«Szenen wie aus Horrorfilmen»So erlebte Moderatorin Andrea Kiewel das Grauen in Israel
Von Philipp Fischer
8.10.2023
«ZDF-Fernsehgarten»-Moderatorin Andrea Kiewel lebt seit einigen Jahren mit ihrem Partner in Tel Aviv. Den Angriff der Hamas muss sie völlig verstört in einem Schutzraum durchstehen.
Von Philipp Fischer
08.10.2023, 21:02
08.10.2023, 21:13
Von Philipp Fischer
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
In einem dramatischen Live-Bericht schildert Moderatorin Andrea Kiewel den Angriff der Terrormiliz Hamas auf Israel.
Sie flüchtet mit ihrem Freund, ein ehemaliger Elitesoldat, in einen Bunker.
Die «Fernsehgarten»-Moderatorin lebt seit Jahren in ihrer Wahlheimat Israel.
Die groteske Skurrilität von zeitlich versetzten Ausstrahlungen von TV-Aufzeichnungen lässt sich kaum besser nachvollziehen, als anhand des «ZDF-Fernsehgarten» am heutigen Sonntag. Während Moderatorin Andrea Kiewel die TV-Zuschauer mit einem fröhlichen «Ahoi Hamburg» begrüsst, sitzt die beliebte Moderatorin im realen Leben mit panischer Angst in einem Bunker in Tel Aviv. Die Sendung wurde am 1. Oktober aufgezeichnet. Gleich im Anschluss an den Dreh reiste Kiewel zu ihrem Freund nach Israel.
In den frühen Morgenstunden des 7. Oktober habe ihr Telefon geklingelt. Ihre Schwiegermutter Rita spricht am Ende der Leitung. «Are you good – geht es dir gut?» Ich wundere mich nur kurz und antworte: «Oh ja. Wir hatten so einen lustigen Abend bei Freunden. Simchat Tora. Chag same…..» Und da heult die Sirene los.» So beschreibt Andrea Kiewel in einem Live-Ticker den Morgen des Angriffs.
Ihre Erlebnisse hat der TV-Star in der «Jüdischen Allgemeinen» veröffentlicht. «Dies ist der Live-Ticker eines Morgens, der vorbei ist - und noch lange andauern wird», schreibt sie zu Beginn ihrer Berichterstattung.
«Meine Hände zittern»
Nur wenige Minuten später berichtet die Moderatorin: «Ich sitze mit meinem Hund im Mamad, dem kleinen Schutzraum in meiner Wohnung. Er hat keine Tür. Es gab nie eine. Beim hektischen Schliessen der Metallfensterläden bemerke ich, dass meine Hände zittern.»
«Ich weine», schreibt Kiewel. Währenddessen hört sie die Sirenen heulen. Dazwischen: «Bumm Bumm». Kiewel vernimmt, wie das Iron-Dome-Schutzschild feindliche Raketen abschiesst.
«Die WhatsApp-Gruppe meines Hauses ist in Höchstform», so die 58-Jährige. Oft debattiert sie mit ihren Nachbarn über blockierte Parkplätze oder Müll in den Hausfluren. «In Situationen wie an diesem Samstagmorgen ist das alles vergessen. Wir wollen sicher sein, dass alle sicher sind», schildert sie ihre aktuelle Gefühlslage. Und sie denkt an Zuhause: «Deutschland schläft noch. Ich beschliesse, meiner Mama nichts zu schreiben. Sie würde von all dem noch früh genug aus den Nachrichten erfahren.»
Sorgen in der Heimat
Wenig später erhält Kiewel unzählige Nachrichten aus der Heimat: «Mami, bist du okay?, Was zum Teufel ist bei euch los?, Terroristen?, Wo ist die Armee?, Andrea, sollen wir dir einen Flug buchen?, Bist du in Sicherheit?» Noch während sich Andrea Kiewel über die Anteilnahme aus Deutschland freut, schlägt ihre Stimmung schon wieder um. Sie denkt an die Opfer des Angriffs. «Ich weine um die Menschen, die eiskalt abgeschlachtet werden. Jawohl! Abgeschlachtet. Ich weine um die Geiseln, die in den Gazastreifen verschleppt werden. Die Bilder, auf denen ich schreiende, weinende Kinder sehe, noch im Schlafanzug und sich an ihre Eltern klammernd, sind unerträglich.»
Um 10.30 Uhr zwingt sich Andrea Kiewel, «etwas anderes zu machen, als im Nachrichtenstrudel zu ertrinken.» Sie fasst die politische Situation zusammen: Seit Monaten habe es Auseinandersetzungen im Westjordanland gegeben. Siedler gegen Araber. Terror. Mord. Tote. Verletzte. Sie merkt an, dass die israelische Regierung kein Machtwort zu ihren gewaltbereiten Siedlern ausspricht. «Wie auch? Deren Partei ist in der Regierung. Es wäre, wie sich selbst ins Bein zu schiessen», so Kiewel.
«Und ertrinke in meinen Tränen»
Mit ihrem Mann, der neben ihr im Bunker kauert, spricht die Moderatorin über die reguläre israelische Armee IDF. Sie umfasst 173’000 Soldatinnen und Soldaten. «Das ist gemessen an 9,7 Millionen Einwohnern und der ständigen Bedrohung von allen Seiten eine kleine Armee», schreibt Kiewel in ihrem Bericht für die Jüdische Allgemeine.
«Der Mann, den ich liebe, ist der Fels in der Brandung», so Kiewel. Als Elite-Soldat habe er in 25 jahren bereits viele schlimme Ereignisse erlebet und überlebt. «Es wird noch ein paar Raketen geben. Die Ruhe jetzt ist nur eine Atempause, meine Süsse», beruhigt er seine Liebste.
Am frühen Nachmittag erhält der Partner von Andrea Kiewel den Anruf zur Einberufung von Reservisten. «Andrea. Ich bekam einen Anruf. Ich gehe.» Kiewel ist verzweifelt: «Mein Mann zieht die Jeans aus und die Uniform an. Die kugelsichere Weste liegt neben der grossen Blumenvase, deren Orange leuchtet wie die Sonne, wenn sie allabendlich im Mittelmeer versinkt. Noch gestern sangen und tanzten wir. Es ist absurd. Makaber. Unrealistisch.»
Wenig später steht Kiewel auf der Strasse. «Ich komme zurück», sagt ihr Freund. Kiewel winkt ihm nach. «Ich winke auch noch, als er längst abgebogen ist. Ich winke und winke. Und ertrinke in meinen Tränen.»