Beinahe-Katastrophe Keine Bewilligung – Der «Blindflug» der Patrouille Suisse

tchs

21.9.2023

Eine Flugshow der Patrouille Suisse im Sommer erfolgte offenbar ohne die nötige Genehmigung. (Symbolbild)
Eine Flugshow der Patrouille Suisse im Sommer erfolgte offenbar ohne die nötige Genehmigung. (Symbolbild)
Bild: KEYSTONE

Als sich am 15. Juni bei einer Flugshow der Patrouille Suisse zwei Maschinen streiften, hätten sie offenbar gar nicht abheben dürfen. Die Luftwaffe redet sich um Kopf und Kragen.

tchs

21.9.2023

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Beim Eidgenössischen Jodlerfest Mitte Juni führte die Patrouille Suisse eine Flugshow inklusive Training durch.
  • Damals kam es beinahe zu einer folgenschweren Kollission zweier Flugzeuge.
  • Nun wird klar: Offenbar hatte die Luftwaffe von der Stadt Zug überhaupt keine Genehmigung eingeholt.

«Es ist weder ein Gesuch der Armee eingegangen, noch hat die Stadt Zug eine Bewilligung erteilt»: Die Aussage von Zugs Stadtpräsident André Wicki (SVP) könnte deutlicher nicht sein. Die Patrouille Suisse hat demnach keine Einwilligung der Stadt Zug erhalten, Mitte Juni zum Eidgenössischen Jodlerfest eine Flugshow samt Training durchzuführen.

Dies verwundert, da ein Armeesprecher auf Anfrage des «Beobachters» zuvor noch behauptete, das Eidgenössische Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) habe die schriftliche Zustimmung der Stadt Zug eingeholt. Als er mit Wickis Statement konfrontiert wurde, ruderte der Sprecher zurück und gestand ein, dass eine explizite Bewilligung doch nicht vorlag.

«Die Armee hat es versäumt, nachzuhaken und die explizite Bewilligung des Veranstalters einzuholen – auch aufgrund eines Missverständnisses», erklärte der Sprecher gegenüber dem «Beobachter». So sei die Armee davon ausgegangen, dass zusätzlich eine Bewilligung für das Training und den Flug vorliege, da ihr vom Organisationskomitee ein Versicherungsnachweis und eine Lärmpublikation vorgelegt wurden. Allerdings betonte der OK-Präsident, der Zuger SVP-Regierungsrat Stephan Schleiss, dass von Seiten der Luftwaffe nur die Nachweise der Versicherung und der Lärmpublikation als Anforderungen mitgeteilt und eingefordert wurden.

Am 15. Juni kam es fast zur Katastrophe

Die Geschichte ist vor allem deshalb brisant, weil beim Jodlerfest, das am 15. Juni im Grenzgebiet von Baar und Zug stattfand, zwei Patrouille-Suisse-Flugzeuge kollidierten. Dabei touchierte ein «Tiger»-Modell ein anderes Flugzeug und Trümmerteile fielen auf das Betriebsgelände der Rohstofffirma Glencore. Eine grössere Katastrophe wurde nur um ein Haar verhindert. Aktuell wird der Fall von der Militärjustiz bearbeitet, wann der Abschlussbericht erfolgt, ist momentan noch unklar.

Am 15. Juni kam es bei Zug fast zur Katastrophe, als sich zwei Maschinen touchierten. (Archivbild)
Am 15. Juni kam es bei Zug fast zur Katastrophe, als sich zwei Maschinen touchierten. (Archivbild)
KEYSTONE/URS FLUEELER

Wie Peter Merz, Chef der Luftwaffe, auf Anfrage des «Beobachters» eingestehen musste, sei diese ihrer Kontrollpflicht nicht nachgekommen. «Wir haben nicht kontrolliert, ob das OK des Eidgenössischen Jodlerfests eine explizite Bewilligung für die Flugvorführung der Patrouille Suisse eingeholt hatte.» Gleichzeitig betonte Merz jedoch auch, dass aufgrund des Bewilligungsgesuchs an die Stadt Zug sowie der Bestätigung man davon ausgehen konnte, «dass diese Bewilligung implizit auch für die Flugvorführung der Patrouille Suisse gilt».

Damit vertreten sowohl der Luftwaffen-Chef als auch die Kommunikationsleute der Armee den Standpunkt, dass die Flugshow und die Trainingsflüge am Jodlerfest durchgeführt werden durften – auch wenn die Stadt Zug kein explizites Okay gab.

Experten: Luftwaffe liegt falsch

Aber: Der «Beobachter» zitiert eine Weisung des VBS, in welcher die Teilnahme von Militärflugzeugen an Flugshows sowie zu besonderen Anlässen geklärt werden: «Für militärische Flugvorführungen mit Jet-Flugzeugen hat die Luftwaffe dafür zu sorgen, dass die oder der Gesuchsteller die behördliche Zustimmung aller an den Flugplatz anstossenden Gemeinden beibringt», heisst es darin. Wie ein Armeesprecher bestätigte, ist mit Flugplatz der Veranstaltungsort – hier also die Stadt Zug – gemeint. Die behördliche Zustimmung habe jeweils schriftlich zu erfolgen.

Die Aussagen, die zwei Rechtsprofessoren gegenüber dem «Beobachter» tätigen, widerlegen die Rechtfertigung der Luftawaffe: «Die Vorführungen standen im Widerspruch zu den Weisungen des VBS», erklärt Bernhard Rütsche, Professor für öffentliches Recht an der Universität Luzern. «Die geplante Flugshow und die damit verbundenen Trainings hätten also gar nicht durchgeführt werden dürfen.» Derselben Meinung ist auch Staatsrechtsprofessor Markus Müller von der Universität Bern.

Beide Experten stellen zudem klar, dass nicht, wie von der Kommunikationsabteilung und Luftwaffen-Chef Peter Merz behauptet, ausschliesslich die Einwilligung der Stadt Zug vorliegen müsste, sondern auch die des Nachbarortes Baar. Dort scheint jedoch überhaupt kein Bewilligungsgesuch eingegangen zu sein.