Schweiz gegen Kosovo am Dienstag in Zürich ist mehr als ein Testspiel. Es ist ein Spiel zwischen Freunden sowie zwei Verbänden, die auch abseits des Rasens immer mal wieder miteinander zu tun hatten.
Früher nannte man sie Freundschaftsspiele. Spiele, die keine Wettbewerbsspiele waren. Dann wurden aus ihnen Testspiele, weil das dem sportlichen Sinn näher kam. Deshalb ist es also offiziell ein Testspiel, wenn die Schweiz am Dienstag in Zürich gegen den Kosovo antritt. Doch Xherdan Shaqiri sagte letzte Woche: «Es ist ein Freundschaftsspiel, denn die Schweiz und den Kosovo verbindet eine grosse Freundschaft. Es wird ein Spiel der Freundschaft.»
Shaqiri hat seine Wurzeln in Kosovo, er wurde vor etwas mehr als 30 Jahren dort geboren. Am Dienstag bestreitet er das 102. Länderspiel – für die Schweiz. Zusammen mit dem Schweizer Captain Granit Xhaka, der gegen den Kosovo zu seinem 100. Länderspiel kommt, ist er in der Schweiz ein Beispiel gelungener Integration.
Stars in beiden Ländern
Stars sind Xhaka und Shaqiri in beiden Ländern. Xhaka hat einmal gesagt, es gäbe einen Menschenauflauf, wenn er im Sommer in seine kosovarische Heimat reise. Shaqiri ist der populärste Spieler der Schweizer Auswahl. Kein Trikot wird häufiger verkauft, als das mit der Nummer 23. Shaqiri sagte dieser Tage aber auch: «Wenn ich im Kosovo in den Ferien bin, klingelt es jede Stunde mindestens einmal an der Tür. Jeder will mich sehen.»
Wegen der Corona-Pandemie sind Xhaka und Shaqiri seit über zwei Jahren nicht mehr im Kosovo gewesen. Umso besser, dass das Familien- und Freundschaftstreffen nun im Rahmen des Spiels auf dem Letzigrund stattfinden kann. Wenn er alle Ticketanfragen hätte erfüllen wollen, dann hätte er das ganze Stadion mieten müssen, so Xhaka. Der Letzigrund ist auch so voll. Am Sonntag vermeldete der SFV: 20'800 Tickets abgesetzt, Stadion ausverkauft.
Der Kosovo wird ein «Heimspiel» austragen, doch dank Xhaka und Shaqiri gehören auch dem Schweizer Team die Sympathien. Xhaka sagte einst in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA: «Ich weiss, wie viele tausend in Albanien und im Kosovo vor dem Fernseher sitzen und der Schweizer Nationalmannschaft zujubeln und sich ehrlich über jeden unserer Erfolge freuen.»
Schweizerdeutsch in Kosovos Team
Die freundschaftlichen Bande gibt es auch auf dem Platz. Shaqiri erzählt von Florent Hadergjonaj, der ein guter Freund ist. Das ist der rechte Aussenverteidiger des Kosovo, der breites Berndeutsch spricht, denn er ist im Emmental aufgewachsen. 2017 absolvierte Hadergjonaj in einem Test gegen Weissrussland ein Länderspiel für die Schweiz, ein Jahr später stand er nochmals bei zwei Partien im Kader.
Danach hat er sich entschieden, für den Kosovo zu spielen. Aus dem aktuellen Kader des Kosovo haben auch Mirlind Kryeziu und Fidan Aliti vom FC Zürich sowie Betim Fazliji von St. Gallen und der ehemalige FCZ-Junior und -Spieler Toni Domgjoni eine enge Verbindung zum Schweizer Fussball und zur Schweiz. Sie alle spielen auch deshalb für den Kosovo, weil sie dort die grösseren Aussichten auf einen Platz im Team haben als beim regelmässigen WM- und EM-Teilnehmer Schweiz.
In ihren Fällen buhlte der kosovarische Verband erfolgreich und ohne grosses Aufsehen um ihre Dienste. Der Westschweizer Bernard Challandes, von 2018 bis 2021 Nationaltrainer des Kosovo, umschrieb es in einem Interview mit der «Aargauer Zeitung» mal so: «Die Spieler werden gut beraten. Die Agenten wissen, was das Beste ist für ihre Klienten.»
Aber Challandes sagte auch, dass bei den Kosovaren «immer auch die Familien mitreden». So war das vor rund zwei Jahren bei Andi Zeqiri. Der Lausanner Stürmer war Stammkraft und erfolgreicher Torschütze in der Schweizer U21, als sein Vater einem kosovarischen TV-Sender mitteilte, sein Sohn habe sich entschieden, für den Kosovo zu spielen. In den sozialen Netzwerken zirkulierten kurz darauf Bilder Zeqiris mit dem Verbandspräsidenten und dem blauen Nationaltrikot des Kosovo.
Nun, es stellte sich heraus, dass die Bilder viel älteren Datums waren, und noch am gleichen Tag erklärten die Berater Zeqiris und der SFV, dass ein Nationenwechsel nicht zur Debatte stünde. Am Dienstag gehört Zeqiri zum Schweizer Kader, er hat im letzten Herbst unter Murat Yakin debütiert.
Heikle Nationen-Wahl
Die Geschichte mit Zeqiri zeigt, dass die Wahl der «richtigen» Nationalmannschaft für die vielen Doppelbürger auch heikel sein kann. Denn bei aller Freundschaft und Verbundenheit der beiden Länder schaut jeder auch auf seinen Vorteil. Der Spieler selbst, aber auch das Umfeld und die beiden involvierten Verbände.
Die Auswahl des Kosovo bestreitet erst seit 2016 Wettbewerbsspiele. Um eine schlagkräftige Mannschaft zusammenzustellen, muss(te) das kleine Land Ausschau halten nach Spielern, die ihre Wurzeln im Kosovo haben, aber anderswo aufgewachsen und fussballerisch ausgebildet worden sind – nicht selten in der Schweiz.
Der SFV äusserte damals ziemlich harte Kritik an der FIFA und am Kosovo. Das Abwerben von Seiten des Kosovo «provoziert zahlreiche, teilweise sehr emotionale Kommentare von vielen Seiten, was wiederum die Spieler und zum Teil deren Familien unter grossen Druck setzt», schrieb der SFV in einem Communiqué. Dem Weltverband warf er vor, er habe wenig getan, Rechtsunsicherheiten zu verhindern. «Eine eindeutige Stellungnahme der FIFA zu möglichen oder eben nicht möglichen Wechseln würde diese Situation sofort klären.»
Konkret ging es 2016 um den Wunsch des Kosovo, Xhaka und Shaqiri mögen in Zukunft für das Heimatland ihrer Väter spielen. Die Irrungen und Wirrungen vom Sommer 2016 blieben letztlich ein Sturm im Wasserglas. Sie bleiben aber Teil des Weges des Verbandes im Kosovo und Teil der Entwicklung der Schweizer Auswahl. Und sie sind auch Teil der Geschichte von Xhaka und Shaqiri als kosovarische Helden – und Nationalspieler der Schweiz mit 100 und mehr Länderspielen.
Di 29.03. 17:30 - 20:15 ∙ SRF zwei ∙ 165 Min
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sda