Reaktionen auf Carlson-Putin-Interview«Märchenstunde von Moskau» – «Politische Horrorshow»
klm
9.2.2024
Putin: «Russland wird bis zum Ende für seine Interessen kämpfen»
Es ist das erste Interview von Wladimir Putin mit einem westlichen Journalisten seit Kriegsbeginn. Der rechte US-Talkmaster Tucker Carlson hat sein Interview mit dem russischen Präsidenten in der Nacht zu Freitag veröffentlicht.
09.02.2024
Wladimir Putin hat Tucker Carlson ein für westliche Medien äusserst seltenes Interview gegeben. Für westliche Experten*innen sei das ein Schlag ins Wasser gewesen. Russische Medien feiern die Sendung derweil.
klm
09.02.2024, 13:21
09.02.2024, 13:28
klm
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Russlands Präsident Wladimir Putin hat erstmals seit seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine einem westlichen Moderator ein Interview gegeben.
Der Interviewer: Ex-Fox-News-Aushängeschild Tucker Carlson.
Vor allem in den westlichen Medien wird das Interview stark kritisiert.
Von russischen Medien werden Tucker Carlson und Wladimir Putin für das Gespräch gefeiert.
«Die Märchenstunde von Moskau – erst nach sieben Minuten unterbricht Carlson Putin.»
So titelt die «Welt» einen Kommentar zu dem zweistündigen Interview, das der russische Präsident Wladimir Putin dem ehemaligen Fox-News-Moderator Tucker Carlson gegeben hat.
Damit greift die deutsche Zeitung das auf, was bei den meisten westlichen Medien nach dem Interview besonders in Erinnerung bleibt: nämlich die erste halbe Stunde.
Für viele war das Putin-Interview «langweilig»
Auf die Frage, warum Putin die Ukraine angegriffen hat, reagierte dieser nämlich mit einer ausufernden Geschichtslektion, sinnierte über Zaren und Prinzen und ging bis ins 13. Jahrhundert zurück. Für Bastian Brauns von «T-Online» sei das ein «onkelhaft erzähltes Geschichtsmärchen».
Auch sonst gewinnt der US-Korrespondent dem Gespräch nicht viel Gutes ab: «Tatsächlich war das, was Tucker Carlson und Wladimir Putin über mehr als zwei Stunden austauschten, nicht nur todlangweilig, sondern längst bekannt. Es war die typische politische Horrorshow des Kremlherrschers, die er seit Jahren abzieht.»
Laut Jill Dougherty, der ehemaligen Russland-Korrespondentin von CNN, sei Putin genau wegen der langen Geschichtsstunde zu Beginn mit den Zielen des Interviews gescheitert. «Putin wollte die Chance, direkt zu einem Publikum zu sprechen und damit auch die US-Präsidentschaftswahl zu beeinflussen», fasst Dougherty zusammen. «Hatte er damit Erfolg? Ich glaube nicht. Wenn Putin mit der Geschichtslektion die amerikanischen Bürger erreichen wollte, hat er sie damit nur verwirrt. Diese Lektionen sind wichtig für Putin, nicht die US-Amerikaner.»
Auch der Rest des Interviews wird in der Luft zerpflückt. Carlson habe Putin erwartungsgemäss eine Propagandabühne geliefert. So gab es vonseiten des US-Moderators nicht eine kritische Nachfrage, etwa zu mutmasslichen Kriegsverbrechen oder der Pressefreiheit in Russland.
«Putin unterrichtete, witzelte und schlug aus – aber nie gegen den Moderator. Tucker Carlson lachte, hörte zu – und hört noch mehr zu», sagt Osteuropa-Korrespondentin Sarah Rainsford zu BBC. «Carlson frass alles auf, was der russische Präsident ihm sagte. Putin war vollkommen in Kontrolle und der Interviewer konnte nicht einmal ein Wort sagen.»
Umso mehr feiern russische Medien den vermeintlichen Coup. Viele gingen dabei auf die Reichweite und mögliche Auswirkungen des Videointerviews ein.
Der Clip sei auf der Social-Media-Plattform X bereits mehr als 60 Millionen Mal aufgerufen worden, berichtete etwa das Staatsfernsehen auf seiner Webseite. Die kremlnahe Zeitung «Iswestija» wiederum zählte mehr als 475'000 Likes und zitierte einen ranghohen Beamten in den von Russland besetzten Gebieten der Ukraine, der sagte, der vom Westen zugezogene «Info-Vorhang» sei gescheitert.
Die Boulevardzeitung «Komsomolskaja Prawda» sammelte in einem Artikel unter der Überschrift «Ich bin nah daran, die russische Staatsbürgerschaft zu beantragen» vor allem lobende Kommentare.
Für Putins ehemaligen Redenschreiber Abbas Galljamow sei vor allem der Zeitpunkt des Interviews bekennend. «Dem Zeitpunkt nach zu urteilen, besteht die Hauptaufgabe des Interviews darin, den Skandal mit der Ablehnung der Registrierung Nadeschdins zu überdecken», so der Politologe Abbas Galljamow, der inzwischen im Exil lebt.
Boris Nadeschdin wurde als Kriegsgegner mit unerwartet grossem Zulauf von Unterstützern wenige Stunden vor Veröffentlichung des Interviews von den Präsidentenwahlen in Russland ausgeschlossen. Galljamow bemängelte deshalb die kritiklose Übernahme der Thesen Putins durch Carlson.