»