Roger Federer tritt zurück. 15 Monate nach dem letzten Einzel sieht die Tennis-Legende ein, dass ein Comeback keinen Sinn mehr macht.
In seiner emotionalen Abschiedsrede, veröffentlicht am Donnerstag um 15.12 Uhr auf seinem Instagram-Account, erklärt sich Federer. Viereinhalb Minuten lang spricht der «Maestro» zu den Fans. Nach 50 Sekunden die entscheidenden Worte: «Ich bin 41-jährig. In 24 Jahren habe ich mehr als 1500 Partien bestritten. Tennis hat mich grosszügiger behandelt, als ich es mir je hätte erträumen dürfen. Aber jetzt muss ich erkennen, dass es an der Zeit ist, meine Wettkampf-Karriere zu beenden. Der Laver Cup nächste Woche in London wird mein letztes Turnier sein. Ich werde in Zukunft natürlich weiter Tennis spielen, aber nicht mehr bei Grand Slams oder auf der ATP-Tour.»
Federer sagt auch, dass die Botschaft seines Körpers in den letzten Tagen eindeutig gewesen sei. Den Rücktritt empfindet Federer als «bitter-süss». Er werde alles vermissen, was die Tour ihm gegeben hat. «Aber andererseits gibt es so viel zu feiern. Ich erachte mich als einen der glücklichsten Menschen auf der Erde. Mir wurde ein besonderes Talent zum Tennisspielen gegeben, und ich spielte den Sport auf einem Niveau, das ich mir nie hätte vorstellen können und viel länger, als ich es je für möglich gehalten hätte.»
Rückschläge
Geplant war das aber alles anders. Die Swiss Indoors Basel vermeldeten noch vor wenigen Tagen, dass Federer den Start am Heimturnier Ende Oktober nochmals bestätigt habe. Gleichzeitig verdichteten sich in den letzten Tagen die Informationen, wonach Federers Comeback-Fahrplan nicht mehr stimme. Rückschläge hätten sich bei der Genesung eingestellt.
Noch einmal wird Roger Federer an einem grossen Profi-Event Tennis spielen: Am Ende der nächsten Woche am Laver Cup. Diesen Zeitpunkt wählte Federer mit Bedacht. Der Laver Cup, dieser Vergleich zwischen Europa und dem Rest der Welt, ähnlich im Golf dem Ryder Cup, ist Federers Erfindung. Dieser Event soll bestehen bleiben.
Letztes Einzel
Von Roger Federer bleibt natürlich viel, viel mehr. Sein Spiel kam, wenn alles stimmte, der Perfektion nahe. Federers «Sportsmanship» und Fairness suchen ihresgleichen im Sport auf allerhöchstem Niveau. Nebst dem immensen Aufwand, den ein Profispieler auf sich nehmen muss, vertrat Federer von 2008 bis 2014 und nochmals von 2019 bis 2022 seine Kollegen im Spielerrat der ATP. Federer gewann 1251 Einzel, 103 Turniere, 20 Grand-Slam-Titel und 8-mal Wimbledon. 40 ATP-Awards wurden ihm übergeben.
Als er am 7. Juli 2021 in Wimbledon den Viertelfinal gegen den Polen Hubert Hurkacz 3:6, 6:7, 0:6 verlor, deutete noch nicht viel darauf hin, dass er nie mehr antreten würde – obwohl die Fans im Centre Court damals skandierten: «Noch ein Jahr, noch ein Jahr!»
Eine Woche nach der letzten Niederlage sagte Federer die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Tokio ab. Und einen weiteren Monat später erzählte Federer auf Instagram (wie jetzt den Rücktritt), dass er sich während der Rasensaison noch mehr verletzt habe, und dass er sich erneut einer Knieoperation unterziehen müsse.
Federers Leidenszeit begann aber schon fast zwei Jahre vorher. Die letzten drei Jahre bezeichnete Federer «wegen Verletzungen und Operationen» als immense Herausforderung.
Ein kleines Dankeschön
Jenen Leuten, die ihn während dieser dreijährigen Leidenszeit begleiteten, dankte Federer – zuerst «vor allem meiner wunderbaren Frau Mirka», die ihn vor wichtigen Finals aufgewärmt hat, und «die meine alberne Seite seit über 20 Jahren erträgt». Federer bedankte sich auch bei seinen Kindern, den Eltern, der Schwester, dem Schweizer Tennisverband und bei seinem gesamten Team mit Ivan Ljubicic, Daniel Troxler, Roland Biedert, Severin Lüthi, Pierre Paganini und Tony Godsick – und bei Konkurrenten wie Rafael Nadal und Novak Djokovic. Federer: «Ich hatte das Glück, viele epische Matches zu spielen, die ich nie vergessen werde. Wir kämpften fair, mit Leidenschaft und Intensität. Wir haben uns gegenseitig gepusht und gemeinsam haben wir das Tennis auf ein neues Niveau gebracht.»
Das grösste Dankeschön ging aber an die Fans: «Ihr werdet nie wissen, wie viel Kraft und Glaube ihr mir gegeben habt. Das inspirierende Gefühl, in volle Stadien zu gehen, war einer der grössten Nervenkitzel in meinem Leben. Ohne euch hätten sich diese Erfolge einsam angefühlt. Als meine Liebe zum Tennis begann, war ich ein Ballkind in meiner Heimatstadt Basel. Ich beobachtete die Spieler mit einem Gefühl des Staunens. Sie waren wie Giganten für mich und ich begann zu träumen. Meine Träume führten dazu, dass ich härter zu arbeiten begann. Ich möchte mich also von ganzem Herzen bei allen bedanken, auf der ganzen Welt, die dazu beigetragen haben, die Träume eines jungen Schweizer Ballbuben wahr werden zu lassen.»
Und dem ganzen Tennissport verspricht Federer: «Ich liebe euch und werde euch nie verlassen.»
sda